Windows on ARM soll ja der Befreiungsschlag für Microsoft werden und das Ende des Wintel-Kartells einläuten. Windows 8 wird erstmals auf ARM-Prozessoren als Windows on ARM (oder Windows RT, wie Microsofts Bezeichnung nun lautet) laufen. Aber kann Windows RT Erfolg haben?
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Zumindest Intels Chef Otellini hegt da gewissen Zweifel, die er auf dem kürzlich durchgeführten, jährlichen Intel-Investors-Meeting geäußert hat. In theverge.com hat man einige Zitate veröffentlicht. Gut, man muss im Hinterkopf natürlich wissen, dass sich ein Intel CEO auf einer Investorenkonferenz nicht hinstellen kann und sagt "Jungs, schön, dass ihr euer Geld hier investiert, aber im übrigen gibt es demnächst Windows 8 auf ARM, was uns die Butter vom Brot holt".
Aber etwas wahres ist schon dran, wenn Otellini ausführt "I think they have a bit uphill fight" – sprich: Die Windows RT-Variante wird gegen Widerstände des Markts ankämpfen. Der Intel-Mann adressiert dabei genau die Gedanken, die mir bereits seit längerem durch den Kopf gehen.
Katzenjammer beim ersten Nachdenken …
War ich zunächst noch extrem enthusiastisch, als ich von den Plänen eines Windows on ARM hörte, stellten sich schnell Zweifel und schließlich Ernüchterung ein. Naiv, wie ich nun einmal bin, dachte ich "cool, die mangeln ein komplettes Windows 7+ auf die ARM-Plattform – endlich kann ich alles, was in der x86-Welt geht, auch auf ARM machen". Aber nach etwas Nachdenken, kamen hier mit der Zeit Fragen über Fragen auf – und seit Microsoft Details zu Windows RT veröffentlicht, wird vieles auch klarer. Windows on ARM (WOA) bzw. Windows RT führt zwar noch Windows im Namen, ist aber kein Windows, wie Anwender es landauf, landab so kennen. Da sind Frust und Ernüchterung vorprogrammiert.
- Wer ein ARM-Gerät kauft, ist auf Gedeih und Verderb auf die vom Hersteller mitgelieferte Betriebssystemsoftware angewiesen. Ein ARM-Tablet mit Android kaufen und dann mal eben schnell Windows RT drauf installieren, ist nicht. Windows RT wird nur in Verbindung mit Hardware an Endkunden ausgeliefert – und auf die Hersteller kommt eine Menge Anpassungsarbeit zu.
- Zudem baut Microsoft so einige Hürden für die OEMs auf, die Windows on ARM vertreiben möchten. Einmal wird Microsoft nur mit einigen wenigen Herstellern Referenzdesigns für ausgesuchte ARM-Prozessoren von Qualcom, Texas Instruments und nVidia entwickeln. Hier hatte ich vor gut einem Jahr bereits berichtet, dass die Produzenten über die von Microsoft auferlegten Bedingungen stöhnen. So wird UEFI 2.3.1 auf ARM-Plattformen zwingend vorausgesetzt, damit ein Secure Boot möglich ist. Ich hatte hier über die Verdongelung von Hardware und Betriebssystem berichtet. War das zwar noch auf x86-Geräte bezogen, ist dies auf der ARM-Plattform in meinen Augen Fakt.
Wen dies nicht anficht, weil er sich eh immer ein Tablet PC mit Windows RT holt, dürfte mit anderen Problemen zu kämpfen haben.
- Windows on ARM startet bereits mit dem Problem, dass kaum Treiber für vorhandene Geräte vorhanden sind. Nur wenn die Hersteller spezielle ARM-Treiber entwickeln, wird das Betriebssystem auch die Drucker, Scanner und sonstigen Peripheriegeräte unterstützen. Wenn man beobachtet, wie schlecht manche Hersteller ihre Geräte mit aktualisierten Windows-Treibern unterstützen, bekommt man einen Vorgeschmack. Denn die Portierung von Treibern auf ARM ist wohl noch aufwändiger. Hier hatte ich aber den großen Vorteil von Windows 8 gegen iOS oder Android gesehen, da diese Mitbewerber sich mit der Anbindung von Peripherie schwer tun.
- Das größte Problem stellt in meinen Augen aber die fehlende Unterstützung für Windows-Anwendungen von Drittherstellern dar. Microsoft wird zwar ein paar Systemtools, den Internet Explorer und den Windows Explorer für die ARM-Plattform portieren. Diese Portierung ist aber für Dritthersteller nicht vorgesehen bzw. möglich (wie ich hier ausführe). Mit anderen Worten: Die von vielen Anwendern geliebten Internet Security Suites, ein OpenOffice.org, ein VLC-Player oder was auch immer an Tools verwendbar wäre, läuft unter Windows RT nicht.
Der theverge.com-Artikel endet zwar mit dem Hinweis, dass sich viele Leute auf die "frischen Erfahrungen, die die Metro-Oberfläche bietet" freuen – und das Ganze vielleicht nicht ganz so problematisch wie von Otellini beschrieben sei. Mag sein, aber ich hege meine Bedenken. Denn dass die Metro-Apps alles abdecken sollen, halte ich für einen frommen Wunsch. Kann ich bei Android einer App noch Root-Rechte gewähren, werden Metro-Apps niemals mit administrativen Berechtigungen ausgeführt werden können. Systemtools oder ähnliche Programme sind daher als Metro-App passé.
Unter dem Strich ist Windows RT für mich daher ziemlich kastriert und austauschbar geworden. Wenn ich keinen Drucker an meinem Windows Tablet PC anschließen und und drucken kann, warum soll ich dann Windows RT verwenden? Ein DVB-T-Stick an die USB-Buchse meines Tablet PC angeschlossen, eine TV-Anwendung gestartet und dann terrestrisches Fernsehen genießen? Bei ARM kann man das knicken. Schnell mal eine Freeware-Anwendung ausprobieren, geht nicht. Und wenn der Drucker nicht tut, ist der Frust groß. Dann lieber zu einem billigen Android-Tablet PC oder gleich zum iPad greifen. Da klappen die hier skizzierten Szenarien zwar auch nicht – aber da weiß der Käufer meist, worauf er sich einlässt.
Für den Firmeneinsatz sieht es mau aus
Da heben die Protagonisten die ARM-Plattform als besonders stromsparend hervor, die sich hervorragend für mobile Geräte eignet. Und wenn ich die Berichterstattung im Internet so verfolge, ist das "bring your own device" in Firmen doch gang und gebe (obwohl ich das bezweifele). Schaue ich mir nun aber an, wie Windows RT (abseits der obigen Einschränkungen) für den Business-Einsatz prädestiniert ist, befallen mich weitere Zweifel.
Gehe ich nämlich die in diesem Beitrag enthaltene Tabelle mit der Featureliste der einzelnen Windows-Varianten (SKUs) durch, gerate ich ins Staunen. Microsoft will zwar ein Office mit Word, Excel, PowerPoint und OneNote für Windows RT spendieren. Aber einen E-Mail-Client wie Outlook suche ich da vergeblich. Einfach einen E-Mail-Client, der auch POP3 kann, von einem Drittanbieter verwenden, ist aber nicht. Doof gelaufen, man ist auf eine Metro-App angewiesen.
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Den Media Player wird man im Geschäftseinsatz verschmerzen können. Aber das BitLocker und Bitlocker To Go, EFS, Gruppenrichtlinien oder die Unterstützung für Domänen fehlen, halte ich für einen schlechten Scherz. Oder konkret: Microsoft hat Windows RT nie für Geschäftsanwender positioniert. Ob das wegen der Tablet PC-Oberfläche ist, kann ich nicht beurteilen – aber Fragen wirft das schon auf. So gesehen, wird man die von Intels CEO Otellini aufgeworfenen Fragen schon mal betrachten dürfen. Wenn Intel es dann noch schafft, stromsparende Prozessoren und Chipsätze zu vernünftigen Preisen anzubieten, ist in meinen Augen das Rennen in diesem Segment völlig offen. Es bleibt also spannend, abzuwarten, wie viel Erfolg Microsoft nun mit Windows RT und ARM-Geräten wirklich hat.
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(c) by Günter Born www.borncity.de
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