EU erweitert Wettbewerbsverfahren gegen Microsoft

Gestern hat Microsoft Windows 8 für den 26. Oktober 2012 angekündigt. Höre ich da Jubel? Mitnichten, noch nicht am Start und schon riecht es nach massivem Ärger. Hier hatte ich berichtet, dass die EU-Kommission prüft, ob Microsoft gegen Auflagen aus dem 2009 eingeleiteten Verfahren wegen Wettbewerbsverstößen verstoßen hat – bezieht sich aber auf Windows 7. Jetzt gibt es neue Nachrichten, die auch Windows 8 betreffen.


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Der Browserkrieg und die EU-Vereinbarung

Im damaligen Wettbewerbsverfahren ging es um den unter Windows vorinstallierten Internet Explorer, der den Mittbewerb ausbremste. Nach Beschwerden des Opera-Managements leitete die EU 2009 ein Wettbewerbsverfahren gegen Microsoft ein. Als Vereinbarung mit der EU erklärte Microsoft sich 2010 bereit, ein Browserauswahlfenster unter Windows XP, Vista und 7 anzubieten. Über dieses Fenster konnten Benutzer leicht alternative Browser unter Windows installieren. Pikant an diesem Agreement: Zuwiderhandlungen konnten gemäß der Vereinbarung mit der EU mit Strafzahlungen bis zu 10 Prozent des Microsoft-Umsatzes geahndet werden.

Das kann teuer werden …

Doof, dass Microsoft das Browserauswahlfenster unter Windows 7 SP1 nicht mehr angeboten hat. Microsoft spricht zwar von einem "technischen Fehler" – aber es gab eine Beschwerde des Mitbewerbs, dass alternative Browser erneut blockiert würden. Und nun prüft die EU-Kommission, ob ein Verstoß gegen die Auflagen von 2010 vorliegt.

Wird ein Verstoß festgestellt, dürfte es sehr teuer für Microsoft werden. Hier und hier kann man lesen, dass da Strafzahlungen von 5,7 Milliarden Euro zusammen kommen können (hängt vom MS-Umsatz ab).

Bittere Pille für die Windows 8-Party?

Ich hatte es im letzten Blog-Beitrag schon angedeutet: Offenbar hat Microsoft bei der Entwicklung von Windows 8 diese Vergangenheit sowie die Einigung mit den EU-Wettbewerbshütern komplett ausgeblendet (daher ist die obige Argumentation mit einem "technischen Fehler" bei Windows 7 SP1 nicht wirklich glaubwürdig).

Unter Windows 8 steht nur der Standardbrowser des Systems als Metro-App zur Verfügung. Richtet man also Google Chrome ein, gibt es nur die Chrome Metro-App. Möchte man den Metro-IE verwenden, muss man den Internet Explorer als Standardbrowser verwenden – dann ist Chrome als Metro-Browser wieder verschwunden. Das schreit geradezu danach, dass die Benutzer nur noch einen Browser (nämlich den Internet Explorer) verwenden. Aber da will die EU-Kommission wohl noch nicht ran.

Die greifen eine lohnendere "Bank" an: Denn noch heikler wird es bei Windows RT. Da hat Microsoft ja ganz klar committed, dass keine Windows-Anwendungen von Drittherstellern installierbar sein werden. Selbst Hersteller, die Windows-Anwendungen mit .NET entwickeln oder für die ARM-Prozessoren kompilieren, haben keine Chance, diese Anwendungen auf Windows RT zu portieren. Da laufen nur Microsoft Zeugs – oder eben Metro-Apps (für Systemprogramme gänzlich unbrauchbar).

Mit diesem, von Microsoft, gewählten Ansatz, schließt man automatisch Browser des Mitbewerbs aus – denn diese müssten eine Windows-Anwendung als Browser bereitstellen, die auch die Metro-Seite abdeckt. Das geht aber wegen der obigen Restriktionen nicht.

Die Nachrichtenagentur Reuters kommt hier mit der Nachricht, dass die EU-Wettbewerbshüter die Untersuchungen explizit auf Windows 8 ausgedehnt haben. Es wird explizit Windows RT und die fehlende Möglichkeit, alternative Browser zu installieren erwähnt. Wenn das greift, könnte das richtig bitter für Microsoft werden. Denn der Erfolg von Windows 8 auf Desktop-PCs ist alles andere als gebucht.


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Strategische Fehlentscheidungen

Microsoft hat mit der Entscheidung, sich auf Touch First zu fokussieren und die Anwender auf die Metro-Startseite zu zwingen, (in meinen Augen) keinen Gefallen getan. Firmen werden bezüglich ihrer Desktop-Systeme bei Windows 7 bleiben. Auch Privatanwender dürften kaum umsteigen.

Bleiben für Windows 8 eigentlich nur die Neuverkäufe im Tablet PC Markt. Und da stellt sich mir die Frage, ob die Anwender sich ein teures Windows 8-Tablet PC zulegen – auch wenn dieses Vorteile haben kann?

Die günstigeren Windows RT-Geräte sehe ich eher als Schuss in den Ofen, da diese total kastriert daherkommen: keine Windows-Anwendungen von Drittherstellern zugelassen, andere Betriebssysteme lassen sich wegen Secure Boot vermutlich nicht installieren, und Peripherietreiber dürften auch rar gesät sein.

Wie Windows RT-Tablets preislich daherkommen, ist auch unklar. Berichten OEMs doch von deftigen Lizenzkosten für Windows RT (siehe mein Artikel). Nicht gut – und hier berichtet ZDnet.com zudem von massiven Problemen, die OEMs beim Zurechtschnitzen von Windows RT für ihre ARM-Tablet PCs haben. Da wird wahrscheinlich wieder eine Anleihe beim Bananenhandel fällig: Produkt kommt unfertig auf den Markt und reift beim Kunden.

Das klingt alles nicht wirklich positiv. Ich denke, viele Benutzer werden dann doch zu einem günstigen Android Tablet PC greifen (die wird es Ende 2012 für um die 100 bis 200 Euro mit vernünftiger Leistung geben). Und wer richtig Geld ausgeben mag, der kauft sich ein iPad statt eines Tablet PCs.

Microsoft wird's schon richten …

Dieser ZDNet.com Artikel bringt das Dilemma ziemlich gut auf den Punkt. Statt wie Apple auf die Kundenbedürfnisse zu reagieren, meint Redmond in Techie-Manier zu wissen, was gut für die Kunden sei. Also wird Microsoft das Ganze auf die harte Tour lernen müssen – wenn das aktuelle Management gefeuert wurde, gibt es vielleicht Raum zur Neuorientierung. Windows 8 SP1 oder Windows 9 könnten es dann richten.

Link:
a: ZDnet-Artikel zur verschwundenen Star-Schaltfläche
b: ZDnet-Artikel, adressiert Probleme beim Dateiversionsverlauf
c: ZDnet-Artikel zum Preis-Dilemma bei Windows RT


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