Facebook Home: Die Revolution muss ausfallen

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Da was doch was, letzte Woche. Ach ja, Facebook Home, der neue Startscreen für Android wurde vorgestellt. Hätte normalerweise kein Schwein interessiert. 'Da aber Facebook, deshalb ein Medien-Hype' – würde Michael Mittermeier jetzt wohl sagen. Und so wurde die Vorstellung von Facebook Home als Event, mit dem Potential für ein neues Betriebssystem, hochgeschrieben. Zeit, für ein paar Analysen und Gedanken.

Irgendwie ist die Facebook Home-Vorstellung an mir vorbei gerauscht. Irgendwann habe ich dann festgestellt, dass Facebook da was vorgestellt haben musste. Kein eigenes Facebook-Handy, sondern ein Homescreen für ein Android-Smartphone, welches auf ausgesuchten Modellen laufen soll. Auch ja, der strauchelnde Smartphone-Hersteller HTC darf ein neues Modell mit dem Namen HTC First vorstellen. Ausweislich dieses Artikels kommt das Teil sogar mit einem Stock-Android, auf dem das abschaltbare Facebook Home werkelt.

So what? Ich gestehe, hätte mich genau so wenig gekratzt, wie die Tatsache, dass letzte Woche ein Sack Reis in China umgefallen ist. Aber dann, ja dann, habe ich die Presseschau gelesen und es kam das Gefühl auf "oh, da hast Du was verpasst" …

Auf Zeit.de spekuliert man Home könnte zu einem Betriebssystem wachsen. Und laut Artikel "könnte Google es bereuen, dass Facebook Android kaperte." Oh ha! Geht möglicherweise auf diesen TheVerge-Artikel zurück, wobei TheVerge aber auch die Probleme benennt. Auch heise.de lässt sich zur Schlagzeile Facebook kapert den Android-Homescreen hinreißen.

Klartext und etwas Nachdenken gefällig?

Gelegentlich ist es ganz gut, sich mal ein paar Minuten Zeit zu nehmen und etwas nachzudenken. Facebook Home ist aktuell nichts anderes als eine App, die sich über Android legt und einen facebookisierten Homescreen bereitstellt. Gut für Facebook, kann man doch auf zusätzliche Werbeeinnahmen hoffen, wie heise.de in diesem Kommentar schreibt. Und ja, Facebook Home läuft nur auf ausgesuchten Android-Modellen. Facebook hat erklärt, kein eigenes Smartphone bauen zu wollen – und für iOS wird man auch nix entwickeln.

War das was? Diese Faktenlage wird dann in den Gazetten zur "Revolution" hochgeschrieben. Gut, man kann einiges an Phantasien entwickeln – und Fieberträume gaukeln einem die merkwürdigsten Sachen. Aber es wäre doch vielleicht mal gut, ein wenig unter den Teppich zu schauen.

iOS-Träumereien

Bezüglich des Zuckerberg-Statements, das man nicht für iOS entwickele, fällt mir nur ein: "Die Trauben sind mir zu sauer, sprach der Fuchs und lief weiter". Bei Apple liegt der Daumen drauf, was an Apps in den Shop kommt. Und ohne Facebook-App im iTunes-Store läuft nix, es sei denn, man geht unter die Jail Breaker.

Kein Wunder, dass Zuckerberg da (vorgeblich) keine Pläne für dieses Universum hegt – sich aber laut "t3n.de-Artikel die Integration in iOS wünscht". Was die Kollegen nicht auf dem Radar haben: Apple hat den Finger nicht nur auf dem Shop, sondern auch auf den Vergütungsmodellen drauf. Denn Werbeeinnahmen könnten ja als "In-App-Käufe" gesehen werden, von denen Apple 30 % kassiert. Ich hatte im Artikel App-Geraffel: Microsoft, Apple und die Stores? auf das Problem zwischen Microsoft und Apple hingewiesen. Eine Ahnung hinsichtlich der Stimmungslage lässt sich auch aus diesem gigaom.com-Artikel herausfiltern.

Das bedeutet aber auch im Gegenzug: Solange Apple halbwegs Erfolg auf der iOS-Schiene hat, bleibt "der Deckel zu". Daher ist für Facebook round-about bei 50 % der Nutzer mit Facebook Home wenig zu reißen. Gut, man kann spekulieren und analysieren, inwieweit Facebook-Nutzer nun pro oder contra Apple-Geräte einjustiert sind, so dass die 50% sich noch nach oben oder unten bewegen. Aber das Problem bleibt: Facebook kann mit der App nur auf ausgesuchte Android-Geräte setzen. Und wie es bei Windows Phone ausschaut, ist offen.


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Feuchter Traum von Android?

Nun bleibt noch die große weite Welt von Android, die man ja abräumen könnte. Google unter ferner liefen und Facebook die neue Goldmine? Die ersten Zweifel kamen, als die Reaktionen viele Android-Nutzer bekannt wurden. Facebook sah sich zu einer Stellungnahme hinsichtlich Kritik am Datenschutz genötigt (siehe, siehe, siehe, siehe).

Zweites Problem: Android ist nicht Android, sondern in zig Versionen und Untervarianten zersplittert. Das dürfte auch der Grund sein, warum zunächst nur ausgewählte Geräte die Facebook Home-App erhalten. Wie viele Nutzer sich diese dann wirklich auf das Smartphone zerren, muss man abwarten. Denn Facebook kann man seit Jahren ja auch ohne Facebook Home nutzen. Angesichts der Hinweise, dass vorwiegend Jüngere sich aus Datenschutzgründen wieder aus Facebook verabschieden, ist das keineswegs ausgemacht, dass sich nun Horden an Nutzern an die Facebook-App binden.

Es müsste also deutlicher Mehrwert geboten werden. Und damit findet sich Facebook in der unkomfortablen "Sandwich"-Position – im Volksmund auch als "die sitzen zwischen allen Stühlen" bezeichnet. Um Kohle zu machen, müsste man wirklich Android kapern. Die Spekulation in den Medien geht dahin, dass Android ja offen sei und Google nix dagegen machen könne. In diesem Artikel weist gigaom.com  richtigerweise darauf hin, dass in den USA zwar 130 Millionen Smartphones vorhanden seien, wovon 76% (98 Millionen) Facebook-Nutzer sind. Aber nur 52% der Nutzer besitzen ein Android-Gerät.

Wäre aber schon eine Bank, wenn auch die 51 Millionen potentiellen Kunden nicht so die wirklich fette Beute sind. Nun muss man aber die Feinheiten sehen: Facebook Home kommt nur auf ausgesuchte Smartphones TC One X, HTC One X+, Samsung Galaxy S III, Note II, HTC One, Samsung Galaxy S4, und HTC First – bleibt also so gut wie nix übrig. Sortiert man dann noch die "gelegentlichen Facebook-Nutzer" aus (diese werden sich kein Facebook Home installieren) und zieht die Datenschutzkritiker unter den Nutzern ab, dann schrumpft die Basis der potentiellen Facebook Home-Werbeempfänger schon gewaltig.

Jetzt könnte man ja in die Zukunft blicken und spekulieren: Facebook baut sein eigenes Android – oder Facebook klaut Google die Werbekunden, indem man den Homescreen kontrolliert. Nun, zur ersten Aussage: Facebooks Kerngeschäft liegt darin, ein soziales Netzwerk zu betreiben. Google hat Jahre an Android-Entwicklungserfahrung, die Kontakte zu den Herstellern von Android-Geräten und steuert die Entwicklung von Android. Wie wahrscheinlich ist es da, dass Facebook wirklich ein eigenes Android, ggf. sogar mit Hardware-Unterstützung, stemmen kann?

Amazon hat mit den Kindles zwar so ein Modell aufgezogen – ist aber in der Nische gefangen. Und immer, wenn Google mit Android eine neue Innovation durchzieht, müssen Amazon und die anderen Hersteller nachziehen. Viele Android-Nutzer meckern ja mit Recht über die "fehlende Android-Update-Politik" der Hersteller. Wer ein Android 2.x-Gerät hat, sieht bezüglich Android 4.x bereits alt aus. Das wird in Zukunft noch heftiger werden.

Also versucht Facebook nur per App den Homescreen zu "kapern", wie es in einigen Artikeln ausgedrückt wird? Könnte man zwar versuchen – aber wer garantiert denn, dass Google dem seelenruhig zuschaut? Sobald Googles Geschäftmodell bedroht wird, dürfte der Konzern zurück schlagen. Ein kleiner Filter im Linux-Kernel –und die Facebook-App oder die Werbeeinblendungen tun es nicht mehr. Zuckerberg wird also sehr aufpassen müssen, was er da tut, um nicht in diverse Fallen zu tappen.

Mir geht da ein einfaches Bild durch den Kopf. Ich bin Anfang der 60 er Jahre aufgewachsen und kenne noch die Zeit, wo nicht jeder Haushalt ein eigenes Auto hatte. Die meisten hatten aber Fahrräder, wobei es immer wieder Fälle gab, wo jemand ohne Fahrrad mit wollte. Also hat der Radfahrer den auf dem Gepäckträger, auf der Lenkstange oder auf der Stange des Herrenrads mitgenommen. Ging aber nur, wenn der Mitgenommene kooperierte. Machte die betreffende Person dagegen Mätzchen, gab es zwei Szenarios: Erste Möglichkeit war, dass das Gespann ziemlich auf die Fresse geflogen ist. Endete damit, dass der Radfahrer alleine weiter geradelt ist und der "Mitfahrer" anschließend zu Fuß unterwegs war. Die andere Variante: Der Mitfahrer wurde ermahnt, sich kooperativ zu verhalten. Nutzte das nichts, gab es zwei, drei Rippenstöße zur Disziplinierung. Hat das auch nicht hingehauen, hat man angehalten und den Mitfahrer einfach vom Rad gekippt. Ende vom Lied: Man ist wieder alleine geradelt und der Andere durfte zu Fuß weiter. (Der Fall, dass der Mitfahrer der Stärke war und das Fahrrad gekapert hat, ist eine andere Geschichte und kam eigentlich nie vor.) Keine Ahnung, warum mich dieses Bild immer an das Verhältnis Google zu Facebook erinnert.


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Eine Antwort zu Facebook Home: Die Revolution muss ausfallen

  1. Günter Born sagt:

    Nachtrag: Passend zum Thema bin ich gerade auf diesen Artikel gestoßen. Nun gut, das Blättle ist nicht Referenz für ernsthafte Betrachtungen. Aber bei der Schlagzeile habe ich unwillkührlich an den obigen Artikel samt Presseschau gedacht. Und da schoss es mir durch den Kopf "Donnerwetter, da das hat schon gewirkt" …

    … ich weiß, ich bin heut mal wieder arg ketzerisch

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