Microsoft bereitet Partner auf das Ende von Windows XP vor

win7 Noch 272 Tage, dann ist Windows XP nach dem Willen von Microsoft Geschichte – denn am 8. April 2014 ist dieses Betriebssystem am "End of Life" angekommen und wird definitiv nicht unterstützt. Zeit, ein paar Infos zusammen zu tragen und mal einige Gedanken zu wälzen.


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Windows XP ist immer noch eine fette Bank

Schaut man sich nun aber die Marktverteilung bei Betriebssystemen an, reibt man sich verwundert die Augen. Windows XP ist scheinbar nicht tot zu kriegen und hat immer noch über 37% Marktanteil (siehe auch).

Daher hat Microsoft seine Partner nochmals an das denkwürdige Datum 8. April 2014 und das Supportende von Windows XP erinnert. Wenn man den Anteil der XP-Nutzer bis zu diesem Termin auf Null drücken wollte, müssten Microsoft, seine Partner und Kunden jeden Tag bis zum 8. April nächsten Jahres 586.000 Systeme von Windows XP zu Windows 7 oder Windows 8.x migrieren. Zumindest rechnet das Mary Foley bei ZDNet.com in diesem Artikel vor. Micrsoft will im Geschäftsjahr 2014 (endet Juni 2014) insgesamt 40 Millionen US $ investieren, um die Migration von Windows XP zu modernen Betriebssystemplattformen zu unterstützen.

Ich denke, Microsoft hat gepatzt

Unter dem Strich muss ich allerdings sagen, dass Microsoft in meinen Augen bei diesem Thema gepatzt hat. Nein, ich rede jetzt nicht davon, dass man Windows XP noch ein paar Jährchen weiter pflegen solle. Der Casus Knacksus liegt viel tiefer: Microsoft hat mit Windows XP eine Altlast produziert, und moderne Betriebssysteme wie Windows 7 oder Windows 8 brechen mit einigen Mechanismen aus Windows XP.

Dies führt aber dazu, dass Anwendungen, die noch unter Windows XP liefen, unter Windows 7 oder 8 nicht mehr verwendbar sind. Millionen Scanner wurden quasi zum Elektroschrott deklariert, weil Microsoft bei Windows Server 2003 den WIA-Dienst in einer neuen Version herausbrachte und diesen aus Sicherheitsgründen in einem neuen Kontext (Local Service) laufen lässt. Daher funktionieren alle für Windows XP geschriebenen WIA-Treiber seit Windows Vista nicht mehr. Sind nur Kinkerlitzchen, aber nur die Spitze des Eisbergs.

Ich bin überzeugt, dass in Firmen noch eine Menge Anwendungen werkeln, die sich nicht nach Windows 7 migrieren lassen. In Windows 7 Professional, Ultimate und Enterprise gab es noch den Windows XP-Mode, der sich vielfach als Rettungsanker für solche Altlasten erwies. Aber der Windows XP-Mode (der ja nichts als ein Windows XP SP3 ist), läuft vom Support auch am 8. April 2014 aus.

Und was ärgert mich? Kann ich genau sagen: Ich werde das Gefühl nicht los, dass Microsoft seine Kunden aus dem Fokus verliert und mehr an die eigenen Umsätze als auf eine verlässliche Partnerschaft setzt. Warum? Hier im Blog habe ich mehrfach über die XAX-Technologie und das Projekt DrawBridge berichtet. Eine Technologie zur Virtualisierung, die in den Microsoft Labors seit langem getestet wird.

Quelle: Microsoft

Das Bestechende an diesem Ansatz: Anwendungen werden in einer Sandbox ausgeführt und laufen als sogenannte Pico-Prozesse mit einer Betriebssystembibliothek (library OS). Die Betriebssystembibliothek stellt lediglich die API-Aufrufe (MinWin) bereit, die eine Anwendung zur Ausführung benötigt. Dadurch kann die Sandbox mit der virtualisierten Anwendung extrem schlank gehalten werden.

Diese Sandbox mit den Picoprozessen setzt dann auf dem eigentlichen Betriebssystem auf. Es muss eigentlich nur die Anwendung und die Betriebssystembibliothek, nicht aber das gesamte Betriebssystem virtualisiert werden. Nach den öffentlich zugänglichen Forschungsberichten konnte man in den Labors zeigen, dass die meisten Anwendungen mit wenig Aufwand zum Laufen gebracht werden können.


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Kompatibilitäts-Shell für Alt-Windows-Versionen denkbar

Spinnt man dies etwas weiter, wäre es ja durchaus denkbar, dass man eine Art "Kompatibilitäts-Shell" in Form eines Pico-Prozesses in Windows 7 oder 8.x implementieren könnte. In der Kompatibilitäts-Shell kann der Anwender lediglich eine Anwendung installieren und vorgeben, in welcher Kompatiblitätsstufe (Windows XP, Windows Vista, Windows 7) diese Anwendung laufen soll. Um auch ältere Scanner funktional zu halten, könnte man ggf. noch die WIA-Schnittstelle mit in die Betriebssystembibliothek packen. Das alles in einer Sandbox läuft, ergeben sich in meinen Augen auch keine Sicherheitsprobleme.

Microsoft könnte Windows XP problemlos sterben lassen – und Kunden hätten die Möglichkeit, ältere Anwendungen relativ problemlos auf neue Betriebssystemversionen zu migrieren. Nur einige exotischere, hardwarenahe Anwendungen könnte sich dann als Migrationsresistent erweisen. Aber zumindest der gute Wille wäre erkennbar.

x86-Emulator für ARM-Maschinen = gib Windows RT richtig Zunder!

Wenn wir aber schon mal auf dieser Ebene sind, hätten sich ja noch gänzlich andere Möglichkeiten aufgetan. Das verkrüppelte Windows RT, welches momentan so irgendwie als Zombie rumdümpelt, hätte massiv aufgewertet werden können. Denn die Pico-Prozesse könnten ja auch einen X86-Emulator erhalten, der den Code von Windows-Anwendungen ausführt und dann an die mit ARM-Maschinencode implementierte Betriebssystembibliothek weiterreicht. Dann noch die Ausführung der CLR aus dem .NET Framework in Windows RT zugelassen (bzw. die notwendigen Schnittstellen implementiert). Schon hätte diese Plattform mit Leben erfüllt werden können. Vor ein paar Wochen habe ich mit einem Quemu-Emulator (Limbo) unter Android auf einem 1 GHz ARM-Tablet herumgespielt. Es war kein Problem, im Emulator ein React OS (Windows XP-Nachbau) zu booten und dann zu verwenden. Und dort lief das gesamte Betriebssystem auf einer 1 GHz ARM-Dual Core-CPU.

Leider wollte oder konnte Microsoft diesen Weg nicht einschlagen und lässt die Anwender im Regen stehen. Nun bleibt nichts anderes übrig, als Windows XP mit den Altanwendungen weiter zu fahren oder zu migrieren – und dann könnte man ja schon mal die Frage stellen, ob man da nicht gleich zu Linux migriert. Wäre ja spannend, wie sich WINE bei der einen oder anderen Altanwendung verhält. Und wer weiß, vielleicht erlebt das ReactOS-Projekt ja mit dem Auslaufen von Windows XP nochmals einen ungeahnten Entwicklungsschub. Ihr seht also, nix ist Gott-gewollt oder unabwendbar – es gibt immer Alternativen – und es bleibt spannend bis zum Ende.

Mal schauen, irgendwie spukt mir noch die Idee zu einem extrem abgespeckten Windows XP im Hinterkopf herum, welches als Kompatibilitäts-Shell in modernen Windows-Systemen agieren kann. Alles, was nicht gebraucht wird, aus dem Betriebssystem entkernen – dann sind die größten Sicherheitsrisiken bereits weg – und im Kern könnte man dann lokale Funktionen mit Anwendungen laufen lassen. Wenn ich mal viel Langeweile habe, experimentiere ich vielleicht in dieser Richtung (den Quellcode von DrawBridge oder eine Entwicklerversion hat Microsoft ja nie freigegeben).

Diese Altlast werdet ihr nicht mehr los

Da bin ich mal gespannt, wie das ausgeht. Ich schätze, dass eine Menge Privatleute weiter mit Windows XP arbeiten. Und geschäftlich genutzte Systeme ohne Internetanschluss können in meinen Augen durchaus weiter mit Windows XP laufen. Oder wie seht ihr das? Laufen bei euch noch Windows XP-Systeme?

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