Dass große IT-Unternehmen wie Microsoft Benutzerdaten und Surfspuren sammeln, um mehr über den Benutzer herauszufinden, ist bekannt. Dass manches Geschäftsmodell über gezielte Werbeeinblendungen gesponsort wird, ist auch klar. Aber die Vermischung des Ganzen, um politisch gezielte Werbebotschaften zu platzieren? Scheint jetzt von Microsoft (vorerst für die USA) angedacht zu sein. Hier einige erstaunliche Einblicke.
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Stell dir vor, Du zockst gerade ein Game unter Xbox Live, bist mit Skype am telefonieren, oder hast eine MSN-Seite im Browser geöffnet – und statt einer normalen Werbeeinblendung siehst Du eine Botschaft der Art "Clevere Skype-Nutzer würden CDU wählen" oder "Xbox-Spieler denken grün". In Deutschland (momentan) sicher undenkbar – wir leben da nicht nur in #neuland, wo sich die Politik mit diesem Internetz schwer tut, sondern auch in einer Republik, wo glücklicherweise noch nicht alle amerikanischen (Werbe- und) Wahlkampfmethoden Einzug gehalten haben.
In den USA sieht das anders aus – bei Vorwahlen geht's da mit persönlichen Anrufen von Wahlkampfhelfern, politischen Anzeigekampagnen in allen verfügbaren Medien etc. so richtig zur Sache. Wie die Washington Post hier berichtet, versucht Microsoft mit der Politik da ins Geschäft zu kommen und sich einen Teil des Kuchens für Anzeigen im Wahlkampf zu sichern. Letzten Donnerstag fand die CPAC, die Jahreskonferenz der Konservativen, statt. Und Offizielle von Microsoft haben dort Promo-Material ausgegeben, welches wohl genau in diese Richtung hindeutet.
Worum geht es? An Hand der Microsoft User IDs und anderen öffentlichen Daten lässt sich gezielt ein Xbox-Benutzerprofil aufbauen. Die im Xbox Live Dashboard und in anderen Microsoft Produkten einzublendenden Werbeanzeigen können dann, basierend auf diesem Xbox Live Benutzerprofil, im Rahmen politischer Kampagnen gezielt für Anzeigen genutzt werden. Microsoft gibt wohl im Promo-Material an, dass sich Kampagnen auf demographische Kategorien oder spezifische Wahlkreise (congressional districts) abstimmen lassen. Wenn die Partei, die diese Kampagne durchführt, dann noch über E-Mail-Adressen von Personen verfügt, wird es besonders brisant. An Hand dieser E-Mail-Adressen kann Microsoft dann die zugehörigen Xbox Live-IDs bestimmen, so dass die Kampagne noch gezielter auf die Zielpersonen abstimmbar ist.
Microsoft gibt an, dass man über 25 Millionen Xbox Live Benutzer in den USA verfüge, wovon 38 Prozent weiblich seien. Vierzig Prozent der Xbox Live-Benutzer sind verheiratet und mehr als 50 Prozent der Nutzer haben Kinder. Das sind Schlüsseldaten für jegliche demografische Auswertung. Microsoft versucht nun (laut Washington Post recht agressiv)mit diesen Daten Kasse zu machen. Microsoft verspricht Werbekunden, dass man an Hand dieser Benutzerprofile die Möglichkeit habe, gezielt weibliche Personen, Latinos und um das Jahr 2000 herum geborene Personen über diverser MS-Plattformen wie MSN, Xbox Live etc. anzusprechen.
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Intern habe Microsoft (laut dem Bericht der Washington Post) damit begonnen, bestimmte Konsumenten gezielt in Kategorien wie "Ciudad Strivers" (spanischstämmige Personen der Mittelschicht, die in gated communities leben) und und "Nuevo Horizons" (Personen, die in den USA entlang der mexikanischen Grenze leben und über niedrige Einkommen verfügen und wenig kaufen können) einzusortieren. Solche Gruppen lassen sich über Charakteristiken wie Alter, Art des Wohnorts, Einkommen etc. klassifizieren (ähnliches machen natürlich auch die deutsch Schufa mit dem Score-Wert – und Händler, die die Kunden nach Zahlungsausfallrisiken klassifizieren). Die Washington Post schreibt, dass diese Technologien/Fähigkeiten Microsoft helfen könnten, ein großer Spieler im Bereich der gezielten Werbeanzeigen zu werden (also quasi Google II).
Es gibt zwar den Begriff des "gläsernen Surfers" – aber hier wird eine weitere Stufe beschritten. Das es auch den "gläsernen Benutzer" gibt, sollte ja spätestens seit den Enthüllungen Edward Snowdens jedem klar sein. Der oben skizzierte Ansatz gesteuerter politischer Werbeanzeigen wird zwar aktuell in Deutschland noch keine Chance haben, zeigt mir aber, "sobald Daten angefallen sind", denkt da jemand, wie er die bestmöglich auswerten und vermarkten kann. Und glaubt jetzt nicht, dass es nur die Xbox-Gamer tangiert – denn Xbox Live wird auch in Windows 8/8.1 für die Benutzeranmeldung bei Spielen genutzt. Jedem Microsoft Konto wird ein Xbox Live-Konto zugeordnet. Skype gibt es unter Windows, Windows Phone, Android und iOS. Und wer sagt mir denn, dass die Microsoft Kontendaten samt den gesammelten Profildaten ebenfalls entsprechend ausgewertet werden.
Ich habe zwar nichts gegen Microsoft und nutze einige von deren Produkten. Aber das, was da sichtbar wird, ist nicht wirklich schön. Der Trend alles und jedes in Microsoft-Konten sowie die Cloud zu zwängen, wird immer mehr zum "No Go" für mich. Und es nützt nichts, jetzt auf Microsoft zu zeigen, solange man auf Apple oder Google oder andere US-Unternehmen bzw. deren Produkte setzt. Oder wie seht ihr das?
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