US Supreme Court könnte gegen Microsoft entscheiden

Vor dem obersten US-Gericht steht ja eine Entscheidung an, ob Microsoft Benutzerdaten aus dem Ausland im Rahmen des 1986 Stored Communications Act an Strafverfolger oder Behörden herausgeben muss. Nun deutet sich an, dass Richter sich eher nicht der Position Microsofts sondern eher dem Standpunkt der Regierung anschließen. Zudem könnte es darauf hinauslaufen, dass der Kongress mit einem Gesetz tätig werden muss. Ergänzung: Die EU-Behörden könnten die Position von Microsoft unterlaufen.


Anzeige

Worum geht es?

Vor Jahren wollten US-Drogenermittler Zugriff auf das E-Mail-Konto eines Verdächtigen, welches von Microsoft in Irland gehalten wurde. Microsoft verweigerte den Zugriff, da ein solcher Zugriff immer nach den Bestimmungen des jeweiligen Landes erfolgen muss. Diverse Abkommen mit der EU regeln das. Da Microsoft ein US-Unternehmen ist, klage das US-Justizministerium dagegen und wollte den Zugriff erzwingen. Der Fall ging über mehrere Instanzen und liegt jetzt vor dem obersten US-Gericht, dem US Supreme Court. Kollege Martin Geuß hat vor einigen Tagen den Artikel Microsoft vs. USA: Beim Showdown vor dem Supreme Court steht Grundsätzliches auf dem Spiel veröffentlicht, der das Ganze etwas beleuchtet. Die Entscheidung bezieht sich nicht auf den Einzelfall sondern hat grundsätzliche Bedeutung.

Richter neigen der Regierungsposition zu

Das US-Magazin Bloomberg berichtet in ITPro Today, dass mehrere Richter des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten am Dienstag ihre Unterstützung für die Regierung in ihrem Kampf mit Microsoft Corp. zum Ausdruck gebracht haben. Tenor: Der 1986 Stored Communications Act, ein jahrzehntealtes Gesetz, soll es den Ermittlern der Regierung erlauben, digitale Informationen, die auf überseeischen Servern gespeichert sind, zu erhalten.

Die Trump-Administration fordert über das Justizministerium eine Revision des Urteil des unteren Gerichtshofs, das Bundesbeamte der Strafverfolgungsbehörden daran hinderte, den 1986 Stored Communications Act anzuwenden. Es ging um die oben erwähnten E-Mails eines mutmaßlichen Drogenhändlers, die auf einem Microsoft-Server in Irland aufbewahrt wurden.

Während einer einstündigen Anhörung kämpften die Richter um die Frage, wie ein Gesetz, das älter als das World Wide Web ist, die Strafverfolgung im Zeitalter des Cloud Computing beeinflusst.

Oberrichter John Roberts merkte hinsichtlich des Microsoft Argument, das Mails (und Daten) auf ausländischen Servern gespeichert, außerhalb der Reichweite der Regierung seinen, nicht haltbar sei. Wenn jemand eine E-Mail, die vom Gebäude des Obersten Gerichtshofs an jemanden geschickt wurde, der nur einen Block entfernt wohnt, und Microsoft sich dafür entschieden hätte, dass der betreffende E-Mail-Server außerhalb der USA stände, hätten die Strafverfolger bzw. die Regierung keinen Zugriff auf diese Daten. Für die US-Juristen eine nicht hinnehmbare Einschränkung, die der 'Willkür' Tür und Tor öffnen würde. Ergo neigt man der These: Keine Ausnahme vom 1986 Stored Communications Act, auch für ausländische Server, zu.

Samuel Alito äußerte Besorgnis darüber, dass die Strafverfolgung ohne die Möglichkeit, Offshore-E-Mails von Unternehmen in den USA zu verlangen, behindert würde. Es wurde von den Richtern gefragt, was passiert, wenn ein US-Bürger wegen Verbrechen in diesem Land überwacht wird. Wenn die Regierung nachgewiesen habe, dass sie ein "dringendes Bedürfnis" zur Suche nach "Beweisen dieses Verbrechens" in E-Mails habe, die im Besitz eines amerikanischen Internet Service Providers sind; was passiere, wenn die E-Mails im Ausland gespeichert seien.

Microsofts Anwalt Joshua Rosenkranz sagte, dass US-Staatsanwälte um Amtshilfe von der Regierung des betreffenden Landes bitten können. "Wenn es für die Regierung dringend ist, reagieren die anderen Regierungen dringend", so der Anwalt.

Die Regierung sagt, dass es ein langsamer und schwieriger Prozess sein kann, Hilfe von anderen Ländern zu erbitten, um Beweise gegen Beschuldigte zu sammeln. Weniger als die Hälfte der Länder der Welt haben Verträge mit den USA, um solche Amtshilfe zu leisten.


Anzeige

Hinsichtlich dieses Sachverhalts argumentiert Oberrichter John Roberts gegenüber Microsofts Anwalt Joshua Rosenkranz deutlich: Nichts würde Microsoft "davon abhalten, die Kommunikation von US-Bürger außerhalb der Vereinigten Staaten zu speichern". Dann könnte Microsoft seinen Kunden sagen: "Mach dir keine Sorgen, wenn die Regierung Zugang zu deinen Kommunikationen haben will, dürfen sie das nicht ohne Hilfe von einer ausländischen Regierung zu bekommen".

Microsoft, das von Unternehmen wie Google, Apple Inc. und Amazon.com Inc. unterstützt wird, speichert E-Mail-Inhalte in mehr als 100 Rechenzentren in mehr als 40 Ländern. Das Unternehmen sagt in der Anhörung zwar, dass viele Webdienste im Interesse der Geschwindigkeit ihre Daten möglichst nahe am Nutzer speichern. Die Argumente des Oberrichters deuten wohl darauf hin, dass die Argumente, die Microsoft vor dem US Supreme Court vorgebracht hat, von den Richtern eher nicht akzeptiert werden.

Der Gesetzgeber soll es richten

Einige von den Demokraten ernannte Richter äußerten ihre Frustration im Hinblick auf die Anwendung des jahrzehntealten Gesetzes auf die Ära des Cloud Computing. Sie schlugen vor, auf den Kongress zu warten, um auf einen ausstehenden Vorschlag der dort vorhandenen Parteien zur Aktualisierung des Gesetzes zu reagieren.

Sonia Sotomayor argumentierte gegenüber Generalstaatsanwalt Michael Dreeben, dass die Auslegung des Gesetzes durch die Regierung zu Konflikten mit den Datenschutzgesetzen anderer Länder führen würde. "Warum sollten wir den Status quo nicht so belassen, wie er ist, und den Kongress eine Gesetzesvorlage verabschieden lassen, die die potenziellen Probleme anspricht?"

Microsoft-Anwalt Rosenkranz, sagte den Richtern, dass ein Urteil gegen Microsoft das Ansehen der USA als Weltmarktführer im Multimilliarden-Dollar-Cloud-Computing-Geschäft schädigen könnte. Ein Urteil würde 'die Cloud' kaputt machen. Es könnte also darauf hinaus laufen, dass der US Supreme Court bei seiner Entscheidung den Kongress im Hinblick auf eine entsprechende Gesetzesvorlage in die Pflicht nimmt.

Ergänzung: EU-Behörde will Datenschutz aufweichen

Martin Geuß berichtet heute, unter Berufung auf einen ZDNet-Artikel, ebenfalls über die Anhörung. Dort verweist er auf diesen ZDNet-Artikel (Deutsch), der über neue EU-Pläne berichtet. Die Europäische Union ist dabei, eine rechtliche Grundlage für Zugriffe auf Clouddaten zu schaffen, die außerhalb der EU gespeichert sind. Zitat:

Bisher wollte die EU vor allem Strafermittlern den Zugang zu in anderen EU-Staaten gespeicherten Daten erleichtern – nun soll ein Zugriff unabhängig vom Speicherort im Gespräch sein.

Das hat zur Folge, dass Cloudanbieter Auskunftsersuchen von Ermittlern oder Geheimdiensten beantworten müssen, wenn die Daten gar nicht im EU-Rechtsraum vorgehalten werden. Die EU führt dies für eigene Ermittlungen ein – aber natürlich können die Amerikaner das auch genau umgedreht handhaben. Damit wäre das Thema Cloud eigentlich gegessen, denn es gibt keinen Datenschutz mehr. Auskunftsersuchen von Ermittlern oder Geheimdiensten müssten dann beantwortet werden.

Ergänzung 2: Keine Regierung hat sich beschwert

Auch heise.de hat einen Beitrag Microsoft hat schlechte Karten vor Gericht zum Thema veröffentlicht. Dort hebt man den Standpunkt 'Bisher hat sich noch kein ausländischer Staat darüber beschwert, dass die US-Behörden auf Daten im Ausland zugreifen können' hervor. Zitat des vorsitzenden Richters John Roberts: "Es ist nicht die Schuld der [US-]Regierung, dass [die Daten] im Ausland sind. Und vermutlich kümmert das die [US-]Regierung auch nicht. […] Und wenn es einen konkreten Einwand jener Regierung gibt, [in deren Land] sich die Daten befinden, steht es ihr frei, [den Einwand] zu erheben, und dann wird sich die [US-]Regierung damit zu befassen haben, aber soweit ich sehe ist das hier nicht der Fall." Sieht nicht gut für die Cloud-Industrie in den USA aus – und nun dürfen die Jubel-Perser weiter auf diverse Produkte aus Redmond, Cupertino & Co. setzen.


Cookies blockieren entzieht uns die Finanzierung: Cookie-Einstellungen

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort zu US Supreme Court könnte gegen Microsoft entscheiden

  1. Herr IngoW sagt:

    Das hört sich alles nicht gut an. Für Betriebe wird das ganze so oder so kritisch. Wie das für Privatpersonen aussieht wird man sehen.
    Der gläserne Bürger rückt auf jeden Fall näher :-( .

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Hinweis: Bitte beachtet die Regeln zum Kommentieren im Blog (Erstkommentare und Verlinktes landet in der Moderation, gebe ich alle paar Stunden frei, SEO-Posts/SPAM lösche ich rigoros). Kommentare abseits des Themas bitte unter Diskussion.