Dateimanager aus Windows NT als Open Source

Microsoft hat den Dateimanager aus Windows NT als Open Source auf GitHub freigegeben. Hier ein paar Informationen rund um das Thema samt Einordnung, wo das Programm Sinn macht.


Anzeige

Die Meldung geisterte bereits am Wochenende durch das Web. Normalerweise hätte ich die Meldung unter den Tisch fallen lassen (nicht jeder in China umgefallene Sack Reis muss hier thematisiert werden). Aber es gibt im Web teilweise schlicht falsche Informationen, wie die Aussage im heise.de-Artikel:

Eine ausführbare Datei findet sich auf GitHub nicht. Wer in Erinnerungen schwelgen oder das Programm einfach mal live erleben will, muss den Quelltext selbst übersetzen. Für die 32-Bit-Version haben wir das bereits getan und bieten den Datei-Manager hier als Binary zum Download an. [Ergänzung: Heise hat den Text, kurz nachdem der Beitrag hier online ging, korrigiert.]

Hier läuft der Dateimanager, aus dem GitHub-Paket, ohne dass ich diesen übersetzen musste. Und was mir auch fehlt: Eine Einordnung, wo das Ganze eventuell sinnvoll ist (außer aus nostalgischen Gründen das Teil auszuprobieren).

Historische Einordnung

Zuerst ein kurzer Blick auf die Fakten. Der Dateimanager wurde ursprünglich Anfang der 1990er Jahre in Windows 1.0 eingeführt (siehe diesen Wikipedia-Artikel). Hier steht noch ein Buch im Schrank, was ich zu Windows 3.0/3.1 geschrieben habe, welches den Dateimanager mit erwähnt (ich habe das Teil aber noch aus Windows 1.0 oder 2.0 in Erinnerung).

Man hat den Filemanager verwendet, aber als der Explorer mit Windows 95 kam (siehe), habe ich dem Filemanager nicht wirklich nachgetrauert. Windows NT 3.1 und 3.51 habe ich nie aktiv benutzt, dort war der alte Filemanager aus Windows 3.x enthalten. Im GitHub-Artikel führt die Information, dass es der Dateimanager aus Windows NT 4 sei, so manchen Redakteur auf's Glatteis. Die Information als solche ist zwar korrekt, da das Tools noch als Altbestand im Betriebssystem mit herumdümpelte. Aber m.W. wurde in Windows NT 4.0 (ähnlich wie in Windows 95, die Wikipedia stützt meine Erinnerung), der Filemanager durch den Explorer ersetzt. Der alte Filemanager aus Windows NT 3.x wurde also unter Windows NT 4.0 nur von Nostalgikern verwendet.

Unter dem Motto: 'Gib dem Affen Zucker' erinnere ich mich aber noch, dass ich in 'Tuning'-Büchern zu Windows 95 und Windows NT den obskuren Tipp gab, wie man den alten, guten Dateimanager, neben dem Explorer verwenden konnte. Manche Leser haben solche Tipps geliebt Zwinkerndes Smiley. Zu meiner Entlastung muss ich gestehen 'wir wussten es damals, in der guten alten Zeit, als Windows noch nicht zwei Mal monatlich kaputt gepatcht wurde, einfach nicht besser'. Von daher bin ich gerade in den Keller und habe mir einen alten Kartoffelsack über den Kopf gestreift, bin zum Grill und habe mir Asche auf mein Haupt gestreut – und wandele jetzt, bis zur nächsten Dusche, in Sack und Asche.

Quellcode und Anpassungen

Auf dieser GitHub-Seite lässt sich nicht nur der Quellcode abrufen, sondern es finden sich auch einige Hinweise, was geändert wurde, damit der Dateimanager mit Visual Studio 2015/2017 übersetzt werden kann und auch unter Windows 10 läuft. Die Kollegen von deskmodder.de haben neben dem obigen Link auf das Quellcode-Archiv der GitHub-Seite diese GitHub-Release-Seite verlinkt. Und dort lässt sich über Winfile_v10.0.zip direkt eine lauffähige .exe-Datei herunterladen. Offenbar haben die Kollegen bei heise.de diesen Link nicht gekannt – oder wollten zeigen, dass die compilieren können.

Nostalgie: Wie sieht das aus?

Neben den obigen Informationen ist die spannendere Frage, wie der Dateimanager ausschaut. Das Coole an der in Winfile_v10.0.zip freigegebenen Version: Die Datei winfile.exe ist portabel und kann direkt unter Windows gestartet werden (erfordert aber die VS 2015 C++ Runtime). Hier ein Screenshot unter Windows 7.

Der Screenshot zeigt den Inhalt des Ordners mit winfile.exe, neben einer Readme-Textdatei liefert Microsoft nur die Programmdatei sowie den Debug-Symbolfile mit. Die Hilfedateien fehlen – braucht man aber imho auch nicht.


Anzeige

Und macht das Sinn?

Bevor jetzt jemand tränenüberströmt im Ohrensessel sitzt, die Enkel auf den Knien schaukelt und flüstert: 'Jungs, so haben wir früher Dateien gerockt', die Frage 'Macht das Teil – außer aus nostalgischer Sicht – irgend einen Sinn?` Niemand wird den alten Dateimanager dem Explorer vorziehen.

Aber es gibt ein Szenario, wo der alte Dateimanager sehr hilfreich sein kann: Immer, wenn ich einen Dateimanager brauche, der mit administrativen Rechten läuft, komme ich beim Windows Explorer nicht weiter. Ich hatte mich der Frage 2011 erstmals im Artikel Explorer als Administrator ausführen gewidmet. Außer mit schmutzigen Tricks und Eingriffen in Windows gibt es keine Möglichkeit, den Explorer mit administrativen Berechtigungen auszuführen. Diese Baustelle habe ich dann geschlossen.

Die Lösung, die ich verwende und auch im Blog mehrfach vorgeschlagen/skizziert habe: Einen portablen Dateimanager wie den Explorer++ einzusetzen. Das Thema ist detaillierter in meinem Blogbeitrag Dateimanager mit administrativen Rechten ausführen aus 2014 beleuchtet worden. Zu diesem Beitrag gab es dann Kommentare, dass manche Tools 'einen schönen Tod gestorben sind' und nicht mehr weiter entwickelt werden. Was dann dazu führt, dass Kopien möglicherweise mit Adware verseucht zum Download angeboten werden.

Und an dieser Stelle kommt jetzt Microsoft mit seinem alten Dateimanager ins Spiel. Das Teil ist portabel, läuft bis unter Windows 10, liegt im Quellcode vor und ist mit Sicherheit Adware-frei. Also nix wie herunterladen, das ZIP-Archiv entpacken und die winfile.exe in einen Tool-Ordner speichern. Dann lässt sich diese über den Kontextmenübefehl Als Administrator ausführen starten und läuft mit administrativen Rechten.

BTW: Ich habe es nicht ausprobiert – ist hier aber verifiziert – der Filemanager winfile.exe läuft unter WINE 3.0.

Das Allerletzte

So, nun kennt ihr die ganze Wahrheit und müsst nicht mehr dumm sterben, sondern könnt euren Enkeln und Urenkeln möglicherweise noch eine wichtige Lebensweisheit mit auf den Weg geben 'Kinderchen hört: Wenn ihr einen Adware-freien Dateimanager braucht, der mit administrativen Berechtigungen läuft, greift zum Open Source Dateimanager von Microsoft.' Gut, könnte sein, dass die Kids euch dann einen Vogel zeigen und fragen: Kann WhatsApp das auch. Aber egal: Die besten Geschichten schreibt immer noch das Leben Zwinkerndes Smiley.


Cookies blockieren entzieht uns die Finanzierung: Cookie-Einstellungen

Dieser Beitrag wurde unter Windows abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

10 Antworten zu Dateimanager aus Windows NT als Open Source

  1. Eike Justus sagt:

    Gibt's da irgendwo auch eine deutsche Sprachdatei dazu?

  2. hüb sagt:

    als Dateimanager unter Win eh nur Totalcommander oder freecommander, schon immer.
    2 Dateifenster, alle Operationen im Umfeld von Dateiverwaltung, etc. Wofürs win-explorerchen, wenn, tools benötigte. Und dann immer noch unpraktischer ist.

    • Muvimaker sagt:

      Der Dateimanager hat das alles, man muss nur vorher zwei Mausklicks ausführen, lediglich der Kopier-/Verschiebe-Vorgang ist auf einen reduziert und es gibt keine Spezialfunktionen wie FTP, Plug-Ins, etc. Doch dafür war er auch nie konzipiert. Man muss das aus Fairness schon erwähnen. Außerdem darf nicht vergessen werden wann der Dateimanager eingestellt und wie der Total Commander weiterentwickelt wurde!

  3. Michel Py sagt:

    Der Dateimanager hat damals noch Sinn gemacht wenn ein von den Disk Geräte defekt war (CD oder Festplatte), weil der damalige blöde neue Explorer immer alle Disk Geräte geklopft hat um seine Linke Fenster darzustellen. Damals musste man manchmal Minuten warten bis ein Timeout kam. Der Datei Manager war immer mit nur ein Disk beschäftigt.
    Daneben war der Dateimamanger auch fähig zwei Disks in getrennte MDI Fenster darzustellen, glaube ich mich zu errinern.
    Als der Dateimanager verschwunden ist, war TotalCommander die Rettung.

  4. Michael Bausch sagt:

    Der jetzt veröffentlichte Dateimanager ist eine abgespeckte Version des Dateimanagers aus NT4.0 (der quasi identisch ist mit dem aus NT3.51). Diese waren beide echte 32Bit Programme, komplett mit Rechteverwaltung (ACLs). Da wurden auch schon immer "lange Dateinamen" angezeigt. Kurze Dateinamen konnte man optional dazu anzeigen lassen.
    Die Versionen aus Windows 3.1, 3.11, Windows for Workgroups 3.11, Windows 95 (glaub auch 98, 98SE und Me) sind 16Bit-Versionen ohne "lange Dateinamen".
    Ladbare Sprachdateien gab's damals nicht. Mann kann aber die Resourcen mehrsprachig übersetzen (oder auch patchen), dann ist das Programm implizit mehrsprachig. Das kann man sogar selbst mit einem Resource-Editor nachträglich machen.
    Optimal ist, dass man ihn nicht installieren muss und ihn trotzdem als richtiger Administrator mit vollen Rechten laufen lassen kann. Wenn man eine gepatchte Originalversion verwendet, hat man sogar die eingebaute Rechteverwaltung. Und viele Dateien anzeigen, kopieren oder löschen geht um ein Vielfaches schneller als mit dem Explorer.
    Und er ist faszinierend klein, besonders, wenn er nicht mit einem aktuellen Compiler übersetzt wird ;-)

  5. Bing Crosbieh sagt:

    Potthässlich !
    Für Nostalgiker die von den "guten alten" Zeiten träumen. Liegt ja allgemein "im Trend".

    Muppet First Appearances – Statler and Waldorf
    https://www.youtube.com/watch?v=DlejtD3pzWU

    • Micha sagt:

      Weshalb "Potthässlich !"

      Wenn man ein Klassisches Design in Windows 7 aktiviert hat (also richtiges Betongrau ohne Gelbstich zuweist) und sowieso schon Desktop Icons aus der Windows 98 Cool.dll extrahiert hat um sie in einem 64 bit OS zu nutzen passt das Programm perfekt in das Design.

      Meine Titelleiste sieht einheitlich Windows 95 dunkelblau aus.

      Die fehlenden Einstellungsmöglichkeiten für das Design sind auch ein Grund weshalb ich noch kein Windows 10 Nutze.

      • Muvimaker sagt:

        @Micha: Endlich jemand der das ausspricht was Sache ist. Seit Windows 7 hat sich das Startmenü nicht nur zwischenzeitlich verabschiedet, sondern es ist immer unübersichtlicher und vor allem unkomfortabler geworden. Daher musste man selbst Hand anlegen und sich entweder entsprechende Verknüpfungen für den Desktop basteln oder diese in der Taskleiste anlegen lassen. Die beste (leider mit der Entwicklung von Windows 10 und dessen diversen Verschlimmbesserungen eingestellte) Methode war natürlich "Classic Start Menu". Da wurde auf Start – Programme – geklickt, und das Programm war da, ganz einfach, um ausgeführt zu werden. Die Anpassung war kinderleicht, es gab (optional) unter Windows 10 keine dämlichen Kacheln und man sah den Wald trotz der vielen Bäume. Die vielfältigen Möglichkeiten sich Titelleisten, Schriftarten und -größen individuell einzurichten, wurde mit Windows 10 radikal beschnitten, entweder skalieren oder Pech gehabt. Aber alles muss animiert sein, jeder Tastendruck akustisch bestätigt – Hollywoodfilme lassen grüßen.
        Alleine diese Umstände sind auch für mich – wie Micha bereits beschrieb – ein Grund, keinesfalls auf Windows 10 umzusteigen. Von den diversen Datenspeicherungsversuchen (und der Unmöglichkeit diese völlig abzustellen) einmal abgesehen. Gut, Windows 10 hat vielleicht ein verbessertes Sicherheitsmodell, doch was nützt mir das, wenn ich zu dumm bin eine Phishing-Mail zu erkennen und brav meine Zugangsdaten eingebe? Genau gar nichts. Mittlerweile bin ich bereits sehr gut in Linux eingearbeitet, sodass sich die Frage des Wechsels nach dem Supportablauf von Windows 7 wahrscheinlich nicht mehr stellen wird.

        Zur Überschrift des Vorposters Bing Crosbieh "Potthässlich !": Die geplenkte Schreibweise sieht mindestens so hässlich aus…

        Für alle die hier den Total Commander so hochjubeln. Dessen Oberfläche ist mindestens so hässlich wie die des Dateimanagers, wenngleich etwas bunter, "aktuell" sieht anders aus. Wenn man im Uralt-Dateimanager übrigens zwei Fenster nebeneinander darstellt, im zweiten Fenster dann noch das Laufwerk wechsel, sich alle Dateiangaben anzeigen lässt, was ist dann noch viel Unterschied zum Total Commander. Natürlich ist dieser leistungsfähiger, weil konsequent weiterentwickelt, doch als reines Kopiertool (natürlich ohne Batchverarbeitung) eignet sich der alte Manager allemal. Dass die Symbolleiste vor so langer Zeit bereits frei konfigurierbar war (wofür der Explorer ohne Tools bis Windows 10 gebraucht hat) erwähne ich nur nebenbei.

  6. Daniel sagt:

    @Michael
    Richtig, Windows NT unterstützte bereits glaub ab Version 3.1 lange Dateinamen.
    Das "private" Pendant dazu, Windows 3.1 hingegen noch nicht.

    Aber Windows 95 unterstützte dann auch lange Dateinamen. Dies war damals, nebst der Einführung des Start-Buttons, die grosse "Neuerung".
    Der einzige Grund, dass damals ein Office 95 heraus kam, war eben die Unterstützung von langen Dateinamen. Sonst war Office 95 praktisch mit Office 4.3 identisch (Word 6, Excel 5, Access 2, etc.)

    Gruss, Daniel

Schreibe einen Kommentar zu Muvimaker Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Hinweis: Bitte beachtet die Regeln zum Kommentieren im Blog (Erstkommentare und Verlinktes landet in der Moderation, gebe ich alle paar Stunden frei, SEO-Posts/SPAM lösche ich rigoros). Kommentare abseits des Themas bitte unter Diskussion.