US-Marine: Touchscreen ade, zurück zu physischen Kontrollen für die Schiffssteuerung

Die US-Navy wird binnen der nächsten 18 bis 24 Monate beginnen, die Brücken ihre Zerstörer so umzubauen, dass Touchscreens rausfliegen und man zu physischen Bedienelementen für die Steuerung der Schiffe zurückkehrt.


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Ist natürlich kein vordergründiges Thema für einen IT-Blog. Ich finde den Infosplitter aber ganz passend. Wollten uns doch die Marketing-Fuzzis von Microsoft & Co. noch vor wenigen Jahren erzählen, dass wir Windows bald nur noch per Touchscreen bedienen – Maus und Tastatur ist so was von old school. Auch die US-Marine ist wohl dieser Botschaft aufgesessen.

IBNS helm controls on USS Dewey (DDG-105). US Navy Photo

Obiges Foto zeigt den Steuerstand auf der Brücke eines US-Zerstörers mit einigen separaten Steuerelementen. Unter anderem das Steuerrad aber auch einige Bildschirme. Auf modernen Schiffen der US-Navy waren mechanische Steuerpulte rausgeflogen, man wollte mit der Zeit gehen und hat alles digital mit Touchscreens ausgestattet. Dann gab es eine tödliche Kollision der USS John S. McCain (DDG-56). Der Zerstörer war am 20. August 2017 vor der Küste von Singapur in der Malakkastraße in eine Kollision mit dem unter liberianischer Flagge fahrenden Tanker Alnic MC verwickelt. Zehn Matrosen wurden nach der Kollision als vermisst gemeldet und später tot im Zerstörer gefunden. Vier Matrosen wurden mit nicht lebensbedrohlichen Verletzungen in ein Krankenhaus in Singapur gebracht, ein Verletzter brauchte keine weitere ärztliche Versorgung.

2017 häuften sich solche Kollisionen mit US-Kriegsschiffen. Es wurde vermutet, dass das Steuersystem der Schiffe gehackt worden sei – später stellte sich heraus, dass Fehler der Schiffsführung und ungenügende Kenntnisse der Bedienung der Elektronik des Steuerstands die Ursache waren. Ein Hauptfaktor sei ein Mangel an Kenntnissen, die zur Bedienung der Kontrollkonsole des Schiffes notwendig ist, gewesen. In der Wikipedia sind die Details des Vorfalls nachlesbar.

Ein Untersuchungsbericht der US-Marine hat diese Mängel aufgedeckt. Darauf hat die Marine beschlossen, dass man wieder auf physischen Bedienelemente zur Schiffssteuerung zurückkehren will. Die Informationen zum Rückbau der digitalen Steuerstände auf physische Bedienkonsolen finden sich in diesem Artikel.


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17 Antworten zu US-Marine: Touchscreen ade, zurück zu physischen Kontrollen für die Schiffssteuerung

  1. Nobody sagt:

    Kann mich auch noch gut daran erinnern, als man die Touchbedienung auch am PC und das Ende der Maus vorausgesagt hat.
    Das war damals, als das 3D-Fernsehen kurz vor dem Durchbruch stand.

  2. 1ST1 sagt:

    Ich erwische mich selbst ständig in meinem Auto beim Fahren dass ich zu sehr mit dem Touchscreen meines serienmäßigen Radionaviphonesuperduper-Autoradios beschäftigt bin. Der Abstandswarner im Auto hat mich schon mehr als einmal gerettet. Das ist hochgefährlich und ich frage mich wie sowas im Auto zugelassen wird. Da ist echt Selbstdisziplin angesagt.

    • Ralph D. Kärner sagt:

      Alles außer Pedale, Lenkrad und einen eventuell vorhandenen Schalthebel bedient man nur bei stehendem Fahrzeug. Ich habe da genau deswegen noch nie Selbstdisziplin gebraucht.

  3. David sagt:

    Hi,
    eigentlich war der Touchscreen eine gute Idee. Nur wurde er für nicht passende Geräte umgesetzt. Das trieb den Preis für diese Geräte hoch und setzte die Bedienungqualität herab.
    Hätte man alles vorher wissen können – wollte man aber nicht.
    Nun, jetzt zahlt man (äh… der Steuerzahler) Leergeld….

  4. Micha sagt:

    Es wurde schon viel vorhergesagt.
    z.B. das ende der Schalplatte,
    das ende der CD durch Streaming Dienste
    die immer weiter in die Zukunft geschobene Abschaltung des UKW Radios

    Maus und Tastatur werden noch eine Weile erhalten bleiben.
    Während Reine Tablets ohne Möglichkeit eine Tastatur anzuschließen langsam von Convertibles ersetzt werden.

    Zu viele Touchscreens in Autos sind auch ein Ziemlich großer Ablenkungsfaktor. Sender wechseln ohne Tasten sorgt dafür das ich auf das Radio gucken muss. Eine Taste konnte ich früher erfühlen.

  5. woodpeaker sagt:

    Die Navy sieht ihren Fehler wengistens ein und ändert was.
    Das nennt man lernen aus Erkenntnissen.
    Es gibt genügend andere Bereiche in denen weiter an dem Irrweg rumgedoktert wird.
    Nicht überall ist Alles machbar.

  6. mike sagt:

    Das Umdenken hat schon vor ein paar Jahren begonnen, dauert etwas bis das alles umgesetzt ist.
    https://www.heise.de/newsticker/meldung/GPS-unsicher-US-Navy-unterrichtet-wieder-am-Sextanten-2845200.html

  7. Steter Tropfen sagt:

    Naja, wenn man nach einer Kollision mit 10 Toten (auf der eigenen Seite) umdenkt, ist das etwas spät.

    Ich würde meinen Kopf wetten, dass es schon bei der Einführung dieser Touchscreens zahlreiche Stimmen gab, die davor gewarnt haben: Schon wenn ich die Dinger auf den Foto sehe, erkenne ich doch, wie schwer es da ist, das richtige Rechteck zu „touchen" und dann mit genau der richtigen Geschwindigkeit zu verschieben, wo früher ein greifbarer Regler mit definiertem Bewegungswiderstand war. Das dort erfordert ja die Feinmotorik eines Gefäßchirurgen! Überdies ist nun mal ein Bildschirm auch optisch nicht annähernd so ergonomisch wie ein reales dreidimensionales Armaturenbrett (und dabei war der noch nicht mal „Flat Design" wie heutzutage sonst alles, bis hin zum Fahrkartenautomaten).

    Aber derartige Einwände der praxiserfahrenen Anwender vor Ort werden von den Digitalisierungs-Enthusiasten regelmäßig vom Tisch gewischt mit der Unterstellung, die Bedenkenträger seien eben von gestern, und wenn sie nicht „mit der Zeit gehen" könnten, müssten sie eben Jüngeren Platz machen.

    • mike sagt:

      Dieser Rückbauentscheid ist ein sehr heftiger Tritt ans Schienbein der damaligen Entscheidungsträger. Würde mich nicht wundern wenn diese Leute unterdessen im vorzeitigen Ruhestand sind (de facto ein Rausschmiss) oder auf irgendwelche unwichtigen Posten abgeschoben wurden.

      • Andreas sagt:

        "Würde mich nicht wundern wenn diese Leute unterdessen im vorzeitigen Ruhestand sind"

        Da würde ich aber ein großes Fragezeichen dahintermachen. Wenn man den im Blog Post verlinkten Wikipedia-Artikel durchliest, sieht man dass es wie üblich lief…

        Zitat: "Im Falle der USS John S. McCain sei der Unfall auf Grund einer Mischung aus Selbstzufriedenheit, Selbstüberschätzung und einem Mangel an Einhaltung etablierter Prozeduren passiert. Ein Hauptfaktor sei ein Mangel an Kenntnissen, die zur Bedienung der Kontrollkonsole des Schiffes notwendig ist, gewesen." Zitat Ende.

        Der Dumme ist wie immer derjenige vor Ort, den Entscheidungsträgern in ihren Bürosesseln passiert nichts. Der Umbau wird auch sicherlich nicht mit der nicht-Eignung von Touchscreens in diesem Umfeld begründet sondern mit der faktischen Dummheit des Navy-Personals.

        Wenn ich mir vorstelle, dass so eine Touch-Steuerung auch in Stresssituationen bedient werden muss, weiß ich sofort, dass das nicht funktionieren wird. Aber wie oben schon jemand schrieb, wer Bedenken gegen moderne Technik äußert, wird ins Abseits gestellt.

  8. Roland Moser sagt:

    Wenn ich das bei Wikipedia richtig gelesen habe, sind nicht die Touchscreens das Problem, sondern dass niemand für die Steuerung des Schiffs ausgebildet war. hä hä hä…

    • Dekre sagt:

      In Wikipedia steht alles zu nichts.
      Insbesondere sind Artikel zum militärischen Bereich mit Skepsis zu lesen. Das war schon früher vor Internet und Wikipedia so und ist jetzt noch mehr aktueller.

      Diese "tatschdinger" sind generell für professionellen Einsatz Müll. Das ist alles unnütze Spielerei. Ich weiß, wie richtige Technik auszusehen hat. Es muss tauglich für Wetter und den Streßsituationen sein.

  9. Andy sagt:

    In Hollywood-Filmen ist Touch State of the Art. In der Realität ist die Touch-Bedienung noch nicht massentauglich. Abgesehen von Handys. In 20 Jahren sieht vermutlich vieles anders aus.

    • woodpeaker sagt:

      Selbst Handys sind nicht tauglich. Probiere du mal bei Windstärke 8 und aufwärts ein Smartphone zu bedienen. Geht einfach nicht vernünftig.
      Und dann überzetze das mal auf die Brücke eines Schiffes und setz noch einen drauf und stelle dir vor die See kommt dwars – also ich möchte auf dieser Brücke nicht sein, allein schon vom Geruch her. Das haut die stärkste Teerjacke aus den Puschen.
      Das schwächste Glied in dieser Kette ist nun mal der Mensch.
      Der ist da, rein von der Natur aus, nicht für ausgelegt sich standsicher auf den Füßen zu halten und dann Touchscreen?
      In solchem Umfeld geht nichts über Hebel und Knöpfe.
      Oder warum haben Kampfjets keine Touchscreens?
      Möchte das mal bei 6g +- erleben.
      Oder mit einem echten Geländewagen richtig Offroad betreiben (nicht einen Tussenpanzer auf Schotterweg).
      Aber wenn man nur aus dem Mikrokosmos Handy das technische Leben
      betrachtet, dann kommen solche Fehleinschätzungen heraus.

      • Legostein sagt:

        Gut beobachtet und die richtigen Schlussfolgerungen gezogen.

      • WieWo sagt:

        Man kann es auch so sehen:
        "Seewasser und Elektronik sind natürliche Feinde."
        Das mußte ich erleben, als ich in der Adria mit einer "Schwarzen Bora" und Windstärken um 7 konfrontiert war. Gerade als ich es am meisten gebraucht htte, hat mein Notebook in der Bilge sein Leben ausgehaucht. – RIP.
        Und ich hatte nur veraltete gedruckte Hafen-Unterlagen an Bord.- Soviel zu den Segnungen des Nautik-Verlags, der seine Hafen-Handbücher nur mehr als Online-Abo herausgibt…
        (Man kann sich die 100en Seiten natürlich auch herunterladen und ausdrucken.)

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