Elektronische Patientenakte: nur 6 % der Ärzte nutzten es Mitte 2022

Gesundheit (Pexels, frei verwendbar)Gesundheitsminister Prof. Dr. Lauterbach plant ja bis Ende 2024 die elektronische Patientenakte (ePA) verpflichten für alle Kassenpatienten einzuführen. Wer das nicht will, muss aktiv ablehnen (Opt-out). Auch die EU will einen europäischen Gesundheitsdatenraum, zum Teilen der Gesundheitsdaten. Bisher haben nur 1 % der Patienten sich freiwillig für die elektronische Patientenakte (ePA) entschieden. Und einer neuen Umfrage der Bitkom Zufolge setzen auch nur 6 % der Ärzte die elektronische Patientenakte ein. 


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ePA-Zurückhaltung bei Ärzten

Ich hatte hier im Blog ja mehrfach über die elektronische Patientenakte (ePA) und die Pläne des deutschen Gesundheitsministers berichtet. Daher war ich sofort getriggert, als ich die nachfolgende Umfrage von Bitkom Research gesehen habe. Die Forschungsgruppe der Bitkom (Bitkom e. V. ist der Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche) hat im Mai – Juli 2022 insgesamt 535 Ärzte und Ärztinnen repräsentativ zur Unterstützung der elektronischem Patientenakte (ePA) befragen lassen. So ganz taufrisch sind diese Daten also nicht mehr, ergeben aber interessante Einblicke im Hinblick auf die Frage, ob die ePA von Ärzten gewünscht und breit genutzt wird.

ePA-Nutzung bei Ärzten (Juli 2022)

Laut obiger Grafik, die die Statista GmbH erstellt hat, nutzten vorigen Sommer nur 6 % der befragten Ärzte und Ärztinnen die elektronische Patientenakte (ePA) und nur 5 % das elektronische Rezept (eRezept). Der wichtigste Grund für die Abstinenz der Doktoren war zum Zeitpunkt der Befragung die fehlende technische Ausstattung. Der Hickhack um den Austausch der TI-Konnektoren sowie die Schlenker beim eRezept, welches auf 2023 verschoben wurde, dürfte wohl auch eine Rolle gespielt haben.

Interessant fand ich aber, dass 18 % der Mediziner keine Nutzung der ePA wünschen – und bei den Patienten sind es immerhin 13 %, die die elektronische Patientenakte nicht wünschen. Die letztgenannte Zahl finde ich recht hoch und ermittelt sich wohl aus den Antworten der Befragten. Denn die gesetzlich Versicherten können sie 2021 eine ePA beantragen und bekommen diese kostenlos über die Krankenkassen eingerichtet. Trotzdem haben nur 1 % der Versicherten die elektronische Patientenakte zur Speicherung ihrer Gesundheitsdaten beantragt.

ePA kommt verpflichtend für GKV

Bisher war die elektronische Patientenakte sowie die Digitalisierung im Gesundheitswesen eine Folge von Pleiten, Pech und Pannen. Die Authentifizierung der Patienten für die ePA musste zeitweise wegen Verfahrensmängeln ausgesetzt werden (siehe gematik untersagt Video-Ident-Verfahren in der Telematikinfrastruktur (9. August 2022)). Die für die Kommunikation der Ärzte mit den Gegenstellen der Krankenkasse benötigten sogenannten TI-Konnektoren entwickelten sich zum Desaster. Denn ein Teil der ältesten Geräte muss wegen auslaufender Zertifikate bereits seit 2022 zu hoffenden Kosten getauscht werden (siehe TI-Konnectoren im Gesundheitswesen – der "400 Millionen Euro"-Hack des Chaos Computer Clubs). Und die Einführung des eRezepts musste wegen Datenschutzproblemen auf Sommer 2023 verschoben werden (siehe KBV: Gematik verschiebt eRezept-Einlösung mit eGK auf Sommer 2023).

Und das Prestige-Projekt des Gesundheitsministeriums, die elektronische Patientenakte (ePA), seit 20 Jahren in der "Einführung", kommt nicht in die Pushen. Seit Januar 2021 zwar für gesetzlich Krankenversicherte erhältlich, wurde die ePA nur von gut 1 % der Versicherten beantragt. Angesichts dieses Lagebilds fiel 2022 der Beschluss der Gesellschafterversammlung der gematik, die technischer Dienstleister in diesem Bereich ist, die ePA verpflichtend mit Opt-out einzuführen.

Im März 2023 stellte Gesundheitsminister Prof. Dr. Lauterbach dann seine Pläne vor, die elektronische Patientenakte (ePA) auf gesetzlichem Wege verpflichten für alle gesetzlich versicherten Patienten (GKV) einzuführen. Wer das nicht will, muss aktiv werden und Widerspruch einlegen. Bis Ende 2024 sollen, so die Hoffnung, 80 % der Versicherten über eine solche ePA verfügen. Interessant ist dabei, dass die privat Krankenversicherten (PKV) außen vor bleiben.

Ich hatte im Beitrag Lauterbach "will" die elektronische Patientenakte (ePA) mit Opt-out – ein Desaster mit Ansage oder Wolkenkuckucksheim? auf die vielen offenen Fragen hingewiesen. Das Vorhaben des deutschen Gesundheitsministers fällt übrigens mit den Plänen der EU-Kommission für einen EU Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space, EHDS) zusammen. Dort sollen die Daten der europäischen Krankenversicherten für den Austausch und für die Forschung zusammen geführt werden (siehe EU Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space, EHDS): Erste Pläne, offene Fragen). Auch dieses Vorhaben bietet einige böse Überraschungen, wenn die Pläne so umgesetzt werden – denn die Übertragung der Daten soll verpflichtend werden, ohne dass Patienten eine Widerspruchsmöglichkeit in bestimmten Bereichen haben. Eine sehr bedenkliche Entwicklung, wenn man bedenkt, wie sensitiv diese Daten sind und wie oft man in den letzten Jahren von Datenlecks im Gesundheitsdatenbereich lesen durfte.


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11 Antworten zu Elektronische Patientenakte: nur 6 % der Ärzte nutzten es Mitte 2022

  1. Frank sagt:

    Ohh nein, ein Gender-Tweet und dann passt der Text in der Grafik überhaupt nicht zum Weltbild. Wie kann dann so etwas nur passieren? (Stichwort "Patientenakte")

    Blöd gelaufen bei der Statista:innen…

  2. Luzifer sagt:

    naja Opt-IN wäre zwar wünschenswert, aber solange ein Opt-OUT möglich ist, ist für mich alles OK! Das Opt-OUT geht raus sobald das scharf geschaltet wird, den den Stümpern vertraue ich garantierte keine "privaten Krankendaten" an!

    Ich sage es gerne wieder: Ihr wollt meine Daten? Könnt ihr haben, nur sind diese keine Rohstoffe die ihr wie bisher in Raubbaumanier abbauen könnt. Die Daten sind meins und ich entscheide. Könnt ihr alle bei mir kaufen. Kostenpunkt je nach Art der Daten (Name Adresse usw. Politische, Geistliche Gesinnung; Krankendaten usw.) und nein nicht einmalig und unbegrenzt, nur zur explizit einmaligen Verwendung nach Kauf für den Käufer und nicht für die Weitergabe an Dritte! Abo möglich! Bei Zuwiderhandlung unter Nutzungsausschluß und Strafe.
    Und eins sollte euch klar sein Billig sind meine Daten nicht!

  3. GüntherW sagt:

    Wie sieht eigentlich die Umstellung in der Praxis aus?

    In meiner Traumwelt bestellt man einfach die notwendige Technik. Sofern spezielle Gerät nötig, gibt es nur ein/wenige konkrete Peripheriegeräte zur Auswahl bzw. es werden explizit Modelle vorgeschlagen, die vorher ausführlich getestet wurden. Die eingesetzte "Praxissoftware", die ebenfalls auf wenige oder eine einzelne Anwendung beschränkt ist, kann man problemlos dank einfacher und standardisierter Schnittstellen anbinden. Es gibt eine detaillierte Anleitung/Beschreibung/Fahrplan, was wer wann genau machen muss. Von der Anmeldung bis zum Betrieb. Damit kommt dann auch die 50 Jährige Sprechstundenhilfe zurecht. Das betreuende IT-Unternehmen hat auch ausreichend Dokumentation.

    • Günter Born sagt:

      Ich antworte mal mit Monthy Python : "Don't mention the war" – sprich: Bloß nicht erwähnen – und deine Traumwelt kommt imho in der Praxis wohl eher selten vor. Oder war dein Beitrag eher ironisch gemeint?

    • M.D. sagt:

      | Wie sieht eigentlich die Umstellung in der Praxis aus?

      Wie üblich – katastrophal, wenn es um Digitalisierung geht.

      Auf der einen Seite steht die Gruppe, die "berechtigt Interessierten" möglichst einfach mit geringstem Aufwand Zugang zu hochsensiblen persönlichen Daten verschaffen will.

      Auf der anderen Seite steht die Gruppe – mal abgesehen von der "Ich hab nix zu verbergen" Truppe, die ihre aktuellsten Befunde auch schon mal auf dem Nach-Hause-Weg im ÖPNV am Handy mitteilt – die erwartet, dass mit ihren hochsensiblen Daten äußerst vorsichtig umgegangen wird und ausgeschlossen ist, dass ihre komplette Krankheitsgeschichte in falsche Hände gerät.

      Möglichst einfach und gleichzeitig hoch sicher schließt sich aus.

      • GüntherW sagt:

        "Möglichst einfach und gleichzeitig hoch sicher schließt sich aus."

        Ja, dass ist ein Zielkonflikt. Da stimme ich absolut zu. Man kann aber schwierige/komplizierte Sachverhalte aber auch gut und möglichst verständlich dokumentieren/erklären/umsetzen. "Einfach" im Sinne von, dass es zwar komplex ist, aber nicht unnötig komplex bzw. alles gut erläutert ist.

        Bei vielen Sachen ist die Komplexität aus meiner Sicht gar nicht das große Problem, sondern es fehlt schon an Überblick/Dokumentation/Erläuterungen + schlechter Struktur. Da fängt es schon teilweise damit an, dass man gar nicht weiß wo man sich registrieren soll bzw. nicht mal den richtigen Ansprechpartner findet, ist da schon überfordert ist und weiß nicht wo man anfangen soll. Das hat dann nichts mit der Komplexität an sich zu tun. Hier scheitert es dann daran, dass aus der erhöhten Komplexität eigentlich auch bessere Kommunikation folgen muss. Wenn z.B. irgendwelche Roberts große Veränderungen planen und keinen (Muster)Plan haben wie das in der Praxis umgesetzt werden soll. Dann ist logisch, dass es Chaos gibt.

        Keine Ahnung welche konkreten Probleme die Angestellten/Dienstleister in der Praxis in den Praxen haben.

        Ich geh mal davon aus, dass man sich z.B. wieder an irgendwelche Anbieter wenden muss. Obwohl es viele Praxen gibt die evtl. ähnlich eingruppiert werden könnten, muss man sich evtl. wieder ein individuelles Angebot einholen. Da geht schon mal extrem viel Zeit drauf, dass man sich erstmal einen Überblick auf Markt verschafft. Sowas ist echt unnötig kompliziert und da brauch man sich dann auch nicht wundern, dass die Leute da keinen Bock drauf haben.

  4. R.S. sagt:

    Ich sehe die ePA auch aus medizinischen Gründen als bedenkenswert.
    Und zwar wegen eines konkreten Falles in meiner Familie, bei der 2 Ärtze sich eine totale Fehldiagnose geleistet hatten und erst im Krankenhaus die richtige Diagnose gestellt wurde. Zitat Arzt im Krankenhaus: "Ja, auf den Röntgenaufnahmen von vor 2 Jahren von den beiden Ärzten kann man das Krankheitsbild schon deutlich sehen".
    Was wäre wohl bei der ePA passiert?
    Hätte sich der Arzt im Krankenhaus auf die beiden Fehldiagnosen der Ärzte verlassen und deshalb keine eigene Diagnose gestellt?

  5. sense of humor sagt:

    Immer wenn ich mit dem Kürzel ePA konfrontiert werde, muss ich zuerst an gelbe Comic-Helden in einer amerikanischen Kleinstadt denken. Ein älterer, leicht verwirrter Herr hat dort eine Vision: 'EPA EPA EPA'. Nun, je öfter Hr. L. ePA prophezeit, um so häufiger schaue ich zum Himmel, wann für uns die 'Käseglocke' kommt.

  6. Sebastian sagt:

    6% zuviel.

    Da sind 6% wo ein Datenreichtum entstehen kann was einen Angriffsvektor für russische Kriminelle darstellt.

    Die IT ist das gleiche wie das Passagierflugzeug vor 50 Jahren. Im Prinzip gut- den Umgang damit müssen wir noch lernen.

    Der deutsche Philosoph Friedich Ludwig Hegel hat sehr schnell gesehen das jede technologische Erneuerung im 2 Phasen durchläuft. Den Hype -und die Besinnung.
    "Die Gesellschaft muss immer erst die beiden Extreme durchlaufen bevor sie den richtigen Umgang damit findet"

    Das Narrativ das eine elektronische Patientenakte etwas gutes darstellt ist einfach nur lächerlich.

    • Dolly sagt:

      Hinter dem Narrativ steckt noch etwas mehr, die globale digitale persönliche ID, an die in Zukunft alles von digitalem Geld über digitales Ticket für Mobilität über Zugang zur Cloud bis hin zu CO2 Verbrauchskonto geknüpft sein wird, und über das Thema Gesundheit lässt sich das am einfachsten global ausrollen, alles seit Jahren vorbereitet, siehe z.B. id2020.org – mit eines Tages dann Opt-out = keine Behandlung möglich, also freiwilliger Mitmachzwang. Für viele noch unvorstellbar, dann einfach noch etwas abwarten.

    • M.D. sagt:

      | […] russische Kriminelle […]

      s/russische/viele/

      | […] den Umgang damit müssen wir noch lernen.

      Leider verzeiht die IT in puncto Datenverlust kaum Fehler. Erstens bemerkt man den Verlust zunächst mal nicht, denn da ist oft nichts verschwunden, es wurden schlicht Kopien angefertigt. Zweitens hat man bei Daten, die einmal im Netz kursieren nicht die geringste Chance, diese wieder einzufangen. Wer weiß schon, wo und auf wie vielen Rechnern Kopien davon existieren, die irgendwann wieder in größerem Umfang an prominenten Stellen auftauchen.

      Gerade an hochsensiblen persönlichen Gesundheitsdaten besteht ein großes Interesse, z.B. bei Versicherern, Pharmazeutischer Industrie, Arbeitgebern und weiteren. Bei entsprechend großer Datensammlung werden im grauen Bereich Portale entstehen, die Interessierten Informationen zur Verfügung stellen. Der ein oder andere könnte bspw. Gefahr laufen, Dutzende von Bewerbungen zu schreiben und immer wieder von vorn herein abgelehnt zu werden, wenn seine chronische Erkrankung bekannt ist.

      Der beste Umgang mit der IT ist Datensparsamkeit. Bei viel zu vielen ist das Kind aber leider bereits in den Brunnen gefallen, und ein beachtlicher Anteil davon hat es noch nicht einmal bemerkt oder begriffen.

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