Brexit: Zugriff auf GPS verloren und dann falsche Satelliten

Es ist ein Stück aus dem politischen Tollhaus Großbritanniens. Das Land wird den Zugriff auf die Galileo und damit auf dessen GPS-Funktionalität verlieren. Dann hat man 20% auf  OneWeb als Ersatz für Galileo geboten. Am Ende stellen Experten fest: Die haben die falschen Satelliten gekauft und ziehen das Fazit: "so sieht Nationalismus aus, der die Industriepolitik übertrumpft".


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Dass der Brexit schon ein Stück aus dem politischen Tollhaus Großbritanniens ist, sollte jedem halbwegs intelligenten Beobachter klar sein. Andernfalls würde man ja ernsthafte Bemühungen Großbritanniens erwarten, ein Abkommen mit den vor der Haustür liegenden Ländern der EU und Irland zu erreichen. Aber weit gefehlt – es wird wohl ein harter Brexit, am Ende des Jahres 2020.

Eine Vorgeschmack auf den Nationalismus, der jegliche vernünftige Industriepolitik übertrumpft, hat die BBC in obigem Tweet gerade veröffentlicht. Die Details lassen einem die Haare zu Berge stehen.

Pläne der britischen Regierung

Der Plan der britischen Regierung besteht darin, sich mit 20% am privaten OneWeb-Satelliten-Konsortium zu beteiligen. Dieser Plan, hunderte von Millionen Pfund in ein Satelliten-Breitbandunternehmen zu investieren, wurde von Experten als unsinnig bezeichnet. Denn den Experten ist klar, dass das Unternehmen nicht einmal den richtigen Satellitentyp herstellt, den das Land nach Brexit bräuchte, um ein eigenes GPS-System mit aufzubauen.

Die Investition von 500 Millionen Pfund in OneWeb, über die erstmals am Donnerstagabend berichtet wurde, soll verhindern, dass Großbritannien den Zugang zum EU-Satellitennavigationssystem Galileo verliert. Aber OneWeb – an dem Großbritannien nach der Investition einen Anteil von 20% halten wird – betreibt derzeit ein völlig anderes Satellitennetzwerk als das, das üblicherweise für den Betrieb solcher GPS-Navigationssysteme verwendet wird.

Die falschen Satelliten gekauft

"Der grundlegende Ausgangspunkt ist, ja, wir haben die falschen Satelliten gekauft", sagte Dr. Bleddyn Bowen, ein Experte für Raumfahrtpolitik an der Universität Leicester. "OneWeb arbeitet im Grunde genommen an der gleichen Idee wie Elon Musks Starlink: eine Megakonstellation von Satelliten in niedriger Erdumlaufbahn, die dazu dienen, Menschen am Boden mit dem Internet zu verbinden."

"Was passiert ist, ist, dass die sehr talentierten Lobbyisten von OneWeb die Regierung davon überzeugt haben, dass wir einige der Satelliten völlig umgestalten können, um darauf huckepack eine Navigationsnutzlast zu befestigen. Wir schrauben eine unerprobte Technologie an eine Megakonstellation an, die etwas anderes tun soll. Es ist ein technisches und geschäftliches Glücksspiel".

Giles Thorne, ein Forschungsanalyst bei Jeffries, stimmte dem zu. "Diese Situation ist für mich unsinnig", sagte er. "Diese Situation sieht aus wie Nationalismus, der eine solide Industriepolitik übertrumpft."


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So macht es die Konkurrenz

Jedes wichtige Positionierungssystem, das derzeit im Einsatz ist – Amerikas GPS, Russlands Glonass, Chinas BeiDou und das europäische Galileo, an dessen Entwicklung Großbritannien beteiligt war, bevor es aufgrund von Brexit den Zugang zu diesem System verlor – befindet sich laut Thorne in einer mittleren Erdumlaufbahn, etwa 20.000 km von der Erde entfernt. Die OneWeb-Satelliten, von denen 74 bereits gestartet wurden, befinden sich in einer niedrigen Erdumlaufbahn in nur 1.200 km Höhe.

Die Idee der Briten wird kaum funktionieren

Bowen sagte dazu: "Wenn Sie GPS für militärische Systeme ersetzen wollen, bei denen Sie verschlüsselte, sichere und zentimetergenaue Signale benötigen, bin ich mir nicht sicher, ob Sie das auf so kleinen Satelliten wie OneWebs tun können." Anstatt wegen der Qualität des Angebots ausgewählt zu werden, schlug Thorne vor, dass die Investition "einer nationalen Agenda" entspräche. OneWeb ist nominell ein britisches Unternehmen mit einem britischen Hauptsitz und Frequenzrechten, die im Vereinigten Königreich durch Ofcom registriert sind.

"Geben wir der Regierung den Vorteil des Zweifels: Wenn das Ergebnis, das die Regierung will, ein Positionierungssystem unter britischer Marke ist, eine Projektion britischer Macht auf die ganze Welt und die Unterstützung der britischen Satellitenindustrie, dann ist es wahrscheinlich schneller und billiger, den eckigen Pflock von OneWeb in das runde Loch eines Galileo-Ersatzes zu schlagen, als es von Grund auf zu tun", so Thorne.

Am Freitagabend sagte ein Regierungssprecher: "Wir haben unsere Ambitionen für die Raumfahrt deutlich gemacht und entwickeln eine neue nationale Raumfahrtstrategie, die langfristige strategische und kommerzielle Vorteile für Großbritannien bringen soll. Im Rahmen dieser Arbeit stehen wir in regelmäßigen Gesprächen mit der Raumfahrtindustrie", sagte Thorne.

Kleines Detail: OneWeb ist insolvent

OneWeb meldete im März in den USA, wo die meisten seiner Betriebsstätten angesiedelt sind, Konkurs an, nachdem es nicht in der Lage war, neue Finanzmittel zu beschaffen. Zuvor hatte Großbritannien den Bau eines eigenen globalen Navigationssatellitensystems angestrebt, das nach Schätzungen unabhängiger Experten 3 bis 4 Milliarden Pfund kosten würde.

Im Dezember 2018 sagte die damalige britische Premierministerin, Theresa May, dass das Vereinigte Königreich erwarte, mit den USA und anderen "Five Eyes"-Partnern aus dem Bereich der Geheimdienste zusammenzuarbeiten, um dies zu erreichen. Doch im Mai 2020 wurde dieses Projekt auf Eis gelegt. Das passierte nur wenige Wochen vor der Veröffentlichung einer Machbarkeitsstudie zu diesem Vorhaben, da die geschätzten Kosten auf 5 Milliarden Pfund anstiegen.

Und so schließt sich hier der Kreis: Absolute Traumtänzer in den politischen Schaltstellen, die immer noch vom britischen Imperium träumen, aber nichts auf die Reihe kriegen. Lasst die Briten am Jahresende 2020 in Frieden ziehen, aber lasst sie ziehen – auch ohne EU-Abkommen.

Ergänzung: Inzwischen hat heise diesen Artikel dazu mit der Botschaft 'im Zweifel für den Angeklagten' veröffentlicht.


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14 Antworten zu Brexit: Zugriff auf GPS verloren und dann falsche Satelliten

  1. Hilti sagt:

    Mit zentimetergenauen Positionsangaben können die Britten eh nix anfangen,
    die messen mit Daumen…

  2. 1ST1 sagt:

    Was wollen die Briten eigentlich mit einem globalen Satelliten-Navigationssystem? Die Insel ist doch so klein… Da gäbe es sicher billigere Varianten, z.b. in bewohnten Gebieten reicht die Ortung von WLAN-Netzen, um auf mindestens 50 Meter genau zu wissen, wo man ist. Auch Mobilfunkzellen sind ausreichend genau, um die Orientierung nicht zu verlieren.

    Aber klar, es geht um die Inch-genaue Positionsbestimmung, wegen autonomen Fahrzeugen, und … jetzt kommts … für das immer noch global agierende britische Militär, die sind ja Atom-Macht und haben entsprechende U-Boote.

    Eigentlich bräuchte Johnson ja nur mit den USA oder Europa zu verhandeln, um dennoch GPS oder Gallieo verwenden zu können, das ist möglich. Oder mit Putin, um Glasnost nutzen zu können? Hmmm… Aber genau das will man nicht.

    Leinen Los!

    Die Briten wollen völlig unabhängig sein, von allen, darum gehts, so wie früher die britischen Freibeuter, die spanische Galeonen versenkt haben. Wenn sie könnten, würden sie wohl mit ihrer Insel weiter raus in den Atlantik ziehen wollen, aber das schaffen selbst die Briten nicht.

    Ich habe da eine bessere Idee, sie sollten mit den Azoren verhandeln, über einen Gebiets-Tausch. Ich glaube die Einwohner der Azoren würden sich über eine so große Nähe zur EU freuen, und die Briten darüber, wenn sie endlich alleine mitten im Atlantik wären.

    Das wäre doch ein Deal, oder?

  3. Dekre sagt:

    Das ist doch alles Wahnsinn.

    Ich habe irgendwo gelesen (und das von unterschiedlichen Quellen), dass Galileo so nicht funktioniert und einen Fehler hat. Es soll 2021 fertig sein. Das wird schon wohl nichts. Galileo wird wohl eingestampft werden.

    Geht man davon aus, dass es schon mal 3 weitere (mindestens) gibt (USA, Rußland, China) so wird das Ganze mal im wahrsten Sinne des Wortes uns auf die Füße fallen.

    Der Murks will und macht es schon eigene Satelliten die Erdumlaufbahn zu schicken. Da geht es nicht um paar Stück sondern um bis zu 42 tausend Stück. Betrachtet man die gesamte sinnferne Klimadiskussion (auch und insbesondere in Deutschland), muß man wissen, dass ein Raketenstart für einen Satelliten ca. mehr als 20 bis 40 Tonnen Abgase produziert. Das ist nur der reine Start der Rakete für einen Satelliten.
    Es wird noch lustig werden. Wir rotten und selbst aus.

    Zu den Briten habe ich erst recht keine sachlichen Worte mehr. Das ist der kleine Schwachsinnsbruder vom Trampeltier. Mit gekonnter Idiotie habe die wohl beschlossen den Erduntergang auf der Insel in eigene Hände zu nehmen. Wieso braucht man auf der Insel ein eigenes GPS-System. Da braucht man gar kein GPS-System, gilt aber auch für Großteile von Europa. Kommt mir jetzt nicht mit Vorteile für die Landwirtschaft. In Russland sieht das anders aus.

    Unabhängig davon ist GB Pleite.

    • Ärgere das Böse! sagt:

      Alle europäischen Länder sind Pleite, nicht nur GB. Und lassen sich von der EU weiterhin aussaugen.
      Die EU ist Schlangenöl erster Güte.

    • Dino sagt:

      Galileo funktioniert schon seit Jahren. Es ist noch nicht im Normalbetrieb aber aktuelle Handys und Navigationssysteme nutzen Galileo-Satelliten bereits heute zusammen mit GPS und Glonass zur Positionsbestimmung. Galileo wird gegenüber den anderen beiden Systemen die Positionsbestimmung um Faktor 10 genauer machen.

  4. Oli sagt:

    WIe im Kindergarten.Mit dir spiel ich nicht mehr…
    Ich dachte hier gehts ums MIlitär(GPS kann ja ansosnten jeder nutzen)-steigt UK etwa aus der NATO aus?Nein
    Billlige Propaganda von EU Befürwortern.Wie sieht es denn in Deutschland aus?
    Was machen wir wenn Atomkraft,Kohle,Gaskraftwerke abgeschafft sind?
    Wie bekomme ich GPS K. wenn der Zufallsstrom dann mal wiedr ausgefallen ist?
    BEi der BW läuft eh fast nichts mehr.Neue Schiffe fahren nicht mal geradeaus!Man muss immer gegenlenken.

    • Günter Born sagt:

      Der Kommentar lässt mich jetzt echt kopfschüttelnd zurück – sorry! The Guardian würde ich jetzt nicht als 'EU Befürworter' kategorisieren – und in der Sache geht es darum, dass die britische Regierung sich an einem in Insolvenz befindlichen Unternehmen, dessen Technologie sich nun gar nicht für GPS-Navigation eignet, mit 500 Millionen Pfund engagiert.

      PS: Und Deutschland steht hier nicht zur Debatte – es geht um ein Vorhaben der britischen Regierung – deren Zugriff auf das europäische Galileo Satelliten-Navigationssystem ohne Abkommen mit dem Brexit Geschichte ist.

  5. psytester sagt:

    "…..befinden sich in einer niedrigen Erdumlaufbahn in nur 1.200 km Höhe."

    Da fehlt 'ne Null. Ich mache mir ansonsten ein bisschen Sorgen, wenn die Satelliten bei den Alpen vorbeikommen ;-)

    • Gerold sagt:

      Da fehlt gar nichts, Eintausend und Zweihundert Kilometer Höhe sollte reichen um die Alpen zu überfliegen …

    • Günter Born sagt:

      Die Satelliten werden mit konventionellen Antrieben auf eine Bahnhöhe von 450 km geschossen. Ein Xenon-Ionentriebwerk hebt den Flugkörper, der eine Lebensdauer von ca. 5 Jahren haben soll, dann auf die Operationshöhe von 1.200 km an an.

      Quelle u.a.: https://de.wikipedia.org/wiki/OneWeb

      • psytester sagt:

        Meine Körper Klimaanlage war gestern defekt. Wasserperlen selbst beim nur rumsitzen. Anders kann ich mir nicht den Ausfall der Zentraleinheit erklären.
        Die Flughöhe reicht natürlich vollkommen aus. Mein Gedankenfehler hat eine Einheit weggelassen.
        Es sind ja Kilo-Meter und nicht nur Meter und die Alpen sind wiederum nur in dem Tausender Meter Bereich hoch.
        Also genügend Luft dazwischen. ;-)

  6. z sagt:

    Driftet das jetzt ab in einen politischen Bashing-Block?

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