Problem mit statischer Aufladung bei eGK 2.1-Lesegeräten

Gesundheit (Pexels, frei verwendbar)Mal wieder ein neuer Schwank aus dem Bereich unseres Gesundheitswesens, der zeigt, wie das Ganze in Sachen Digitalisierung abstürzt. Es war mir bereits untergekommen, dass es ein ziemliches Problem mit der Gesundheitskarte (eGK 2.1) und den Lesegeräten in Arztpraxen gibt. Mutmaßlich durch statische Aufladung der eGK 2.1 stürzen die Lesegeräte in den Arztpraxen reihenweise ab und müssen dann aufwändig neu eingerichtet werden.


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Blog-Leser Cedric F. hat mich gestern in einer privaten Nachricht auf Facebook auf das Problem hingewiesen, welches Insidern bereits ein paar Tage bekannt ist, aber am 14. Januar 2022 von der gematik im Fachportal im Beitrag Letzte Aktualisierung 14.01.2022 16:45 Uhr veröffentlicht wurde.

Kartenterminal ORGA 6141 online hängt sich auf

Dort heißt es, dass die gematik (die die Telematik-Infrastruktur bereitstellen) derzeit verschiedene Fehlerbilder im Zusammenspiel neuer Gesundheitskarten eGK G2.1 mit dem Kartenterminal ORGA 6141 online der Firma Wordline Healthcare GmbH (vormals Ingenico Healthcare GmbH) untersucht. Es heißt, dass gleich drei Fehlerbilder beobachtet werden:

  • Das Kartenterminal „hängt sich auf" bzw. restartet automatisch
  • Der Fehler "C2C-Authentisierung" wird angezeigt („Remote SMC-B")
  • Der Fehler „Keine freigeschaltete SMC-B" wird angezeigt

Wenn ich mir so die Abläufe in einer Arztpraxis ansehe, ist es der GAU, wenn das Terminal zum Einlesen der Gesundheitskarte ausfällt und ein Techniker vorbeikommen muss, um das Ganze wieder in Betrieb zu nehmen. Irgendwo hatte ich gelesen (Quelle ist mir entfallen), dass die Techniker erinnerungsmäßig das Terminal von der Telematik-Infrastruktur abmelden und neu einrichten müssen.

Elektrostatische Aufladung als Ursache

Die gematik schreibt, dass nach aktueller Kenntnis davon auszugehen ist, dass die Probleme der streikenden Kartenlesegeräte ursächlich durch eine elektrostatische Aufladung der elektronischen Gesundheitskarte eGK G2.1 ausgelöst werden. Es heißt, dass die Stärke des Entladepulses beim Stecken einer eGK in ein Kartenterminal, die dieses Problem auslöst, nicht nur von der Art der eGK abhängt. Sondern auch die Umgebung des Terminals, z.B. Art des Fußbodenbelags, und darüber hinaus sogar Witterungsverhältnissen wie trockener Winterluft sollen den Fehler begünstigen.

So spontan schoss mir "dürfen wir nun nur noch in einer Vollmond-Nacht, wenn es regnet zum Doc". Aber klar, Teppichboden und trockene Luft begünstigen eine elektrostatische Aufladung von Dingen. Aber ich erinnere mich noch ganz dunkel, als Ingenieur in der chemischen Industrie für Speziallösungen im SCADA-Bereich oberhalb der Prozessleitechnik verantwortlich gewesen zu sein. Bei den eingesetzten Rechnern führte unser Elektroniker eine elektromagnetische Verträglichkeitsprüfung der eingesetzten Komponenten durch. Da wurde mit Hochspannungsgebern Spannungsspitzen auf die Gehäuse gegeben. Waren die Geräte vernünftig konstruiert und geerdet, liefen die unbeeindruckt weiter. Das Wissen scheint wohl heute weitgehend verloren gegangen zu sein.

Von der gematik heißt es, dass der Träger dieser elektrostatischen Aufladung in der Regel der Versicherte sei. Vor den Corona-Hygienemaßnahmen sei die notwendige Entladung häufig durch die Übergabe der eGK an die Mitarbeiter in der Anmeldung erreicht worden. In COVID-19-Zeiten steckt der Versicherte die eGK aber selbständig ins Kartenterminal, so dass die elektrostatische Entladung im Kartenterminal stattfindet. Sind schon gerissene Hunde, die Leute von der gematik, dass die so etwas herausfinden …

Ein Workaround ist in Sicht

… und dann mit einer Lösung um die Ecke kommen: Um elektrostatische Aufladung der eGK zu vermeiden, sollte geprüft werden, ob die eGK vor dem Steckvorgang außerhalb des Kartenterminals entladen werden kann, und in der Einrichtung Umgebungsbedingungen angepasst werden können, die eine elektrostatische Aufladung der Versicherten oder auch der Mitarbeiter begünstigen. Bei dem Auftreten der o.g. Fehlersituation sollten die folgenden Punkte beachtet werden:

  • Für das ORGA 6141 Kartenterminal steht mit der Version 3.8.1. eine neue Firmware zur Verfügung, die das ursächliche Problem zwar nicht behebt, aber das Terminal wieder betriebsfähig macht, indem im Fehlerfall ein automatischer Restart durchgeführt wird. Es sollte sichergestellt werden, dass alle im Betrieb befindlichen Kartenterminals auf diesen Firmware-Stand aktualisiert wurden.
  • Nach dem (automatischen) Neustart des Gerätes, sollte erneut versucht werden, die eGK einzulesen.
  • Sollte es dauerhaft nicht möglich sein, an betroffenen Kartenterminals eGKs einzulesen, so sollte das Primärsystem neu gestartet werden.
  • Nach Möglichkeit sollte die Institutionskarte SMC-B in einem separaten Kartenterminal verwendet werden, in dem keine eGK Steckvorgänge stattfinden. Dadurch ist im Fehlerfall eine erneute Freischaltung der SMC-B nicht notwendig.

Die gematik merkt an, dass sich die Fehlerbilder zum Teil überlagern. Die elektrostatische Aufladung bedingt insbesondere das Problem, dass sich das Kartenterminal aufhängt bzw. automatisch neu startet. Die beiden anderen Probleme sind häufig Folgeprobleme. Sie können aber auch unabhängig von dem ersten Problem des Aufhängens auftreten.

Die gematik empfiehlt auch die Informationen und die Diskussionen zu diesen Fehlerbildern in der gematik gemmunity zu beachten. Momentan dürfte der Praxisbetrieb bei manchen Ärzten durch diese Unzulänglichkeit erheblich gestört sein. Die gematik arbeitetzusammen mit den Industriepartnern an einer Lösung.


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13 Antworten zu Problem mit statischer Aufladung bei eGK 2.1-Lesegeräten

  1. Ralf S. sagt:

    Wann merken eigentlich die maßgeblich Verantwortlichen endlich, dass diese endlose und bis zum Exzess pervertierte Digitalisierung in einem Irrweg enden muss?

    Meine Krankenkasse jubelt aktuell in ihrem (komischerweise auf Papier gedrucktem) Magazin: "Ihre Gesundheit wird 2022 endlich noch digitaler!" Interessant: Wusste gar nicht, dass "meine Gesundheit" bisher schon digital ist/war … Kommt wohl von der bereits dritten Impfung? Wahrscheinlich läuft bei mir schon die Beta-Version von Windoof 12. Daher also die vielen Abstürze – oder eines der Biere war doch schlecht … Fragen über Fragen und keine erhellenden Antworten.

    Schönen Sonntag allen! :-)

    • Wil Ballerstedt sagt:

      Ich sehe nicht in der Digitalisierung das Problem. Für mich liest sich das nach billig und noch immer zu teuer.

      Was in meinem Bekanntenkreis teils für ein billiger Chinarotz bestellt wird, manoman. Natürlich können auch die Chinesen hochwertig und kostet auch mehr.

      Ich kann auch dieses Thema nur oberflächlich streifen. Schaue ich mir die Politik und z. B. Luca App oder die ständigen Versuche der VDS an, ist für mich dieses Thema nur eine weitere kack Perle auf einer Schnurr.

      • Jackie sagt:

        @Wil Ballerstedt OT Antwort auf OT Teil:

        Ja nur ist teuer auch oft auch nur Mist. Wenn ich wüsste dass das teure Gerät mit dem dreifachen Preis auch dreimal so lange hält OK. Aber das ist eigentlich nie der Fall. Ich meide z.B. etablierte und teure Marken wo immer es geht. Meine Erfahrung mit etablierten Marken ist das sie den größten Mist produzieren und nur damit durchkommen weil jeder glaubt muss ja gut sein. Fängt schon bei so Kleinigkeiten wie Lebensmittel, Waschmittel oder Duschgels an. Die teuren Markenprodukte haben durchwegs die dümmste Verpackung und nerven damit oft nur im Alltag und sei es nur weil die Form unnötig Platz wegfrisst. Allerdings bin ich bei allem was an Netzspannung angeschlossen wird vorsichtig. Ich benutze aus Prinzip keine billigen USB-Netzteile oder PC-Netzteile. Ich kaufe Netzteile grundsätzlich nicht bei Amazon weil man dort oft Fälschungen erhält! Ich stecke auch keine Mehrfachsteckdosen hintereinander :D

    • Tom sagt:

      Die Digitalisierung selbst ist finde ich nicht das Problem. Weil, warum ich im Jahr 2021 noch immer meine Krankmeldung per Papierzettel an meinem Arbeitgeber und mein Arzt an die Krankenkasse melden musste, das ist schon sehr altbacken.

      Problem ist eher die teils sehr schlechte Umsetzung.
      Liegt aber einfach daran, dass es jahrelang versäumt wurde, an den entsprechenden Stellen notwendige Kompetenz aufzubauen. Wie soll denn schon alleine ein Lastenheft erstellt werden, wenn an der entsprechenden Stelle keine Kompetenz vorhanden ist?

  2. janil sagt:

    Lacht, herrliche Posse über die die betroffenen Praxen sicher nicht lachen können. Aber wirklich überraschend ist es auch nicht. Moment, waren die Entwickler des Ganzen nicht Batschelors oder anderweitig Promimovierte? Denke ja, ohne jemandem zu nahe zu treten. Früher (in der guten alten Zeit) nannte man solche Leute Fachidioten aber diese Seuche scheint auch sehr ansteckend zu sein… Kann man dagegen auch impfen?… Hilft da körperlich Arbeit?… Oder mehr Praxis Verbundenheit?
    Allen einen schönen Sonntag

  3. Werner sagt:

    "… führte unser Elektroniker eine elektromagnetische Verträglichkeitsprüfung der eingesetzten Komponenten durch. Da wurde mit Hochspannungsgebern Spannungsspitzen auf die Gehäuse gegeben. Waren die Geräte vernünftig konstruiert und geerdet, liefen die unbeeindruckt weiter. Das Wissen scheint wohl heute weitgehend verloren gegangen zu sein. "
    Nein, das Wissen ist definitiv nicht verloren gegangen. Im Gegenteil, zumindest die renommierten Hersteller prüfen regelmäßig unter anderem die Spannungsfestigkeit ihrer Produkte (ESD-Prüfung). Bei komplexen Geräten immer es aber vorkommen, dass eine bestimmte Situation nicht abgedeckt wird. So auch hier: Das ORGA-Gerät wurde ursprünglich zu einer Zeit entwickelt, als eGK mit NFC noch gar nicht angedacht waren! Und nur diese NFC-fähigen Chipkarten haben durch die Antenne so viel Kapazität, dass es zu den beschriebenen Effekten kommen kann. Ergo konnte der Fehler früher nie auftreten. Dazu kommt, dass bei einer normalen ESD-Prüfung das Problem auch nicht auftritt. Es muss ein spezieller Test mit einer besonderen Testkarte vorgenommen werden, um die Fehler zu reproduzieren. Dieser Test wurde erst entwickelt, als die ersten Ausfälle beobachtet wurden.
    Die Herausforderung hier ist, dass für eine 100% Ausfallsicherheit Teile der Hardware neu entwickelt werden müssen. Das bedeutet aber auch eine neue Zertifizierung durch das BSI und eine neue Zulassung durch die gematik, insgesamt also ein erheblicher Aufwand. Aber es heißt auch, dass die Hardware anderer eGK-Terminals möglicherweise nicht anfällig ist.

  4. David sagt:

    Hallo,
    ich erinnere mich an frühere Kartenlesegeräten. Die hatte am Eingabeschlitz so eine Art Bürste aus leitfähigen Borsten. Und die waren geerdet. Damit trat/tritt das beschriebene Problem gar nicht erst auf.
    Hier hat man wohl am falschem Ende gespart!
    Kleine Sache – große Wirkung.

    • Günter Born sagt:

      Dieser Gedanke ging mir auch durch den Kopf – wollte die Diskussion (auch im Hinblick auf den Kommentar von Werner) hier aber nicht beeinflussen.

      Problem ist halt, dass hier eine Freigabe für ein Gerät erteilt wird, welches in sehr vielen Praxen eingesetzt wird. Ändert sich nachträglich die Spezifikation, hätte in meinen Augen eine ergänzende Qualifizierung erfolgen müssen. Wobei ich bezüglich der Tests zugestehe, dass es etwas schwierig ist, alle Fälle abzudecken.

  5. Kollege sagt:

    Dieser Fehler tritt nur bei den ORGA (6141) Lesegeräten auf. Die Geräte von Cherry, die ebenfalls diese neuen Karten lesen können, haben dieses Problem nicht. Also ist das erstmal kein grundsätzliches Problem, sondern einfach nur ein Desaster des Herstellers. Weil andere zeigen, dass es funktioniert… Zumindest mit diesen Aufladungen klar kommen.
    Jetzt könnte man natürlich vermuten, dass Cherry eine bessere Produktkontrolle hat oder einfach die besseren Ingenieure. Soweit ich mich erinnere werden diese Geräte sogar in Deutschland hergestellt. Die einzelnen Bauteile kommen aus China, aber zusammengesetzt werden die Geräte in Deutschland.

    Ich weiß zwar nicht, wo die ORGA-Geräte produziert werden, aber schonmal nicht dort, wo gründlich geforscht, entwickelt und geprüft wird. Deshalb sind deutsche Produkte teurer und besser, weil es hier eben gemacht wird.

    Digitalisierung ist wichtig und wenns funktioniert dann ist es sogar ein Segen. Aber diese kann nur vorangebracht werden, wenn in Zukunft die Produktqualität mehr im Vordergrund steht, als der Preis. Ich will hier jetzt kein China-Bashing betreiben, aber die Preise sind nicht ohne Grund so niedrig.

    Ändern kann man das nur, wenn in den öffentlichen Ausschreibungen endlich mal Klauseln für Arbeits- und Produktqualität, sowie Arbeits- und Kontrollbedingungen im Vordergrund stehen und nicht der Preis…

    Also es liegt nicht an der Digitalisierung sondern an den Herstellern der Geräte…

  6. Per sagt:

    Wir haben am Wochenende eine grössere Impfveranstalting duchgeführt und wegen
    des bekannten Entladungesproblemes mit einer Erdungsplatte unter Verbindung zum Heizungsrohr gearbeitet.Das funktionierte fehlerfrei,leider habe ich bei der Entgegennahme zweier Funkchipkarten jeweils einen "Schlag" erhalten,einmal
    vermutlich mit nachfolgender "ES".
    Wenn das die Zukunft ist…….

  7. Martin sagt:

    Wir hatten sowas ähnliches mal mit IP-Telefonen und schnurgebundenen Headsets. Bei einigen Usern hat es ziemlich gebrummt beim telefonieren und mit anderen Schuhen trat das Problem nicht mehr auf 🙈

    Hersteller hat später festgestellt, dass die Ursache wohl 2 Bauteile auf der Hauptplatine sind, die zu nah aneinander liegen.

    Lösung damals: schnurloses Headset oder die "richtigen" Schuhe oder ohne Schuhe (bei letzterem bin ich mir nicht mehr ganz sicher)

  8. Juli sagt:

    Wir haben in der Praxis dieses Gerät und es funktioniert tatsächlich. Macht das Leben viel leichter

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