BGH bestätigt Verbraucherzentrale in 1N Telecom AGB-Klage

ParagraphKurzer Nachtrag: Die Verbraucherzentrale hatte gegen die 1N Telecom GmbH geklagt, weil diese auf ihre AGM im Internet verwies. Der Bundesgerichtshof gab der Verbraucherzentrale nun in letzter Instanz Recht, ein pauschaler Verweis auf Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Internet zu einem Vertrag sind unzulässig.

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Worum ging es in der Klage

Die 1N Telecom GmbH hatte Kunden, die einen Vertrag in Papierform abgeschlossen haben, mit einem Internetverweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) abgespeist. Das ist natürlich kritisch, da der Kunde nicht weiß, welche AGB-Klauseln gelten und die Internetfassung jederzeit vom Anbieter geändert werden kann.

Die Verbraucherzentrale Thüringen hatte daher gegen die 1N Telecom GmbH wegen des Verweises auf AGB-Klauseln im Internet geklagt. Die Verbraucherzentrale Thüringen beanstandet die Verwendung folgender Klauseln in Telekommunikationsverträgen der beklagten 1N Telecom GmbH :

a) "Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (abrufbar über www.1n.de/agb)."
b) "Ich bestätige, die Vertragszusammenfassung und Widerrufsbelehrung für meine Unterlagen erhalten zu haben."
c) "Ferner kündige ich hiermit meinen bisherigen Vertrag bei der Telekom und beauftrage die Mitnahme (Portierung) meiner Rufnummer."

Zuerst gab es eine Unterlassungsklage vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (I-20 UKl 1/24; seit 15.05.2024 III ZR 59/24). Düsseldorf deshalb, weil der Anbieter 1N Telecom GmbH seinen Firmensitz dort hat.

Das Urteil des OLG Düsseldorf v. 25.04.2024 Az.: I-20 UKl 1/24 (PDF) wurde  von der 1N Telecom GmbH angefochten und das Verfahren ging zum 15.05.2024 an den Bundesgerichtshof (BGH).

Der BGH hat zum 10. Juli 2025 entschieden (BGH, Urteil v. 10.07.2025_III ZR 59/24). Der pauschale Verweis auf eine Internetseite reicht laut BGH nicht aus, um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zu einem wirksamen Vertragsbestandteil zu machen, wie die Verbraucherzentrale hier mitteilt.

"Wir sind sehr froh, dass der BGH nun klargestellt hat: Dieses Verhalten ist zu unterlassen", sagt Dirk Weinsheimer, Jurist bei der Verbraucherzentrale Thüringen, zum BGH-Urteil. Die Entscheidung zugunsten von Transparenz und Kundenfreundlichkeit ist dabei auch für andere Anbieter wegweisend.

"Wer als Kunde oder Kundin einen Vertrag schließt, egal welcher Art, muss wissen, welche AGB gelten", betont Dirk Weinsheimer. Der BGH kritisierte, dass die 1N Telecom mit dem pauschalen Verweis auch alle Fassungen einschließe, die sie künftig unter der Adresse ins Internet stelle.

Weinheimer meint zur AGB im Internet: "Das entspricht einem Freifahrtschein zum Ändern wesentlicher Konditionen". Dem hat das BGH nun einen Riegel vorgeschoben. Beim BGH argumentieren die Richter: Wenn mehrere Fassungen der AGB online stünden, könnten Kunden und Kundinnen nicht zweifelsfrei erkennen, welche für sie gelten.

Die vom BGH-Urteil propagierte Lösung sieht vor, dass eine eindeutige Verlinkung auf eine bestimmte Version erfolgen müsse. Die Thüringer Verbraucherschützer fordern noch einen Schritt mehr. "Wer einen Vertrag auf Papier schließt, sollte selbstverständlich auch die AGB in Papierform ausgehändigt bekommen", sagt Jurist Weinsheimer.

Was noch hinter dem Verfahren steckt

Regelmäßige Blog-Leser erinnern sich, dass die 1N Telecom GmbH Kunden mit dubiosen Maschen in Verträge gelockt und später mit Schadensersatzforderungen überzogen hatte (siehe Links am Artikelende). Von Januar 2023 bis März 2025 erhielte die Verbraucherzentralen bundesweit rund 14.000 Beschwerden über den Telekommunikationsanbieter 1N Telecom GmbH erhalten.

Die Verbraucherzentrale Thüringen half 830 Verbrauchern und Verbrauchern aus diesem Bundesland ihre Interessen gegen die 1N Telecom GmbH zu vertreten. Es waren vor allem ältere Menschen, die durch den Anbieter getäuscht und in unnütze Verträge gelockt wurden. Kunden, die nicht wechselten oder kündigten, wurden mit Schadensersatzforderungen in Höhe von mehreren Hundert Euro überzogen.

Bis zum heutigen Tage laufen Inkassoversuche zum Eintreiben des Schadensersatzes bei den Opfern. Ich habe die Entwicklung des Sachverhalts hier im Blog in den nachfolgenden Beiträgen dokumentiert. Spannend wird es, ob und wie sich das obige Urteil des BGH auf die geltend gemachten Verträge der 1N Telecom GmbH gegenüber den zahlreichen Opfern auswirkt. Einzelne Gerichte hatte solche Verträge und sogar vollstreckbare Titel hinsichtlich des Schadensersatzes für nichtig erklärt.

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8 Antworten zu BGH bestätigt Verbraucherzentrale in 1N Telecom AGB-Klage

  1. Peter Vorstatt sagt:

    Betr. "Die vom BGH-Urteil propagierte Lösung sieht vor, dass eine eindeutige Verlinkung auf eine bestimmte Version erfolgen müsse.":

    Frage an den Schwarm: Habt ihr jemals einen Webauftritt gesehen, der unter Rechtliches seine AGB in versionierter Form derart bereitstellte, dass man je nach Bedarf und Interesse wahlweise jüngere oder ältere Fassungen einsehen konnte?

    Selbst die kernel.org Freaks lassen es in puncto 'Legal' unter https://www.kernel.org/legal.html mit der aktuellsten Version gut sein.

    • User007 sagt:

      Ja, das gab's durchaus mal, bspw. bei congstar – mittlerweile ist das dort allerdings auf die Tarife beschränkt, was aber auch nicht wirklich verwunderlich ist, wenn seriös arbeitende Unternehmen eben nur die aktuell gültigen AGB anbieten.
      Dsh. soll man sich als Konsument ja auch in Eigenverantwortlichkeit immer um eine Kopie der zu Vertragsschluß gültigen AGB selbst bemühen bzw. bekommt die ja auch in jener Version mit den Vertragsunterlagen ausgehändigt und das besagt das Urteil ja auch deutlich.

    • Tomas Jakobs sagt:

      > Selbst die kernel.org Freaks lassen es in puncto 'Legal' unter https://www.kernel.org/legal.html mit der aktuellsten Version gut sein.

      Oh Boy, wenn Du eine Versionierung von kernel.org Legal willst dann musst Du hier suchen: https://git.kernel.org/

      Vielleicht einmal bei den Fakten bleiben, statt hier ständig Falschaussagen rauszuhauen.

      > Frage an den Schwarm: Habt ihr jemals einen Webauftritt gesehen,

      Ja, professionelle Webauftritte werden selbstverständlich in Git Repos verwaltet und können das technisch leicht ermöglichen. Klappt halt nicht mit dem Billig CMS Webbaukasten.

      Hier ein kleines Git-Replay als Video von meinem Blog:
      https://blog.jakobs.systems/vid/20241230-blog-genesis.mp4

      • Peter Vorstatt sagt:

        + Betr. "Oh Boy, wenn Du eine Versionierung von kernel.org Legal willst dann musst Du hier suchen: https://git.kernel.org/":

        Dann sei doch bitte so nett und gib mal jenes Repository durch, in dem ältere Versionen von https://www.kernel.org/legal.html liegen. Mich würde speziell interessieren was vor "is made available to you under the Creative Commons Attribution ShareAlike 4.0 International License." galt und wann das geändert wurde. Vorsorglich: Mir geht es im Kern darum, die Information strukturiert aus https://git.kernel.org/ zu gewinnen und nicht per Durchkämmen von Fachartikeln der Portale und Fachpresse.

        + Betr. "Ja, professionelle Webauftritte werden selbstverständlich in Git Repos verwaltet und können das technisch leicht ermöglichen.":

        I. Z. mit der artikelgegenständlichen Aussage "Die vom BGH-Urteil propagierte Lösung sieht vor, dass eine eindeutige Verlinkung auf eine bestimmte Version erfolgen müsse." dürfte klar sein, dass Verbraucher keinen Zugriff auf Unternehmensrepositories haben. Ich habe auf einer ganzen Reihe von Internetpräsenzen der Versicherungsgesellschaften nach auch für das Publikum erreichbaren, in älteren Versionen bereitgestellten AGBs und Versicherungsbedingungen gesucht – erfolglos!

  2. User007 sagt:

    Huh… wenn ich seh' Eingabe beim BGH Mai '24 und eine Entscheidung erst über ein Jahr später erfolgt, dann lässt sich leicht abstrahieren, warum auch Urteilskonsequenzen mittlerweile fast ohne Wirksamkeit bleiben – unsere bürokratischen Prozesse sind einfach zu ineffizient, daneben sie auch wegen Personalmangel einfach nicht adäquat zeitnah abgearbeitet werden können.
    Und unsere Gerichte sind heillos mit absolut unwichtigen eigtl. selbstverständlichen Vorgängen, oftmals aus dem Drang in falsch verstandenem Liberalismus nur seinen exklusiv-gedachten Individualanspruch durchsetzen zu müssen, zugemüllt.
    System Error…

  3. mw sagt:

    D. h., wer einen solchen Vertrag abgeschlossen hat, für den gelten keine AGB, sondern nur die gesetzliche Regelung im BGB? Das ist doch super.

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