
Immer mehr Firmen, der Handel oder Dienstleister fordern von ihren Kunden die Verwendung einer App oder bieten solche Apps an. Das wirft natürlich Fragen zur Praktikabilität, aber auch zur Datensicherheit auf.
Beispiel: App-Wahn im Handel
Es dürfte den meisten Lesern und Leserinnen bekannt sein, im Lebensmittelhandel kommt man kaum mehr um Apps zum Wahrnehmen von Einkaufsvorteilen herum. Was früher die Payback-Karte war, ist heute die Einkaufs-App bei Edeka, Lidl & Co. Selbst der Bio-Händler Denns hat die Tage informiert, dass man ab Februar 2026 auf die App umsteigt.
Mitte Oktober 2025 hatte n-tv bereits den Artikel Kunden-Apps auf dem Vormarsch – mehr Komfort oder Kontrolle? veröffentlicht, und auf die Bandbreite der Möglichkeiten und Risiken hingewiesen. Immer mehr Unternehmen setzen die Verwendung einer App voraus, um das Angebot nutzen zu können. Die Möglichkeit zur Verwendung einer Webseite wird zurückgefahren oder gänzlich eingestellt.
Die Unternehmen argumentierten, dass es ihnen um eine verbesserte Kundenerfahrung gehe und darum, exklusive Angebote, Treueprogramme oder andere Vorteile platzieren zu können. n-tv zitiert Maximilian Heitkämper, Fachbereichsleiter Digitales und Verbraucherrecht bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz: "Teilweise können hierin starke Vorteile für Nutzer liegen, es drohen aber auch nicht unerhebliche Nachteile".
Heitkämper befürchtet gesteigerte Kontrollmöglichkeiten, etwa durch die Dokumentation von Vorgängen, bis hin zur Überwachung der Nutzer über die jeweilige App. Wichtig sei es zudem, etwa Angebotspreise aus einer App unabhängig mit Angeboten im Netz zu vergleichen, um nicht "Opfer personalisierter Preisgestaltung" zu werden.
Das ist ein Aspekt der Geschichte. Ich sehe es aus praktischen Erwägungen heraus auch kritisch. Wenn ich auf einem Mobilgerät 40-50 Apps benötige, um die digitalen Angebote zu nutzen, läuft etwas kräftig schief. Denn die Apps sind oft reine Kapselungen von Webseiten und man könnte das genau so gut per Browser abwickeln – wenn es denn schon digital sein muss.
Und dass der normale Kunde beim Wechsel oder Verlust seines Geräts die Apps samt Zugangsdaten im Griff hat, kann ich mir auch nicht vorstellen. Hinzu kommt die Gefahr von Datenabflüssen und Tracking. Da wird ein riesiges Problem heran gezüchtet.
Datenabflüsse bei Dating-Apps untersucht
Bereits vor einigen Monaten hatte mich Surfshark über deren aktuelle Studie zu Dating-Apps informiert. Man hatte die Apps unter die Lupe genommen und zeigt, wie viele und welche Arten von Nutzerdaten sie sammeln. Die wichtigsten Erkenntnisse auf einen Blick:
- Die datenhungrigste App ist Grindr, die 24 verschiedene Datentypen erhebt (bei maximal möglichen 35), gefolgt von Bumble (22) und Plenty of Fish (18).
- Alle analysierten Dating-Apps sammeln sensible Informationen – darunter ethnische Herkunft, sexuelle Orientierung, Informationen zu Schwangerschaft oder Geburt, Behinderungsstatus, religiöse und weltanschauliche Überzeugungen, politische Ansichten sowie genetische und biometrische Daten.
- Die gesammelten Daten können an Datenhändler weiterverkauft werden – was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie auf unerwartete (und mitunter fragwürdige) Weise von Dritten genutzt werden.
- Cybersicherheitsexperten raten dringend davon ab, private und besonders persönliche Informationen in Dating-Apps preiszugeben – es sei denn, es ist wirklich notwendig.
- Auch bei Dating-Apps kann es zu Datenpannen kommen.
Noch während die Forscher an der Analyse arbeiteten, meldeten Medien, dass möglicherweise die Headero-App ein Datenleck hatte. In solchen Fällen können persönliche Informationen leicht missbraucht und gegen die betroffenen Nutzer verwendet werden.
Das Fazit: Dating-Apps: Sie wissen (viel) zu viel über ihre Nutzer – Hautfarbe, Körpergröße, sexuelle Vorlieben – die Datensammelei explodiert – und niemand liest das Kleingedruckte. Die Studie von Surfshark zeigt, dass Dating-Apps zu den digitalen Plattformen gehören, die am tiefsten in die Privatsphäre der Nutzer eingreifen, wenn es um persönliche Daten geht.
In Deutschland, wo jede fünfte Person Dating-Apps nutzt, wirft dieser Trend große Fragen hinsichtlich Datenschutz, aber auch Ethik und möglicher gesellschaftlicher Vorurteile auf.
„Wir beobachten eine zunehmend detaillierte Datenerfassung, die häufig mit dem besseren Nutzererlebnis begründet wird. Tatsächlich können solche sensiblen Informationen jedoch algorithmische Voreingenommenheit verstärken – und im Fall eines Datenlecks offengelegt werden. Vielen Nutzern ist gar nicht bewusst, in welchem Umfang sie persönliche Daten teilen", warnt Miguel Fornés, Cybersicherheitsexperte bei Surfshark.
Von Liebe zu Daten: hyperdetaillierte Nutzerprofile
Laut einer Studie von Surfshark sammeln einige Dating-Apps bis zu 24 verschiedene Arten (35 ist das Maximum) personenbezogener Daten pro Nutzer:
- Grindr, Bumble und Tinder führen die Liste an – mit massiver Datenerfassung, von sexuellem Verhalten bis hin zur kontinuierlichen Standortverfolgung.
- Apps wie Pure oder Feeld verfolgen hingegen einen deutlich zurückhaltenderen Ansatz.
Doch der Trend beschleunigt sich: körperliche Vorlieben, Filter nach Kleidungsstil oder Hautfarbe, immer mehr Personalisierung… Wie weit ist zu weit?
Datensammlung im Namen des „besseren Matchings"
Diese Datenpunkte werden meist damit beworben, die algorithmische Kompatibilität zu verbessern. Doch sie werfen ernste Fragen auf:
- Wer kontrolliert eigentlich diese Vorlieben?
- Könnten diese Daten Vorurteile oder Diskriminierung verstärken?
- Und vor allem: Wo endet Personalisierung – und wo beginnt Profiling?
Eine Frage der Privatsphäre… aber auch der Ethik
Während die DSGVO in Europa den Umgang mit Daten regelt, gelingt es vielen Apps dennoch nicht, klar darzulegen, wie die gesammelten Daten verwendet werden. Die neue Einführung von Feldern wie Körpergröße oder Hautfarbe ist bedenklich:
Sollte Dating wirklich wie eine Produktsuche im Onlineshop funktionieren?
Wichtig zu wissen: Die Nutzer lesen nicht und weiteres
Surfshark bestätigt die "Vorurteile", die wohl so mancher hegt und auch bei sich selbst beobachtet.
- Die Mehrheit der Nutzer liest Datenschutzrichtlinien nie.
- Gesammelte Daten können an Werbepartner verkauft werden.
- Im Falle eines Datenlecks könnten äußerst sensible Informationen offengelegt werden.
Bei der App Headero gab es ein mögliches Datenleck (siehe): Rund 352.000 Nutzerdatensätze, mehr als 3 Millionen Chatverläufe und über 1 Million Chatraum-Aufzeichnungen wurden öffentlich. Das ist eine große Zahl, wenn man bedenkt, dass die App nur 100.000 Downloads im Play Store hat.
Wie man die Datenerfassung bei Dating-Apps einschränkt
- Überprüfe, welche Berechtigungen die App verlangt (Mikrofon, kontinuierlicher Standort, Kontakte …).
- Verwende eine separate E-Mail-Adresse für Dating-Konten.
- Nutze ein VPN, um deine Anonymität zu erhöhen und deinen tatsächlichen Standort zu verschleiern.
- Lies die Datenschutzrichtlinie – zumindest die Abschnitte zur Weitergabe an Dritte.
- Vermeide es, zu sensible Informationen zu teilen (Einkommen, politische Ansichten, detaillierte sexuelle Vorlieben …).
Surfshark schreibt dazu: Ein gutes Match beginnt mit dem Schutz der Privatsphäre. Besser wäre es, erst gar nicht auf solche Apps zu setzen – was aber eher lebensfremd ist, da diese allgegenwärtig sind.



MVP: 2013 – 2016




So eine Untersuchung gab es dieses Jahr von Surfshark auch bzgl. Shopping-Apps in Deutschland.
Am sammelwütigsten war da die App von Amazon, gefolgt von der Ebay-App.
Von 35 Datentypen sammelt die Amazon-App 25, Ebay 21, Kleinanzeigen 19, Temu und Kaufland 17, Lidl 12.
Bei Nutzung der Apps ist der Rabatt beim Einkauf der Preis, für den man seine Daten verschachert.
Rabattmarken, wie es sie früher gab, waren noch völlig anonym.
+ Guter Artikel, ich steuere zwei verwandte Links bei: (1), (2).
Die Forderung "Ein Recht auf eine analoge Alternative – gegen Digitalzwang" ist voll zu unterstützen. Allerdings hat die Argumentation "Ausschließlich digitale Angebote können einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot und gegen Diskriminierungsverbote darstellen." etwas arg Bemühtes und rühend Naives an sich. Im übrigen glaube ich nicht, dass eine solche Herleitung im Volk verfängt und Anhänger findet. Da sind die meisten wahrscheinlich noch stinkensauer, weil es wegen Diskriminierungsverbot keine Zigeunerschnitzel an rassiger Zigeunersosse mehr gibt.
+ Betr. "Immer mehr Firmen, der Handel oder Dienstleister fordern von ihren Kunden die Verwendung einer App oder bieten solche Apps an.":
Frei nach Bärbel Bas: Hiermit ist besonders deutlich geworden, gegen wen wir eigentlich gemeinsam kämpfen müssen.
–
(1) https://rsw.beck.de/zeitschriften/nvwz/editorial/2024/12/13/ein-recht-auf-eine-analoge-alternative—gegen-digitalzwang
(2) https://netzpolitik.org/2024/digitalzwang-es-gibt-ein-recht-auf-eine-analoge-alternative/
Nicht zu vergessen, dass Data Broker und Werbeanbieter auch Daten aus verschiedenen Apps und anderen Quellen über Geräte-IDs, Werbe-IDs, E-Mail-Adressen und ähnliches zusammenführen, um Gesamt-Profile zu bilden.
Mit den Apps wird eindeutig Profiling betrieben, abseits Werbeblocker & co, um diese mittlerweile "lästige" Hürde zu umgehen.
Bin auch absolut gegen den App Wahn, eine Art von kurzer Leine.
Digitalisierung darf kein Zwang sein, da lässt die "Auswertungs"industrie grüßen.
Die Apps führen die Menschen langsam aber stetig zur alternativlosen persönlichen digitalen ID in allen realen Lebensbereichen inkl. digitalem Euro hin.
Mittelfristig kein Einlass mehr in Supermärkte, Bahn, ÖPNV, Kultureinrichtungen, Behörden usw. ohne App Scan.
oh jeh, du hast nicht Android 14 sondern nur Android 8?
Pech gehabt, dann muss du jetzt 30% mehr zahlen?
Warum? Technische Gründe – ist halt so!
Wir diskriminieren doch nicht unsere Kunden.
Immer diese bösen Unterstellungen.
Hier wird niemand diskriminiert – bitte gehen Sie schnell weiter, es gibt hier nichts zu sehen.
Und die Politik wird hier ausser falls gerade Wahlkampf ist mit "irgendwas mit Verantwortung fordern" rein gar nichts tun. Der App-Zwang spielt ihr anderweitig gut in die Karten.
Keine einzige App auf dem Gerät. Ich verzichte wohlwollend auf mögliches eintgegenkommen irgend eines Händlers. Es geht rundweg niemanden an, was ich kaufe. Ebenso zahle ich bar, weil es auch hier niemanden etwas angeht, was ich kaufe. Sicher, damit kommt man nicht 100%ig durchs Leben. Aber es funktioniert so gut wie möglich.