Es ist ein Trend: In den Städten schießen Angebote für Leihfahrräder wie Pilze aus dem Boden. In München ist oBike ganz vorne dabei. Was erst einen coolen Anschein hatte, sorgt nun für reichlich Ärger. Häufig stehen asiatische Anbieter dahinter – und dort geht es um die Sammlung von persönlichen Daten, die dann weiter verkauft werden. Im Sinne von 'Blick über den Schüsselrand' mal ein kleiner Ausblick auf das Thema, wo Datenschutz und Wirtschaftsinteressen ganz heftig kollidieren.
Anzeige
Es war nur ein kurze Radiomeldung in dieser Woche, die meine Aufmerksamkeit weckte: Leihfahrräder boomen in deutschen Städten. Mit dabei: Chinesische Anbieter und ein Verweis, dass Benutzerdaten wohl die Währung seien, mit denen das Geschäftsmodell getragen wird. Der Hessische Rundfunk hat eine Anbieterübersicht für Hessen veröffentlicht. Hat mich neugierig gemacht und ich habe mal ein wenig recherchiert.
Boomendes Geschäft in China und Singapur
In China haben diverse Startups ein Geschäftsmodell auf den Verleih von Fahrrädern in größeren Städten aufgezogen und das Geschäft scheint zu boomen. Es gibt oBike aus Singapur, Ohbike, eine Tochterfirma von Yobike aus Shanghai, Mobike aus Peking, und GoBeeBike aus Hongkong. Mobike und Ofo, die von Alibaba und Xiaomi unterstützt werden, scheinen den Markt zu dominieren.
Allerdings erreicht das Ganze schon chaotische Züge, weil die chinesischen Fahrradfahrer wohl recht chaotisch sind, wie man hier nachlesen kann. Erste Firmen wie Wukong Bikes gingen bereits Pleite, nachdem diese binnen 5 Monaten 90% ihrer Fahrräder durch die Nutzer verloren (nicht mehr auffindbar oder gestohlen) haben (siehe).
Das Ausleihen geht über eine Smartphone-App, wie man in diesem Artikel auch nachlesen kann. Mit im Pack: Datensammeln, bis es quietscht – die chinesischen Nutzer werden komplett überwacht. Dieser Artikel thematisiert, was man mit solchen Daten alles machen kann.
Anzeige
Sprung nach Übersee – Abfuhr in der Schweiz
Seit Anfang 2017 sind diese Startups auf dem Sprung nach Übersee, um dort ihre Geschäftsmodell zu etablieren. Der britische Guardian hat einen Artikel über das Thema, bezogen auf Großbritannien veröffentlicht. Ein ähnlicher Artikel findet sich in der Washington Post, wobei dort bereits anklingt, dass das nicht wirklich überall auf Begeisterung stößt. Quarz schreibt hier, dass das 'chinesische Geschäftsmodell', welches in Asien boomt, im Westen deutliche Bremsspuren zeige.
In Zürich scheint der Unmut über das Startup oBike ziemlich eskaliert zu sein. Die Leute sind, laut diesem Artikel, ziemlich genervt, weil überall die gelben Fahrräder stehen und kein Platz für eigene Räder vorhanden sei. In London droht die Polizei damit, die Bikes abtransportieren zu lassen und in Taiwan geht man wohl auch recht rigoros damit um. Im oben erwähnten Rundfunk-Beitrag hieß es, dass die Polizei in manchen Kommunen tausende Fahrräder konfisziert und verschrottet habe.
Wie ich zwischen den Zeilen in manchen Berichten herausgelesen habe, setzen die China-Anbieter auch auf Masse statt Klasse. Die Räder sind ohne Gangschaltung und sehr billig gefertigt. Entsprechend kurzlebig sind die Gefährte.
Auf MUCBOOK gibt es einen ausführlichen Beitrag zu oBikes aus Singapur. Das Startup oBike wurde erst in 2017 gegründet. Seit August 2017 finden sich oBikes auch in München, wobei ursprünglich nur wenige Räder (350 Mieträder) vorhanden waren, aber schon für Ärger sorgten. Und oBikes will viel, viel mehr Räder in deutschen Städten und natürlich in München aufstellen. Die Süddeutsche Zeitung schreibt im September im Beitrag Obikes in München: Imageschaden im Eiltempo, dass bereits 7.000 Leihräder in München zu finden wären.
Und es gibt mächtig Ärger um diese Fahrräder. In der Schweiz wurden die Räder der Firma konfisziert. Ein Grund: Die Räder halten nur kurz und sind dann Schrott, der in den Städten wild abgestellt vor sich hin gammelt. Laut dem Artikel der Süddeutschen Zeitschrift liegen manche Räder inzwischen auch in München in Gebüschen oder in Parkanlagen herum. Auf Twitter gibt es quasi schon so etwas wie einen Shit Storm über #oBikes. Hier ein Tweet mit Fotos.
#Obike – Stapel am Englischen Garten in #Muenchen. Leihradüberversorgung in der #Radlhauptstadt? pic.twitter.com/hbMTMB7vo9
— Anton Rauch (@AntonRauch) 7. September 2017
Dieser Tweet bringt es auf den Punkt. Von Rad-Müll in deutschen Großstädten ist auf Twitter die Rede und ein Boulevard titelt …-Verhör mit dem Mann, der ganz München rädert.
Juristische Lücke
Der Grund: Das ganze System ist chaotisch – die Chinesen nutzen eine juristische Lücke. Wird eine Sammelstelle für solche Leihfahrräder erstellt, benötigt dies eine Genehmigung der Stadt. Als in Hamburg das Mieträdersystem ausgeschrieben wurde und die Bahn gewann, stellte der Konkurrent Nextbike einfach Räder auf. Als die Bahn dagegen klagte, verlor sie den Prozess. Seit dem gibt es ein Urteil, dass das Aufstellen der Räder auf öffentlichen Plätzen und an öffentlichen Orten ermöglicht, solange diese Gefährte nicht als Werbeflächen genutzt werden und die Räder keine Hindernisse darstellen.
Datenkrake Leihfahrrad
Kommen wir auf den heikelsten Punkt zu sprechen. Die Leihfahrräder haben keine festen Stationen für Ausleihe und Rückgabe. Sie sind mit GPS ausgestattet und das Buchen erfolgt in der Regel per App, die auch das Rad entsperrt.
Und die App zeichnet alles auf, vom Benutzer über die Nutzungszeit bis hin zur gefahrenen Strecke. Der Radfahrer wird quasi gläsern – was in China kein Thema sein dürfte, wird in Deutschland zum Problem. Die Süddeutsche Zeitung zitiert hier zwar den, seit ein paar Wochen angeheuerten oBike-Vertreter, dass der Datenschutz gewährleistet sei.
Die Bewegungsprofile der Nutzer würden zwar aufgezeichnet und gespeichert, dies geschehe aber anonym. Und man habe nicht vor, die Daten weiterzugeben.
Bei Wikipedia liest sich das schon anders – scheint die Daten aus zu vermarkten. Und hier liest man, dass der Stadt München von einer oBike-Vertreterin Kundendaten angeboten wurden. Zitat: "Diese könnten aufzeigen, wo neue Radwege nötig sind."
Bei der Frankfurter Rundschau findet sich dieses Interview mit dem Geschäftsführer der Leipziger Firma Nextbike (oben erwähnt). Dort wird gibt der Geschäftsführer zu Protokoll, dass keine Daten verkauft würden und man als Daten nur Name, Telefonnummer und Bankverbindung erfasse. Wird ein Rad ausgeliehen, erfährt die Firma, wo die Fahrt startet, wo das Rad abgestellt wird und wie lange die Fahrt dauerte. Routen würden keine erfasst – obwohl das technisch möglich sei. Nachprüfbar ist das wohl alles nicht.
Und die ARD hat in im Tagesschau-Beitrag Datenkrake auf zwei Rädern das Thema bzw. den Kern aufgegriffen: In China boomt das Geschäft und dort werden die Räder teilweise kostenlos bereitgestellt. Das Anmieten erfolgt über eine App, bei deren Nutzung man quasi die Geschäftsbedingungen des Anbieters absegnet. Und in China basiert das Geschäftsmodell auf der Erfassung, der Auswertung und dem Verkauf der betreffenden Kundendaten. Dass man sich viel davon verspricht, zeigt der Umstand, dass die Startups im Hintergrund durch finanzstarke Investoren wie Alibaba oder Xiaomi mit hunderte von Millionen Euro an Venture-Kapital gefüttert werden. Da braucht es wenig Phantasie, um sich vorzustellen, wie dies in Deutschland laufen dürfte.
Nachtrag: Als hätte ich es nicht geahnt – der Artikel hat gerade zwei Wochen gehalten – und nun ist ein riesiges Datenleak bei oBike bekannt geworden. Ich habe es im Beitrag oBike-Nutzerdaten per Social Media abrufbar thematisiert.
Anzeige
Bin gerade in Singapur und ja das mit den Leihfahrrädern hier ist so eine Sache. Ich sehe defekte Räder am Straßenrand und beliebig, kreuz und quer abgestellte. Es gibt sogar mittlerweile gekennzeichnete Flächen zum abstellen. Vereinzelt stehen dort sogar Leihräder. Mit dem Einsammeln scheint das in Deutschland, zumindest bei den DB Rädern besser organisiert zu sein. Eigentlich wollte die Stadtverwaltung Singapur Räder organisierter anbieten, die Konkurrenz war allerdings schneller, so hat sie es erstmal gelassen.
Das Problem hier ist eher das viele nicht richtig Fahrrad können und es kaum Radwege gibt. Daher fahren die meisten, oft recht selbstherrlich, auf den gleichen Wegen die auch die Fußgänger benutzen. Ja, Bürgersteige und Fußwege wie in DE gibt es hier auch, meistens sind es aber die Betondecken der Regenwasserkanäle (und die braucht man hier in groß). Das die eBikes und eRoller (Trettroller mit bis zu 3 Sitzen) und eRollstühlen auf den gleichen Wegen, mit bis zu 25, 30 km/h rum sauen macht das ganze zu einem interessanten Geschehen.
So nun ist es Raus Obike hatte ein massiven Datenleck so waren Nutzerdaten aus der ganzen Welt Öffentlich zugänglich Telefonnummer, das Profilfoto sowie die E-Mail-Adresse, da Obike die Daten nicht verschlüsselte oder anderweitig schützte. Selbst Bewegungsprofile ließen sich einsehen, wie der BR in einem Video-Beitrag demonstriert.
https://www.br.de/mediathek/video/datenleck-bei-obike-kundeninfos-offen-im-netz-av:5a203477f23d540018662c0a?t=28s
Und da verwundert es nicht das die Datensammelei uns Bürgern Kopfzerbrechen macht.