DRM-Hack zur Gerätereparatur in den USA bald legal

Es gibt in den USA jetzt wohl eine bahnbrechende Entscheidung der Bundesbehörden. Diese erklären, dass das Hacken eines DRM-Schutzes zur Reparatur von Elektronik-Komponenten durch Besitzer legal ist. Diese neuen Ausnahmeregelungen werden als wichtiger Gewinn für das Recht auf Reparatur gefeiert, geben sie den Verbrauchern einen großen Spielraum für die legale Reparatur der Geräte, die sie besitzen.


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Der Hintergrund

In den USA schlägt das Recht manchmal merkwürdige Kapriolen. Wenn ein Hersteller seine Geräte per DRM schützt, diese dann aber möglicherweise nicht mehr weiter unterstützt, durften Gerätebesitzer diesen DRM-Schutz legal nicht aufheben. Denn in den USA gibt es einen obskuren Aspekt des Urheberrechts, der von großen Herstellern missbraucht wird, um Verbrauchern die Fähigkeit zur Reparatur von Geräten zu nehmen. Im Jahr 2001 wurde Sina Khanifar, eine junge Unternehmerin, von einem Mobiltelefonhersteller verklagt, der sich auf Abschnitt 1201 des DMCA, den Digital Millennium Copyright Act, beruft.

Vereinfacht ausgedrückt, macht es der Abschnitt 1201 des DMCA Leuten unmöglich, vom Hersteller in Produkten eingebaute Sperren ohne Erlaubnis des Herstellers zu "umgehen". Es verlagert die Kontrolle über die Produkte und was mit diesen passiert, von den Eigentümern zum ursprünglichen Hersteller der Geräte. Dieses Gesetz hat wesentlich zur stetigen Erosion der Eigentumsrechte in den USA beigetragen.

So waren diverse Wearables oder IoT-Geräte praktisch Elektronik-Schrott, nachdem Hersteller die Server für Dienste abschalteten, auf die die Geräte angewiesen waren. Mit einem Hack war es oft möglich, die Geräte weiter zu betreiben. Das war bisher aber wohl in den USA nicht legal – die Gerätebesitzer bewegten sich in einer Grauzone, wenn sie die Firmware modifizierten. Ähnliche dürfte imho wohl auch für Intels DRM-Schutz auf Mainboards für Intel ME & Co. gelten – Schwachstellen, die Intel nicht fixt, waren für Hacks tabu. Aber auch in Maschinen (Traktoren), Ersatzteilen mit Elektronik etc. war ein DRM-Schutz eingebaut, um Reparaturen zu verhindern.

In den letzten zwanzig Jahren ist der Abschnitt 1201 des DMCA dafür bekannt geworden, dass er die Freiheit von Sicherheitsforschern, Handy-Recyclern und Landwirten zur Reparatur der eigenen Geräte ausgehebelt hat. Im Moment verklagt General Motors das beliebte Autoteileunternehmen Dorman wegen Urheberrechtsverletzung beim Verkauf von Gebrauchtgetrieben (Aftermarket-Getrieben).

Das Recht auf Petitionen – und die Änderung

Der US-Kongress hat aber eine Option in Abschnitt 1201 des DMCA eingebaut, die es den Bürgern ermöglicht, Ausnahmen von diesem außerordentlich breit gefassten Gesetz per Petition zu beantragen. Genau so eine Petition scheint jetzt umgesetzt zu werden. Motherboard und iFixit berichten von einer Änderung des Rechts auf Reparatur.

Vor sechs Monaten traten Kyle Wiens (iFixit), zusammen mit Robert Miranda, ein 24-jähriger Unternehmer, der eine Xbox- und Smartphone-Reparaturwerkstatt in der Wüstenstadt Barstow, Kalifornien, betreibt, und Matt Zieminski, einer der besseren iPhone Reparaturtechniker der Welt, sowie weiteren Petenten in einem Gerichtssaal an der UCLA auf. Grund war eine Petition, um für die Freiheit des Bastelns und der Reparatur im Hinblick auf Abschnitt 1201 des DMCA, den Digital Millennium Copyright Act, zu werben und auf den Missbrauch durch die Industrie hinzuweisen.

Kyle Wiens war im Namen der iFixit-Community anwesend, um für das Recht auf Reparatur unter Umgehung eines DRM-Schutzes zu kämpfen. Mit dabei, die bereits oben erwähnten Personen Robert und Matt, die Repair.org vertraten. Wiens wurde von Cynthia Replogle, dem Anwalt von iFixit, unterstützt. Anwesend waren auch Cory Doctorow, Kit Walsh und Mitch Stoltz von der Electronic Frontier Foundation, sowie Jay 'Saurik' Freeman (Cydia iPhone Jailbreaking). Unterstützung kam auch von Jef Pearlman und seinem Team von Studenten der Stanford's IP Law Clinic. Die Petenten stießen auf Widerstand von einer Vielzahl von Lobbyisten der MPAA, RIAA und der Auto Alliance, um nur einige zu nennen.

Die Petenten wurden an drei Tagen in LA vom Copyright Office befragt (Wiens schreibt 'gegrillt'). Sie wollten Details darüber, wie Basisbandprozessoren von Handys funktionieren, wie sich Telematiksysteme im Automobilbereich von der OBD II-Diagnose unterscheiden, warum man nicht einfach ein neues Blu-ray-Laufwerk in eine Xbox einbauen kann und so weiter. Aber die Verantwortlichen der Anhörung hatten ihre Hausaufgaben gemacht und stellten intelligente Fragen zu einer erstaunlichen Vielfalt von Themen.


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Urteil veröffentlicht, direkt rechtswirksam

Das endgültige Urteil wurde diese Woche, zusammen mit 342 Seiten Hintergrunddetails, veröffentlicht. Die Arbeit der Petenten wurde ausführlich zitiert. Das Copyright Office hat sich wohl die Position der frustrierten Gerätebesitzer zu eigen gemacht, die gekaufte Geräte nicht legal reparieren konnten. In der Einleitung zum Urteil findet sich das Zitat: "[i]das t ist mein eigenes verdammtes Auto, ich habe dafür bezahlt, ich sollte es reparieren können oder die Person meiner Wahl sollte es für mich tun."

Im Gegensatz zu früheren Urteilen tritt diese sofort in Kraft, konkret, ab dem heutigen Sonntag, den 28. Oktober 2018. Unter der neuen Rechtsprechung sind folgende Hacks legal:

  • Schrauber können nun Alexa-basierte Hardware und andere ähnliche Geräte, die als Sprachassistenzgeräte bezeichnet werden, entsperren.
  • Shops dürfen neue Telefone freischalten, nicht nur gebrauchte. Dies ist wichtig für Recycler, die ungeöffnete Verbraucherrückgaben erhalten.
  • Es gibt eine allgemeine Ausnahmeregelung für die Reparatur von Smartphones, Haushaltsgeräten oder Haushaltssystemen.Das bedeutet, dass es endlich legal ist, die Revolv Smart Home Hubs, die Google durch das Abschalten der Server gebrickt hat, zu rooten und zu reparieren. Das gilt so ziemlich jedes andere Heimgerät. Auch die Reparatur von Apple-Geräten, die durch bestimmte Chips geschützt sind, könnte nun möglich werden.
  • Die Reparatur von motorisierten Landfahrzeugen (einschließlich Traktoren) durch Modifikation der Software ist nun legal. Dazu gehört vor allem der Zugang zu telematischen Diagnosedaten, was ein wesentlicher Streitpunkt war.
  • Es ist nun legal, dass Dritte im Auftrag des Eigentümers Reparaturen durchführen.

Gerade der letzte Punkt scheint von großer Bedeutung für die amerikanische Wirtschaft, wo die Reparaturarbeitsplätze 3% der Gesamtbeschäftigung ausmachen, auszumachen. Was wohl in den Ausnahmen unberücksichtigt blieb:

  • Die Petition für Reparaturen an Spielkonsolen wurde abgelehnt. Das bedeutet, dass Reparaturen an PS4 und Xbox One Systemen teuer bleiben werden.
  • Produkte, die keine "Smartphones, Haushaltsgeräte oder Haushaltssysteme" oder "motorisierte Landfahrzeuge" sind, sind ausgeschlossen. So haben Boots- und Flugzeugbesitzer immer noch Pech.
  • Ein Freistellungsantrag von Bunnie Huang und der EFF auf Umgehung von HDCP, dem Kopierschutz auf HDMI zum Zwecke der Erweiterung des TV-Ökosystems, wurde abgelehnt.

Die Leute von iFixit haben daher auch weiterhin Schwierigkeiten, Reparaturoptionen für optische Laufwerke von Xbox und Playstation zur Verfügung zu stellen, da diese werkseitig kryptographisch programmiert sind. Die angefragte Möglichkeit, ein Ersatzlaufwerk mit einer bestehenden Konsole zu koppeln wurde vom Copyright Office abgelehnt. Dieses erklärte, dass "in vielen Fällen die Reparaturdienste der Hersteller weit verbreitet und angemessen sein werden".

Stilblüten der Anhörung

Kyle Wiens hat noch eine Skurrilität veröffentlicht, die zeigt, wie die Hersteller in den USA lobbyieren. Ein wichtiger Diskussionspunkt bei der Anhörung war, ob die Erlaubnis, Autos und Traktoren zu reparieren, es den Besitzern erlauben würde, Musik und Filme mit den Entertainment-Systemen des Fahrzeugs zu kopieren. In einer Eingabe aus dem Jahr 2015 spekulierte John Deere, dass Bauern Taylor Swift-Musik mit ihren Geräten raubkopieren könnten. Glücklicherweise hat das Copyright Office dieses Argument durchdacht und folgendes gesagt:

Die meisten Bedenken der Gegner beziehen sich zwar auf den Zugang zu Entertainment-Systemen für Fahrzeuge und zugehörige Abonnementdienste, nicht aber auf die Reparatur funktionellerer Software, die zur Erleichterung des Fahrzeugbetriebs installiert wurde, was möglicherweise die Umgehung von TPMs erfordert, die übrigens Entertainment-Systeme schützen.

Es scheint also nicht als großes Problem gesehen worden zu sein, dass Landwirte und Autobesitzer ihre gehackten Fahrzeuge als Raubkopieranstalten für Taylor Swift-Musik missbrauchen. Mal schauen, wie sich das auf die Hersteller auswirkt, wenn auf einem großen Markt der DRM-Schutz gesetzlich in bestimmten Bereichen nicht mehr wirkt.

Ergänzung: Der Beitrag wurde auf Vorrat als 'Sonntagsthema' erstellt. Nach dem Verfassen bin ich auf diesen ergänzenden heise.de-Artikel gestoßen.


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