Google Fonts-Massenabmahnungen in Österreich: Klägerin verzichtet auf (nicht beweisbare) Forderungen

ParagraphKleiner Nachtrag zum Thema Massenabmahnungen von Webseitenbetreibern, die Google Fonts verwendeten. Eine Klägerin, die Zehntausende Webseitenbetreiber mit einem Anwalt mit Massenabmahnungen überzogen hatte, musste jetzt vor einem Gericht in Österreich auf alle Forderungen verzichten und die Kosten des Verfahrens tragen. Die Forderungen der Klägerin erwiesen sich als nicht beweisbar, das Urteil dürfte in Österreich solche Klagen nun schwieriger machen.


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Worum geht es genau?

Das Thema "Abmahnungen wegen Verwendung von Google Fonts" beschäftigt uns ja hier im Blog seit vielen Monaten. Findige Anwälte glaubten in einem Urteil des Landgerichts München von Anfang 2022 eine "Lizenz zum Geld drucken" gefunden zu haben. Im Januar 2022 erging vom Landgericht München ein Urteil, dass die Einbindung von Google Fonts von den Google-Servern ohne spezielle Einwilligung des Nutzers als unzulässig ansah und dem Kläger einen "Schadensersatz" von 100 Euro zusprach. Das rief einige "Abmahnritter" aus der Zunft der Rechtsanwälte in Deutschland und Österreich auf den Plan.

Diese wollen sich auf Basis dieses Urteils bei Webseitenbetreibern, die unaufmerksam waren und Google Fonts aus dem Web von Google eingebunden hatten, schadlos halten. Dazu wurden Webseiten automatisiert gescannt und dann Massenabmahnungen an die Webseitenbetreiber mit einer Schadensersatzforderung in niedriger dreistelliger Höhe versandt. Ich hatte die Details im Blog-Beitrag Wissen: Google Fonts auf Webseiten, Abmahnung, Prüfung-Fallen aufbereitet und den weitere Verlauf in Blog_Beiträgen begleitet (siehe Links am Artikelende).

Im August und später im Oktober 2022 kam es zu regelrechten Abmahnwellen in Sachen Google Fonts durch den Berliner Anwalt Kilian Lenard. Dieser handelte laut den jeweiligen Schreiben im Auftrag von Martin Ismail und der IG Datenschutz (siehe auch diesen Artikel der Rechtsanwälte Loschelder Leisenberg). Auch in Österreich gab es eine regelrechte Abmahnwelle durch einen Anwalt, der im Auftrag einer Mandantin tätig wurde. In Deutschland gab es dann im ersten Schritt eine Einstweilige Verfügung gegen Google Font-Abmahner vom LG Baden-Baden, erstritten von einem Rechtsanwalt für einen Mandanten. Und es kam zu Razzien bei einem Anwalt und weiteren Beteiligten in Deutschland (siehe Neues zu Google Fonts-Abmahnungen: Razzia bei Berliner Abmahnanwalt).

Und es gab eine negative Feststellungsklage vor dem Landgericht München I (Az. 4 O13063/22) gegen eine von Martin Ismail verschickte Abmahnung, der stattgegeben wurde. Auch in Österreich gab es Versuche eines Anwalts und einer Privatperson (Eva Z.), mit einer Google Fonts-Datenschutzverletzung Kasse zu machen, die dann aber nach hinten los gingen. Gegen den niederösterreichischen Rechtsanwalt Marcus Hohenecker hatte ein Rechtsanwalt Klage wegen Missbrauchs eingereicht. Der Abmahnanwalt räumte laut Salzburger Nachrichten vor Gericht 32.000 Abmahnbriefe ein, und muss sich deswegen vor Gericht verantworten. Ich hatte im Blog-Beitrag Google Fonts: Abmahnern geht es an den Kragen, Stand in Deutschland und Österreich diese Sachverhalte nachgezeichnet.


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Klägerin verzichtet auf Forderungen

Der Sachstand in Österreich bezüglich der Klage ist mir derzeit unbekannt – ich habe e nicht mehr verfolgt. Aber es gibt Neuerungen bezüglich einer Privatperson, in deren Namen der Anwalt Schadensersatz von 32.000 Webseitenbetreibern wollte. Ein Blog-Leser wies in diesem Kommentar auf die neueste Entwicklung in Österreich hin, die von Die Presse in diesem Beitrag aufgegriffen wurde.  

In einem Prozess vor dem Bezirksgericht Favoriten wurden die Schadensersatzforderung der Privatperson gegen 33.000 Webseitenbetreiber, die angeblich Google Fonts von Google-Servern eingebunden hatten, verhandelt. Im Rahmen dieser Verhandlung stellte sich heraus, dass die Webseiten automatisiert auf Google-Fonts-Verwendung gescannt worden waren. Die Klägerin konnte aber nicht beweisen, dass ihre IP-Adresse an Google in die USA  übertragen wurde. Die Klägerin konnte auch keinen Schaden nachweisen, der ihr durch die Verwendung von Google-Fonts auf den Webseiten entstanden wäre.

Raphael Toman von der Kanzlei Brandl Talos hat zum 5. September 2023 im Beitrag Abmahnwelle wegen Google Fonts: BRANDL TALOS bringt Musterklage ein und gibt Betroffenen Rat die neueste Entwicklung kommentiert. Offenbar hat die Kanzlei einen Musterprozess gegen die Klägerin gewonnen, denn der Rechtsanwalt schreibt: "Die Beklagte hat nicht belegt, dass ihre IP-Adresse tatsächlich an Google übertragen wurde. Eine Übertragung ist somit nicht nachweislich eingetreten."

Er führt aus, dass die Klägerin im Rahmen des Verfahrens vor dem Bezirksgericht Favoriten den behaupteten Datenschutzverstoß nicht nachweisen konnte. Weder sei der Klägerin der Nachweis gelungen, dass die Datenweitergabe in die USA überhaupt passiert ist. Noch habe sie nachweisen können, worin ihr Schaden konkret liegen sollte. Die Aussagen der Klägerin seien dabei diffus geblieben und hätten sich auf einen angeblichen "Kontrollverlust" beschränkt.

Die Befragung des zuständigen Mitarbeiters des Mobilfunkdienstleisters ergab im Prozess die Erkenntnis, dass es nicht einmal diesem selbst möglich ist, herauszufinden, an wen die IP-Adresse der Klägerin weitergegeben wurde. Auch in dieser Meldung wird der automatisierte Abruf Tausender Websites durch ein Programm zwecks Nachweis der Verwendung von Google Fonts erwähnt. Die Klägerin selbst hat die Websiten gar nicht aufgerufen.

Toman argumentiert, dass der Klägerin danach kein Schaden im Sinne der DSGVO entstanden sei. Auch ergäben sich durch ein Unwohlsein und ein Kontrollverlust beim Besuch der Webseite keine Tatsachengrundlage für einen Schaden der Klägerin. Der Rechtsanwalt rät in seiner Stellungnahme Betroffenen keinesfalls zu zahlen.

In dieser Meldung heißt es weiterhin, dass die Klägerin in Anbetracht der klaren Ergebnisse des Beweisverfahrens unmittelbar vor Schluss der mündlichen Verhandlung auf alle Ansprüche verzichtet. Das Gericht stellte darauf hin fest, dass die Klägerin (und deren Abmahnanwalt) im Prozess unterlegen seien. Die Klägerin muss nun die Verfahrenskosten bezahlen. Dem Versuch der Klientin, die Schutzbestimmungen der DSGVO für ihren finanziellen Vorteil zu nutzen, sei damit ein Riegel vorgeschoben worden, schließt Rechtsanwalt Toman. Ich hatte ja bereits hier im Blog im Beitrag EuGH-Urteil vom 4. Mai 2023 zu Datenschutzverstößen: Schadensersatz möglich auf den Sachverhalt hingewiesen, dass Schadensersatzanspruche wegen DSGVO-Verstößen an einen belegbaren Schaden für den Betroffenen gekoppelt seien. Das hätte die Rechtsprechung in Österreich ebenfalls im Sinne des aktuellen Verfahrens beeinflusst.

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9 Antworten zu Google Fonts-Massenabmahnungen in Österreich: Klägerin verzichtet auf (nicht beweisbare) Forderungen

  1. Charlie sagt:

    Wie sollte sie denn die Übertragung der IP-Adresse an Google beweisen können?

    • Anonymous sagt:

      Browser Console – Netzwerk Tab – URL Google Server

      • Fritz sagt:

        Wenn Du vorher auf einer anderen Seite mit dem gleichen Font warst, wird die URL als identisch bewertet und der Font kommt aus Deinem Browser-Cache – ohne daß für die zweite Seite ein protokollierbarer Zugriff zu Google passiert. Das ist ja genau der Punkt des Gerichts: Es KANN sein, MUSS aber nicht, damit ist es nicht beweisbar sondern nur mutmaßlich.

        • Anonymous sagt:

          Browser Console Netzwerk Tab zeigt sehr klar beweisbar, ob die Antwort aus dem Browser Cache kommt oder nicht. Ein solcher Nachweis wurde mutmaßlich nur nicht vorgelegt.

    • Fritz sagt:

      Die fraglichen Fonts werden oft nicht von Googles eigenen Servern, sondern weltweit verteilten zwischengeschalteten Content-Delivery-Netzwerken wie z.B. Akamai geladen.

      Auch sind oft transparente Proxies und andere Caching-Mechanismen dazwischen geschaltet, die diese Ressourcen dann lokal vorhalten (gerade im Mobilfunkbereich, um Datenvolumen zu sparen), so daß kein von Google protokollierbarer Zugriff mehr stattfindet.

      Damit hat dieses Urteil eine neue Qualität. Bisher wurde oft nur die Abmahnung selbst (standardisierte Massendrucksachen ohne Beleg dafür, daß die behaupteten Kosten dem Anwalt oder dem als Strohmann vorgeschobenen Mitbewerber in dieser Form tatsächlich entstanden sind) angegriffen.

      Hier stellt das Gericht dagegen ausdrücklich die bisher meist unbestrittene DSGVO-Verletzung selbst (die Möglichkeit, daß Daten zu Google abfließen ohne daß der Nutzer zugestimmt hat) in Frage.

      • Anonymous sagt:

        Hier wird die IP Adresse dann eben zu CDNs usw. übermittelt und dort mutmaßlich ausgewertet. Das Problem ist exakt das gleiche, nur statt für Google wurde für andere Dritte nicht zugestimmt.

        • Günter Born sagt:

          Der Punkt, den das Gericht imho berücksichtig hat: Google gibt inzwischen an, dass die Google Fonts in Deutschland bzw. Europa gehostet werden. Schadensersatz ist laut EuGH nur zulässig, wenn ein konkreter Schaden belegt werden kann. Da dürfte es im betreffenden Uteil gescheitert sein – zumal wir von 33.000 Abmahnungen mit Schadensersatzforderungen sprechen, wobei die Webseiten per Bot ermittelt wurden.

  2. Bernd sagt:

    DSGVO AB-Maßnahmen für alle Instanzen ohne nutzen und somit sinnfrei. Hurra.

  3. squat0001 sagt:

    Das Verfahren ist halt ein Zivil Verfahren, hier muss der Kläger beweisen. Was er ohne Hilfe in dem Fall von Google nur schwer kann.

    Zu Beweisen ist ja vorallem ein DSGVO Missbrauch, also selbst wenn die Übermittlung an Google erfolgt wäre/ist, dass die Daten dort ohne Rechtsgrundlage gespeichert werden.

    Einfacher wäre das sicher Google Analytics als Klage Grund gewesen. (Wobei da gibt's ja dann einen Vertrag)

    Vielleicht sollte die ganzen Leute hier.. die ja immer nach DSGVO rufen.. bei Cloud Themen im Allgemeinen, sich Mal das mehr durch den Kopf gehen lassen.

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