Cloud-Rückzug spart 37signals Millionen US Dollar

[English]Die Cloud ist teuer und teilweise unnütz – die Cloud-first-Strategie mancher Anbieter, die Anwender massenhaft auf solche Angebote gelockt hat, führt die in Kostenfalle. Jetzt hat das US-Unternehmen 37signals die Notbremse gezogen, nachdem man pro Jahr 3,2 Millionen US-Dollar für Cloud-Dienste bezahlen muss. Im Januar 2023 kam die Meldung zum Rückzug aus der Cloud. Jetzt las ich die Meldung, dass das Unternehmen mit dem Umzug in ein eigenes Rechenzentrum per Jahr wohl um die 1 Million US-Dollar spart, weil die Rechnung für verbleibende Cloud-Leistungen kräftig gesunken ist. Allerdings lassen sich die Zahlen nicht 1:1 auf jedes Unternehmen übertragen.


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37signals ist ein amerikanisches Websoftwareunternehmen mit Sitz in Chicago, Illinois. Das Unternehmen wurde 1999 von Jason Fried, Carlos Segura und Ernest Kim als Webdesign-Unternehmen gegründet. Seit Mitte 2004 hat sich der Fokus des Unternehmens vom Webdesign auf die Entwicklung von Webanwendungen verlagert. Chief Technology Officer (CTO) ist der Entwickler von Ruby On Rails, David Heinemeier Hansson. Dieser hatte bereits im Januar 2023 in einem Tweet die aus seiner Sicht obskuren Kosten für Cloud-Dienste bemängelt – The Register hatte hier berichtet.

37signals cloud bill

Nun hat David Heinemeier Hansson in diesem Beitrag vom 15. September 2023 weitere Details offen gelegt (ich bin hier drauf gestoßen). Die Firma hat ihre Anwendungen aus der Cloud in ein Rechenzentrum zurück verlagert. Die Cloud-Ausgaben (ohne Amazons Cloud-Speicher S3) sind laut seiner Aussage nun bereits um 60 % gesunken. Von rund 180.000 USD/Monat auf weniger als 80.000 USD. Das sind Einsparungen in Höhe von rund einer Million Dollar pro Jahr. Im September 2023 wird ein ein weiterer großer Rückgang erwartet.

Das Unternehmen musste zwar neue Maschinen im Wert von etwa einer halben Million Dollar kaufen, um alle in der Cloud gemieteten Rechner zu ersetzen. Diese zusätzlichen Servern seien zwar auch noch mit einige anderen Kosten verbunden, aber im Großen und Ganzen seien das nur Peanuts schreibt Hansson. So sei das Betriebsteam des Unternehmens zum Beispiel gleich geblieben, die Personalkosten haben sich also nicht verändert. Für 37signals bedeutet dies, dass die Anschaffung der neuen Server sich in grob sechs Monaten durch die Einsparungen bei den Cloud-Leistungen amortisiert hat.


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Hansson erwartet künftig Einsparungen von etwa 2 Millionen Dollar pro Jahr durch den Rückzug aus der Cloud. Der Hintergrund, warum die Einsparungen nicht sofort nach der Rückverlagerung in obiger Höhe wirksam wurden, ist der Umstand, dass das Unternehmen im Vorfeld versucht hat, die Preise für Cloud-Dienste von "obszön" auf einfach nur "anstößig" zu senken, indem man reservierte Instanzen gebucht hat. Das bedeutet, dass man Cloud-Leistungen für ein Jahr oder länger im Voraus für eine bestimmte Ausgabenhöhe anmeldet. Aus diesem Grund sind die Kosten bei 37signals nach der Verlagerung der Anwendungen nicht sofort komplett zurück gegangen, sondern dieser Posten entfällt wohl erst Ende September. Details zu den Cloud-Ausgaben aus 2022 finden sich in diesem Blog-Beitrag von 37signals.

Der CTO weist aber darauf hin, dass andere Firmen sich ihre Situation genauer anschauen und nachrechnen müssten. Hansson führt beispielsweise an, dass Aurora/RDS oder OpenSearch, die vom Unternehmen gebucht worden waren, sehr teure Dienste seien. Allerdings ist seine Einschätzung, dass der Fall bei 37signals nicht einzigartig sei und viele Firmen Kosten sparen könnten, indem sie Cloud-Leistungen kritisch auf den Prüfstand stellen.

Er schreibt, dass, wenn er sich die nicht optimierten Cloud-Rechnungen anderer Softwareunternehmen anschaue, die Einsparungen bei 37signals im Vergleich zu dem, was möglich sei, eher bescheiden waren. Hansson gibt als Beispiel Snapchat an, die gemäß ihren Börsenmitteilungen in den letzten fünf Jahren drei Milliarden Dollar für die Cloud ausgegeben habe.

Das passt in die Stoßrichtung, die ich im Blog-Beitrag Ist der Cloud-Hype schon wieder vorbei? angerissen hatte, wo unter anderem das Thema Kosten ein Punkt für den Rückzug aus der Cloud war. Weitere Punkte sind Verfügbarkeit, ggf. Sicherheit und Datenschutz. Wenn ich mir so diverse Beiträge hier im Blog diesbezüglich anschaue, ist es klug, wenn Firmen ihre Cloud-Strategie kritisch überprüfen. Es macht sicherlich in manchen Fällen Sinn, Cloud-Dienste zu buchen – aber der "Schweinezyklus: Alles in die Cloud" könnte wohl enden.

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21 Antworten zu Cloud-Rückzug spart 37signals Millionen US Dollar

  1. Chris sagt:

    Zitat :"Weitere Punkte sind Verfügbarkeit, ggf. Sicherheit und Datenschutz. "

    Sicherheit und Datenschutz sind aber nur dann gegeben, wenn man es besser als die Cloud Dienste macht.

    Man kann nur hoffen, dass beim Patchen von Sicherheitslücken aus Kostengründen nicht wieder geschlampt wird.

  2. R.S. sagt:

    Die Sicherheit ist tendenziell schon deshalb besser, weil man weniger im Fokus von Angreifern steht.
    Für Angreifer ist es lukrativer, einen Cloudanbieter anzugreifen, denn da hat man dann sehr viele Kunden des Cloudanbieters als Opfer.
    Bei einer einzelnen Firma hat man nur diese als Opfer.

    Das sieht man doch auch bei Betriebssystemen:
    Linux und MacOS haben nicht weniger Sicherheitslücken als Windows, werden aber in der Praxis deutlich weniger angegriffen, weil sie nicht so verbreitet sind wie Windows.

    • m sagt:

      Blöd nur das Android Linux ist. Zum Glück wissen es diese ganze pösen Buben nicht.

    • mw sagt:

      Das halte ich nicht für valide. Allerdings ist Das Tödliche Trio (R) (Windows, AD und Office) sicherlich gefahrenquelle Nummer eins. Und wenn schon der hersteller das nicht sicher bekommt, wie sollen es dann die Anwender hinbekommen?

    • Michael sagt:

      sehe ich anders, denn die Angriffshürde ist um ein vielfaches höher bei großen Cloudanbietern als bei normalen Unternehmen. Die großen Cloudanbieter investieren enorme Summen in Security.

      Und ja natürlich waren das dumme Fehler bei der letzten MS Cloud Lücke ABER schaut man sich den angeblichen Angriffspfad an, reden wir hier immer noch von highly sophisticated Akteuren, das mit großer Sicherheit staatlich finanziert wurde und evtl. auch Insiderwissen – das stemmt nicht Mal so eben das Scriptkiddie von nebenan.

    • McAlex777 sagt:

      *** Linux und MacOS haben nicht weniger Sicherheitslücken als Windows, werden aber in der Praxis deutlich weniger angegriffen, weil sie nicht so verbreitet sind wie Windows. ***

      Ich denke eher, das es für Angreifer einfacher ist in Windows einzufallen:
      GNU/Linux wird aufgrund seiner ganzen Struktur sehrviel schneller gepatcht wenn Sicherheitslücken einmal bekannt sind.

      Zentrale Repositories erschweren Angreifern das einschleusen von Schad-Software.

      Während unter Windows DOZEN Treiber/Thirdpatrty-Module immer im AdminMode laufen, ist das unter GNU/Linux eher die Ausnahme.

  3. mw sagt:

    Es gibt viele Gründe Cloud Dienste zu vermeiden. Die Kosten sind nur einer.
    Sicherheit ein anderer. Die komplette Azure Cloud ist kompromittiert, welche anderen großen Anbiter auch kompromittiert sind, ist unbekannt. Es fehlt eben auch an Transparenz der Cloud Anbieter.
    Was ist mit den Daten,wenn der Anbieter pleite geht? Oder seinen Dienst einstellt? Oder einfach kein valides Backup hat und das RZ abfackelt (OVH)?
    Das Problem an der Sache ist, daß in vielen Unternehmen einfach keine interne Kompetenz vorhanden ist, um das im eigenen (oder gemieteten) RZ zu machen. Was bei manchen Anbietern aber genauso der Fall ist.

    • Joerg sagt:

      Das ist nur ein Aspekt, wenn du Anwendungen hast die regelmäßig(!) einen hohen oder sehr hohen Workload haben, ist Cloud nicht mehr günstiger. Das sind Erfahrungen die wir gemacht haben, da warem die onPrem Lösungen nach knapp 9 Monaten günstiger als die Cloud.

      Das gleiche gilt für Bandbreiten-Intensive Anwendungen, wo massen von Daten am Client verarbeitet werden, z.B. CAD Anwendungen, da ist man im lokalen Netz einfach schneller und deutlich günstiger. Eine 10G Internet-Anbindung bekommt man auch nicht "geschenkt" – wenn überhaupt verfügbar am Firmenstandort. Auch spielt die Latenz eine Rolle, ob man <1ms oder 10-20ms hat.

      Aber man darf die "Drumherum" Kosten (Energie, Personal, Wartung usw.) nicht außer acht lassen, was jetzt aber nicht heißt das das eine günstiger und das andere teurer ist. Cloud war mal deutlich günstiger, mittlerweile ist das aber nicht mehr Fall.

      • mw sagt:

        Storage über die Cloud abzuwickeln ist nicht wirklich empfehlenswert. Die Office Nutzer merken nichts. Aber lade mal ein 3D Modell mit hunderten von Referenzen aus OneDrive. Da kannst Du bequem zu Mittag essen, bevor das offen ist.

    • R.S. sagt:

      Da war doch erst kürzlich der Fall in Dänemark bei einem Anbieter:
      Wurde gehackt, alle Daten weg.
      Der war haftungsmäßig aus dem Schneider, da in seinen AGB drin steht, das die Kunden selbst verantwortlich sind für das Backup ihrer Daten.

      Und das wird wohl bei vielen Cloudanbietern so in den AGB drin stehen.
      Ergo brauche ich auch eine lokale Infrastruktur zur Sicherung meiner Clouddaten.
      Das ist aber wohl vielen Cloudnutzern nicht bewusst.

  4. Sebastian sagt:

    Ich vermute das bei 37Signals persönlich haftene Gesellschafter am Werk sind was sonst in dieser Grössenordnung nie vorkommt. (Der verlinkte Wikipedia Eintrag ist mir etwas zu dünn.)

    In jedem Fall Balsam auf die Seele das mal ein Unternehmen öffentlichkeitswirksam ausspricht was schon meine Oma wusste: Mieten ist auf Dauer immer erheblich teurer als kaufen. (Und man kann Tracking besser unterbinden.)

  5. Pau1 sagt:

    Cloud-Zentrum+Cloud-Mitarbeiter+Eigenes-Team.
    Nun ersetzen wir die Cloud!
    eigenes Rechenzentrum+Eigenes-Team=vie billiger.

    Ich wundere mich, wieso die Cloud-Mitarbeiter anscheinend keinerlei Beitrag geleistet haben und das eigene Team das wuppen kann. Hatten die bisher auch nix zu tun oder bedeutet die Cloud soviel Ballastt?

    Welches Bit fehlt?

    • Sebastian sagt:

      Was sollen die "Cloud" Mitarbeiter an Beitrag leisten und wen meinst du damit? Es geht hier ums Geld also um Miete vs. Kaufen. *Überraschung Überraschung* Kaufen ist günstiger, na wer hätte das gedacht ;)

      • Pau1 sagt:

        Ja, das ist ja meine Frage.
        Ich dachte, das wenn ich in die Cloud gehe, nicht nur Speicher und Rechenzeit für super Preise bekomme, sondern ich mich auch nicht mehr um den Tausch kaputter Festplatte oder Betriebssystem Updates kümmern muss.
        Naiv dachte ich, das das die"Cloud"-Mitarbeiter machen.
        Ok, vielleicht fallen die defekten Festplatte ja von selbst aus den Racks und von oben rutscht ein neues nach, ähnlich wie bei manchem Tape-wechseler.
        Irgendwie wollten die mich nie in diese Bereiche lassen.. :-)

    • Michael sagt:

      der workload hat sich einfach nur von public cloud zu private/personal cloud verlagert. Mitarbeiter brauchst du für beides, auch wenn Sales gerne die Cloud als Selbstläufer verkauft und dass man dafür keine Mitarbeiter mit KnowHow benötigt.

      • Sebastian sagt:

        "Private Cloud" halte ich für einen Wiederspruch in sich. Das ist dann aus meiner Sicht ganz klar On-Premise. Aus einer Sicht war "Private Cloud" immer so ein Vehikel in den Anfangszeiten um das besser verkaufen zu können.

  6. Andy sagt:

    Hier spielt aber noch ein anderer Effekt rein:
    Wenn Du sehr schnell wachsen und skalieren willst, ist die Cloud handlebarer. Bist Du groß genug oder wächst Du moderat, kannst du das mit eigener Technik gut organisieren und leisten.
    Im eigenen Haus skaliert man sich als Schnellwachser halt auch schnell gegen Wände und muss dann sehr viel Geld in die Hand nehmen und gut projektieren, um den nächsten Größensprung wirtschaftlich stemmen zu können.
    In der Cloud finanzieren die Einnahmen oder die Einnahmeversprechen dann das Wachstum stetig von selbst und es gibt keine gefährlichen Wschstumsschwellen.
    Die Gefahr ist da halt die Unberechenbarkeit der Preise, die dich plötzlich platt machen können.

    • Sebastian sagt:

      Das ist so ein BWL Beispiel ala monatlich kann man das besser abrechnen und Risk Management und trallalla. Und wer weiss schon wie er/sie wächst? Auch On-Premise Lösungen kann man weise vorher wählen, führ gwöhnlich entstehen sie aber unter Windows und sein vertrautes Gefilde möchte man nicht verlassen.
      (Die Zeit der Computer Nerds die Startups gründen ist vorbei, und das kommt dann dabei raus.)

      • Andy sagt:

        Kann man sicher. Oder man verhebt sich, wenn man aus seinem kleinen RZ rauswächst und was hinklotzen muss.

      • Bernd Bachmann sagt:

        Es gibt ja nicht nur mit zig Millionen durchfinanzierte Startups, sondern auch kleinere Buden mit organischem Wachstum. Für die kann es schon schwierig sein, einen 24/7-Betrieb personell und technisch zu gewährleisten, geschweige denn mal eben ein komplettes Rechenzentrum hinzusetzen. Da können Cloud-Lösungen tatsächlich sehr sinnvoll sein.

        Was aber auch ich noch nie verstanden habe, ist, warum Riesenläden mit tausenden von IT-Mitarbeitern in grossem Stil auf Cloud setzen. Oder vielleicht zunehmend "gesetzt haben"?

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