Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in drei Revisionsverfahren entschieden, dass Fotos und Videos, die in Räumen aufgenommen wurde, in denen eine Fototapete zu sehen ist, keine Urheberrechtsverletzung darstellt. Damit entfällt ein "lukratives Geschäftsmodell" für einen Fotografen, dessen Motive auf Fototapeten gedruckt waren. Der Fotograf kann Leute, die ein Foto oder Video im Internet veröffentlichen, die eine Fototapete zeigt, nicht mehr kostenpflichtig wegen Urheberrechtsverletzungen abmahnen.
Anzeige
Das Problem, oder findiges Geschäftsmodell
Fotografien oder Kunst unterliegen dem Urheberrecht, d.h. Dritte dürfen diese Werke nicht ohne Einverständnis des Urhebers öffentlich wiedergeben. Problematisch wird das Konstrukt aber, wenn es darum geht, dass die Aufnahme eines Raums, in dem ein urheberrechtlich geschütztes Werk zu sehen ist, plötzlich unter das Urheberrecht des betreffenden Werks fallen.
Ein Fotograf vermarktete seine Fotos an Hersteller von Fototapeten (und war wohl auch am Vertrieb der Fototapeten beteiligt, soweit meine Informationen stimmen – Fotograf ist Stefan Böhme, Geschäftsführerin bei mirimage ist Kristin Böhme). So weit so gut. Allerdings entwickelte der Fotograf ein zweites Standbein, indem er Leute über eine Firma in Kanada verklagte, die Aufnahmen (Foto, Video) von Räumen veröffentlichten, auf denen die an Wände angebrachte Fototapeten zu sehen waren.
- In einem Fall hatte eine Beklagte eine Fototapete gekauft und in ihren Räumen anbringen lassen. Dann erstellte sie Videobeiträge, die in den Räumen aufgenommen wurden und stellte diese auf Facebook ein. Ergebnis: Klage des Fotografen der Fototapete und Forderung auf Schadensersatz.
- In einem zweiten Fall postete eine Werbeagentur ein Bildschirmfoto der von ihr gestalteten Internetseite eines Tenniscenters auf ihrer eigenen Internetseite ein. Auf dem Bildschirmfoto ist der Gastraum des Tenniscenters mit einer Fototapete zu sehen, an deren Bildmotiv die Klägerin die Urheberrechte beansprucht.
- Der Dritte Fall spielt in einem Hotel, wo dieses seine Zimmer bewarb. Auf einem dieser Fotos war eine Wandtapete mit dem Motiv des Fotografen zu sehen. Auch hier beanspruchte der klagende Fotograf die Urheberrechte und reicht klage ein.
Es sah also nach einer "netten Falle" aus: Du kauft eine Fototapete und lässt diese an die Wände deiner Räume tapezieren. Sobald Du aber in diesen Räumen Fotos oder Videos anfertigst und diese öffentlich wiedergibst, schlägt das Urheberrecht zu. Der Fotograf, der das Motiv für die Fototapete geliefert hat, verklagt dich und verlangt Lizenzgebühren. Ein Jurist, der das Hotel vertrat, hat das Thema hier aufbereitet. Auf Tarnkappe.de wurde diese Abmahnfalle 2023 hier beschrieben.
Langer Rechtsweg endet mit BGH-Urteil
Der Fotograf hatte in den oben genannten Fällen gegen die Personen geklagt, die Fotos bzw. Video, auf denen die Fototapete sichtbar war, veröffentlicht. Das jeweils zuständige Amtsgericht hat die Klagen abgewiesen, schreibt der BGH (wobei das Landgericht Köln wohl einer Klage stattgegeben hat). Die Berufungen der Klägerin vor dem Landgericht als nächste Instanz sind ohne Erfolg geblieben. Mit den vom Landgericht zugelassenen Revisionen verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
Anzeige
Der Fall landete schließlich vor dem Bundesgerichtshof. Dieser hat mit den Urteilen vom 11. September 2024 – I ZR 139/23; I ZR 140/23; I ZR 141/23 in drei Revisionsverfahren entschieden, dass die Nutzung von Abbildungen einer Fototapete im Internet die nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechte an den auf der Tapete abgedruckten Fotografien nicht verletzt.
Die auf § 97 Abs. 1 und 2 UrhG, § 97a Abs. 3 UrhG sowie § 242 BGB gestützten Ansprüche auf Schadensersatz, Erstattung der Abmahnkosten und Auskunftserteilung sind unbegründet, weil der durch die Beklagten jeweils vorgenommene Eingriff in das Vervielfältigungsrecht und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung – wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat – aufgrund einer konkludenten Einwilligung des Urhebers gerechtfertigt war.
Ob ein Verhalten des Berechtigten als schlichte Einwilligung in den Eingriff in ein durch das Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht anzusehen ist, hängt von dem objektiven Erklärungsinhalt aus der Sicht des Erklärungsempfängers ab, argumentieren die Richter. Dabei sei maßgeblich, ob es um nach den Umständen übliche Nutzungshandlungen geht, mit denen der Berechtigte rechnen muss, wenn er sein Werk Nutzern ohne Einschränkungen frei zugänglich macht.
Die Argumentation der BGH-Richter: Das Berufungsgericht ist in allen Verfahren in rechtsfehlerfreier tatgerichtlicher Würdigung und im Einklang mit der Lebenserfahrung davon ausgegangen, dass die Vervielfältigung durch Anfertigung von Fotografien und Videoaufnahmen in mit Fototapeten dekorierten Räumen sowie das Einstellen dieser Fotografien und Videos im Internet – sowohl zu privaten als auch zu gewerblichen Zwecken – üblich ist und damit im für den Urheber vorhersehbaren Rahmen der vertragsgemäßen Verwendung der Fototapeten lag.
Dem Urheber steht es frei, im Rahmen des Vertriebs vertraglich Einschränkungen der Nutzung zu vereinbaren und auf solche Einschränkungen – etwa durch das Anbringen einer Urheberbezeichnung oder eines Rechtsvorbehalts – auch für Dritte erkennbar hinzuweisen. Daran fehlte es in den Streitfällen.
Ich sage es mal so: Auf Grund des Sachverhalts, der mir schon seit einigen Jahren bekannt war, lag der Schluss nahe, schlicht keine Fototapeten zu kaufen – dann setzt man sich auch nicht dem obigen Risiko aus. Es ist ein Urteil, auf das viele Leute lange gewartet haben. Und ich finde es eine schöne Begründung der Richter – wenn der Fotograf nicht möchte, dass sein Werk als Fototapete abgelichtet wird, einen Vermerk anbringen muss. Wer kauft schon eine Fototapete, auf der "Vorsicht, fotografieren und filmen verboten" aufgedruckt ist? (via)
Anzeige
Danke für den Hinweis. Hatte davon auch mal gelesen.
Der Votograf hat recht.
Der Duden auch…
Fototapete ist das eine. Aber Vorsicht! Es gibt auch Buchrückendesigner … ;-)
Hmmm… meines Wissens hat noch nie ein Modeschöpfer eine Diva verklagt, die sich in dessen Kreationen ablichten ließ. Es ist doch ein grundlegender Unterschied zwischen Sehenlassen und Abkupfern.
Aber es fing schon mit dem Urheberrecht auf Gebäude an, deren Fotos man auf einmal nicht mehr einfach veröffentlichen darf. Dass die Rechtsprechung das durchgehen ließ, war bereits ein Verstoß gegen den gesunden Menschenverstand. Nun zieht das eben seine Kreise. Vorsicht also mit Tattoos…
Yup, bei Tattoos haben doch schon einige geklagt.
Z.b. Weil ein TV-Sender, oder Sportverein (ich weiß es nicht mehr) von einem Spieler das Tattoo in der Werbung gezeigt hat.
BGH und Verfassungsgericht haben eben noch fähige Richter was man vom OLG Köln & Hamburg nicht sagen kann…
Das Urteil ist zu begrüßen, es ist jedoch eine Schande das das überhaupt erst bis vors BGH musste!
Und der "Abmahn" Fotograf kommt so davon… unberechtigte Abmahnungen und Steuergelder verschwendet, straffrei…
Ich wollte auch gerade sagen: Wenn man als Fotograf diese Meinung vertritt, müsste dann er bzw. der Hersteller der Fototapete nicht auch mitteilen, dass man nach Aufbringen der Tapete dann den Raum nicht mehr normal nutzen kann!? Das hat ja auch der BGH so gesehen…
Wobei ein Problem grundsätzlich weiter existiert. Man kann ja trotzdem nicht ausschließen, dass man sich Fototapete kauft und dann schlägt irgendein ContentID-System an. Je nachdem woher das Foto kommt und welchen Anbieter man gewählt hat, der es mit den Gesetzen auch nicht so ernst nimmt.
Das kann halt auch wirklich ein Problem werden, wenn in einem Blog/Videos immer das Foto zu sehen ist. Wobei das Problem "Urheberrecht" auch schon seit >10 Jahren bekannt kein sollte, aber nur Wenige es ernst nehmen.
" lag der Schluss nahe, schlicht keine Fototapeten zu kaufen – dann setzt man sich auch nicht dem obigen Risiko aus"
Bei der ganzen Sache wird vergessen, das natürlich auch das Design "normaler" Tapeten einen Urheberrechtschutz genießt … nur war eben noch kein Tapetenhersteller/-Designer auf die Idee gekommen, seine Kunden in dieser Weise zu beklagen …
Das so etwas überhaupt geht, hat nicht wenig mit den im politischen System wirkenden Protagonisten und auch der schlechten Konstruktion des pol. Systems selbst zu tun. Oder anders gesagt, mit Urban Priols Worten gesagt, der zwar in Bezug auf einen ganz bestimmten Juristen folgendes sagt: "… er ist Jurist und auch sonst nur von mäßigem Verstand" … das sich jedoch – leider – ohne weiteres verallgemeinern und insbesondere auf die meisten politische Akteure übertragen lässt.
Kleiner Hinweis: Die Webseite heißt murimage dot com und nicht mirimage.
Da habe ich auch schon einmal bestellt – das werde ich jetzt mit diesen Wissen vermeiden.
Ach was wegen sowas konnte man in DE von leuten geld verlangen, was ist den das für eine bananen republik.
Hier in AT gibt es gar keine Abmahnungen, damit ist schon mal 90% des urheberrechts misbrauchts von vorn herein nicht möglich.