Posse des TikTok-Verbots und die Folgen

Ab Sonntag ist in den USA der Download der Apps von TikTok und WeChat per Anordnung des Präsidenten Trump verboten. Trump will 'zum Wohle der USA' handeln, hat das Ganze aber in eine Posse verwandelt. Hier ein kurzer Blick auf die Sachlage – und ein Statement von ThousandEyes, was dieses Dekret zum Verbot der Apps in der Praxis bedeutet bzw. für Probleme aufwirft. Ergänzung: Mister Präsident hat wohl genickt.


Anzeige

Trump verbietet TikTok

Erst war es nur eine Drohung: Das chinesische Unternehmen ByteDance solle sein US-Geschäft mit dem Dienst TikTok und der damit verbundenen App an ein US-Technologie-Unternehmen verkaufen, die Sicherheit der USA ständen auf dem Spiel. Dann gab es Hinweise, dass Microsoft an einem Kauf interessiert sei, aber auch Oracle war im Verbund mit Walmart an diesem Deal dran. Ich hatte im Blog-Beitrag US-Geschäft von TikTok wohl an unbekannten Bieter verkauft berichtet.

Dann verbot der chinesische Staat den Export der TikTok zugrunde liegenden Algorithmen (siehe ByteDance: Kein Verkauf des TikTok-Algorithmus – erhält Oracle den Zuschlag auf den Rest?). Microsoft war raus und es sah so aus, als ob Oracle den Zuschlag für den Kauf erhalte. Das Ganze war schon eine Posse, mischte sich doch eine Regierung in Verkaufsverhandlungen (eines Zwangsverkaufs) ein. Dass dies nicht folgenlos bleiben und China zurückschlagen würde, war absehbar.

Nun hat US-Präsident Trump dieser Posse noch eins drauf gesetzt: Das US-Handelsministerium (Commerce Department) kündigte an, dass es 'zur Erhaltung der nationalen Sicherheit' ab Sonntag US-Geschäfte mit den in chinesischem Besitz befindlichen sozialen Anwendungen WeChat und TikTok verbieten wird.

Als Reaktion auf die Executive Orders von Präsident Trump, die am 6. August 2020 unterzeichnet wurden, kündigte das Handelsministerium (Department of Commerce, Commerce) heute Verbote von Transaktionen im Zusammenhang mit den mobilen Anwendungen (Apps) WeChat und TikTok an, um die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten zu gewährleisten. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) hat die Mittel und Motive aufgezeigt, diese Anwendungen zu nutzen, um die nationale Sicherheit, die Außenpolitik und die Wirtschaft der USA zu bedrohen. Die heute angekündigten Verbote schützen die Benutzer in den USA, indem sie den Zugang zu diesen Anwendungen unterbinden und ihre Funktionalität erheblich einschränken.

Die Ankündigung sieht zwei verschiedene Zeitrahmen für WeChat und TikTok vor:

  • Ein vollständiges Verbot von WeChat am Sonntag (11.9.2020) zusammen mit einem Verbot von Updates und Wartung der TikTok-App. Die Apps dürfen in den USA nicht mehr zum Download angeboten werden (betrifft Google Play Store und Apples iTunes-Store).
  • TikTok hat eine Frist bis zum 12. November, bevor US-Unternehmen die Bereitstellung von Cloud- und Internetdiensten für die Anwendung untersagt wird.

Die letztgenannte Frist dürfte Oracle mehr Zeit geben, sein Angebot für TikTok auszuarbeiten, um Präsident Trump zufriedenzustellen. CNBC hat hier einen Artikel mit weiteren Details. Deutschsprachige Artikel finden sich auf Tagesschau, WDR, t-online und z.B. FAZ.

Die Folgen …

Der Handelsstreit zwischen den USA und China eskaliert: China legt jetzt eine Strafliste für US-Firmen auf und sperrt sich gegen den Verkauf. Bei Vice weist man hier darauf hin, dass nicht mehr aktualisierte Apps keinesfalls die Sicherheit der US-Bürger verbessern. Und mir ist noch eine Stellungnahme von ThousandEyes zugegangen. Diese weisen darauf hin, dass die US Service Provider nach dem Verbot ihr digitales Angebot innerhalb kürzester Zeit umstellen müssen. Angelique Medina, Director bei ThousandEyes sagt dazu:

"Vor dem Hintergrund des Verbotes von WeChat und TikTok ist es noch der einfachste Teil, diese Anwendungen aus dem App-Store zu entfernen. Dieses Verbot hindert die Provider allerdings auch an der Bereitstellung von Hosting- und Content-Delivery-Diensten, die den Betrieb der App ermöglichen. Provider, die die mobilen Apps hosten oder an ihrer Bereitstellung beteiligt sind, haben es möglicherweise schwerer, eine solch strenge Frist einzuhalten. Jedes Mal, wenn Provider Änderungen an ihren Diensten vornehmen, können Probleme auftreten, die die Funktionalität bedrohen.

Bei Transit-Providern werden Änderungen an ihren Diensten in der Regel im Voraus geplant und während zuvor festgelegter Wartungszeiträume durchgeführt. Die Umsetzung von Änderungen in weniger als 48 Stunden und an einem Wochenende – besonders wenn weniger Personal als üblich zur Verfügung steht – ist nicht nur schwierig, sondern kann sich auch auf andere Teile der Dienstleistungen des Providers auswirken. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Umstellungen nicht richtig durchgeführt werden."

Ein ziemliches Chaos und mittlerweile haben TikTok sowie das zugehörige Mutterunternehmen ByteDance Klage gegen die US-Regierung eingereicht.

Ist eine Sperre überhaupt möglich?

ThouandEyes hat sich um diese Frage auch Gedanken gemacht. Angelique Medina, Director of Product Marketing bei ThousandEyes schreibt dazu:


Anzeige

Da TikTok in erster Linie als mobile App genutzt wird, würden Bemühungen, diese zu verbieten, wahrscheinlich erst einmal darauf hinauslaufen, diese aus den US-amerikanischen App-Stores zu entfernen. Was die Version der Webanwendung betrifft, so wären Hosting-Einrichtungen und Anbieter von Cloud-Services wie AWS von Amazon, Google Cloud oder Microsoft Azure, die solche Apps und andere wichtige Dienste hosten, nicht mehr in der Lage, finanzielle Transaktionen mit dem Eigentümer von TikTok in den USA abzuwickeln. In ähnlicher Weise würden auch Anbieter von Content-Delivery-Netzwerken wie Cloudflare oder Akamai, die Inhalte zwischenspeichern und schnelleres Laden von Streaming-Videos bieten, möglicherweise daran gehindert, die App in den USA anzubieten.

Um den Zugang zu TikTok grundsätzlich zu unterbinden, ist es theoretisch möglich, IP-Adressen zu blockieren oder DNS-Auflösung, den Prozess der Übersetzung von Domänennamen in IP-Adressen, zu verwenden. Dadurch wird verhindert, dass Nutzer eine Website erreichen können. Dies sind Methoden, die Schulen und sogar einige Arbeitgeber heutzutage anwenden, um den Zugang zu unangemessenen Inhalten zu verhindern. Im Falle eines US-Verbots ist es jedoch unwahrscheinlich, dass irgendeine Art von Adressenfilter oder eine ähnliche Blockierung von den Service Providern eingesetzt würde, um ein mögliches Verbot durchzusetzen. Es gibt in den USA Tausende von unabhängig betriebenen Service Providern. Und selbst wenn der Wille vorhanden wäre eine solche Sperrung zu implementieren, wäre eine Koordination dieser Aktivität über so viele Anbieter hinweg beispiellos und höchst unwahrscheinlich.

Diese Stellungnahmen zeigen bereits, was abseits der üblichen Presseartikel und Verlautbarungen der US-Regierung in den Niederungen der Umsetzung ab geht.

Übernahme doch genehmigt?

Nix ist so alt, wie die Zeitung von gestern über Meldungen, die US-Präsident Trump betreffen. In diesem Kommentar weist Blog-Leser Nobody darauf hin, dass Trump den Deal zwischen ByteDance, Oracle und Walmart wohl doch noch 'irgendwie' genehmigt habe. Heise hat die Nacht diesen Artikel dazu veröffentlicht (als ich beim Schreiben des Beitrags recherchiert habe, gab es da noch nichts zu). Die Washington Post berichtet hier, dass Trump dem TikTok-Geschäft seinen "Segen" gegeben habe. Aber die endgültigen Bedingungen würden noch ausgehandelt. Laut Trump hat er das Abkommen "als Konzept" gebilligt und dass der Deal, so er Zustande kommt, die Schaffung eines Bildungsfonds in Höhe von 5 Milliarden Dollar beinhalten werde. Mal schauen, wann die nächste Volte kommt.


Cookies blockieren entzieht uns die Finanzierung: Cookie-Einstellungen

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

9 Antworten zu Posse des TikTok-Verbots und die Folgen

  1. Don Omerta sagt:

    Die gute alte Keule "nationale Sicherheit", damit bekommen die Behörden in den USA alles was man möchte. Glauben die wirklich das bringt was? Die Kids finden immer einen Weg…..wir haben früher auch immer einen Weg gefunden… ;-)

  2. Martin sagt:

    @Günter
    "Dann gab es Hinweise, dass Microsoft an einem Kauf interessiert sei, aber auch Oracle war im Verbund mit Walmart an diesem Deal dran."

    Microsoft war im Verbund mit Walmart angetreten, nicht Oracle mit Walmart. Aber bei dem ganzen Hick Hack kann man wirklich schon mal den Überlick verlieren. ;-)

  3. oli sagt:

    Der Vorgänger von TikTok war doch dieses "Musicely" oder so ähnlich. Das ist doch damals schon massiv durch Ausspähen / Datenschutzverstöße aufgefallen. Ich würde so einer App nicht eine Sekunde trauen und kann nur jedem davon abraten. Ist natürlich bei pubertären Wesen, die die zukünftigen Folgen ihres Treibens nicht abschätzen können, schwierig :F. Von daher kann ich der Entscheidung schon was abgewinnen.

    Ob da allerdings so eine antineoliberale Maßnahme des US-Präsidenten die richtige Wahl darstellt, weiß ich nicht (ich habe zumindest nichts gegen anitneoliberal). Das müssen dann die Gerichte da drüben klären. Wenn es aber so einfach ist, mit "nationaler Sicherheit" einfach alles vom Tisch zu wedeln, muss man sich als Unternehmen schon fragen, ob der US-Markt das richtige Ziel ist (schönen Gruß an die Bayer AG mit ihren vielen, just nach dem Monsantokauf zugelassenen Klagen in den USA).

  4. Dat Bundesferkel sagt:

    Traurig ist, daß es diesem Vollidioten von Präsidenten nur darum geht, seine Wählerstimmen beisammen zu halten.
    Denn praktisch kein Wahlversprechen hat er eingehalten, stattdessen nur Lobbyismus, Unterschlagung, Negativpresse – und schon mal vorab die kommenden Wahlen als "manipuliert" abzustempeln, falls er nicht gewinnen würde… und das weiße Haus vermutlich nicht freiwillig räumen wird.

    Der Kerl muß weg. Er ist ein furchtbarer Sprücheklopfer und Menschenfeind, typischer Unternehmer/Selbstdarsteller eben.

    In diesem Fall rudert er plötzlich zurück, weil man in Aussicht stellt 5 mrd Dollar in die Bildung zu stecken? Daran sieht man doch, wessen Geistes Kind er ist.

    • Ralf S. sagt:

      Der Kerl sollte/(muss) schon deshalb weg, da er ein lupenreiner Narzisst ist (und somit psychisch krank) und dringendst in therapeutische Behandlung gehört! Aber da Narzissmus nun mal zu den Persönlichkeitsstörungen gehört, gehen die Betroffenen nur sehr, sehr selten selbst in Therapie, da sie eben immer denken, dass alle anderen "verkehrt" sind und sie selbst absolut unfehlbar und genial. Verhält sich so ähnlich wie mit dem Geisterfahrer, der hunderte andere Geisterfahrer entgegenkommen sieht… Oder um es mit den Herren Dunning und Kruger auszudrücken (https://de.wikipedia.org/wiki/Dunning-Kruger-Effekt): Er weiß halt einfach nicht, dass er nichts weiß, sich aber gleichzeitig auch noch absolut sicher ist, einfach ALLES zu wissen… Kognitive Verzerrung eben. Äußerst tragisch für die Betroffenen und gleichzeitig brandgefährlich für die Umwelt.

Schreibe einen Kommentar zu Nobody Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Hinweis: Bitte beachtet die Regeln zum Kommentieren im Blog (Erstkommentare und Verlinktes landet in der Moderation, gebe ich alle paar Stunden frei, SEO-Posts/SPAM lösche ich rigoros). Kommentare abseits des Themas bitte unter Diskussion.