Microsoft reißt Termin für EU-spezifische Cloud-Version

[English]Droht Microsoft juristischer Ärger von der CISPE? Microsoft hat es nicht geschafft, bis zu einem vereinbarten Termin eine angepasste Azure-Variante für das Konsortium europäischer Cloud-Anbieter bereitzustellen. Diese drohen nun mit rechtlichen Schritten.


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Rückblick: CISPE legte Beschwerde ein

Das Kürzel CISPE steht für Cloud Infrastructure Services Providers in Europe, ein gemeinnütziger Verband der Infrastructure-as-a-Service-Cloud-Anbieter in Europa. Die CISPE versucht die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten. Mitglieder sind eine Reihe europäische Cloud-Anbieter und Amazon.

Ende 2022 hatte die CISPE Beschwerde gegen Microsoft bei der Europäischen Kommission eingereicht und behauptet, dass die von Microsoft am 1. Oktober 2022  eingeführten Vertragsbedingungen dem europäischen Cloud-Computing-Ökosystem schaden würden. Ich bin davon ausgegangen, dass die EU-Kommission eine formale Untersuchung gegen Microsoft einleiten wird, um das genauer zu untersuchen und ggf. die Praktiken zu unterbinden.

Im Juli 2024 kam die große Überraschung, wie Reuters berichtete, hatte  Microsoft einen Vergleich mit der CISPE erzielt. Microsoft zahlt der CISPE 20 Millionen Euro, um eine Kartellbeschwerde über seine Cloud-Computing-Lizenzierungspraktiken beizulegen und damit eine EU-Kartelluntersuchung und eine potenzielle hohe Geldstrafe abzuwenden. Darüber hinaus entschädigt Microsoft die CISPE-Mitglieder für die entgangenen Einnahmen, die ihnen durch die Lizenzkosten in den letzten zwei Jahren entstanden sind, teilte die CISPE seinerzeit mit.

Die spannendere Teil der Abmachung, die ich im Beitrag Hat sich das europäische Cloud-Konsortium CISPE von Microsoft für 20 Millionen Euro kaufen lassen? angesprochen habe: Microsoft soll ein Produkt entwickeln, das es den CISPE-Mitgliedern ermöglicht, Microsoft-Software auf ihren Plattformen in der Azure-Cloud-Infrastruktur des US-Technologieriesen auszuführen. Die Preisen sollen denen von Microsoft entsprechen. Das Unternehmen hatte neun Monate Zeit für diese Entwicklung.


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Frist für EU-anpasste CISPE-Lösung gerissen

Nun berichtet The Register hier, dass Microsoft es versäumt habe, fristgerecht diese spezielle Azure-Version (früher als Azure Stack HCI bekannt) für die EU-Cloud-Anbieter der CISPE rechtzeitig zu liefern.

Das Produkt ist essentiell für die CISPE, denn es soll Funktionen enthalten, die bisher nur Kunden von Microsofts eigenen Azure-Dienst zur Verfügung standen. Die Lösung sollte laut The Register Multitenancy-Unterstützung für mehrere Kunden-Workloads, unbegrenzte Virtualisierung und Multi-Session-VDI für Windows 10, 11 und zukünftige Versionen, Pay-as-you-go-Lizenzierung für SQL Server und kostenlose erweiterte Sicherheitsupdates umfassen.

Aber bisher ist daraus nichts geworden, weil Microsoft nicht liefert.  The Register schreibt, dass Microsoft sich verpflichtet hatte, die angepasste Azure-Plattform bis Mitte April 2025 fertigzustellen. Bereits Anfang April warnten Quellen The Register, dass Microsoft die vereinbarte Frist nicht einhalten könne. Es wurden meiner Lesart nach zu wenig Entwicklerressourcen investierte.

The Register zitiert aus dem jüngsten Bericht des European Cloud Collaboration Observatory (ECCO). Das ist ein unabhängiges Gremium, das von CISPE eingerichtet wurde, um für seine 37 Mitglieder technische Fortschrittsberichte zu verfassen. Dieses Gremium habe Microsofts Fail unverblümt festgestellt. "Sowohl Microsoft als auch CISPE haben sich nun darauf geeinigt, dass Azure Local nicht den vollen Funktionsumfang der Vereinbarung bieten wird.", heißt es im ECCO-Bericht.

Microsoft und CISPE haben sich laut The Register auf Plan B geeinigt. Das ursprünglich geplante Hoster-Produkt wird aufgegeben, "um sich auf alternative, kommerziell gleichwertige Ansätze zu konzentrieren, und um die im Abkommen dargelegten Verpflichtungen zur fairen Lizenzierung zu erfüllen", heißt es im ECCO-Bericht weiter.

Francisco Mingorance, Generalsekretär der CISPE, erklärte laut The Register, es sei enttäuschend, dass das vorgeschlagene Produkt nicht zustande gekommen ist. Aber das sei nicht das Ende des Abkommens. Phase 2 öffne die Tür, um alternative, kommerziell gleichwertige Lösungen zu diskutieren. Diese sollen es den CISPE-Mitgliedern und den europäischen Cloud-Infrastrukturanbietern ermöglichen, fair zu konkurrieren und ihren Kunden dennoch die Produktivitätstools von Microsoft anzubieten.

In einem Interview mit The Register äußerte Mingorance sich allerdings frustriert über den gesamten Prozess: "Wahrscheinlich sehen viele der Unternehmen in CISPE den Plan B als das bessere Ergebnis an, als noch mehr Software und noch mehr Microsoft-Software darauf laufen zu lassen. Azure Local erfordert dedizierte Hardware, so dass Sie eine Menge Geld ausgeben müssen, um Ihre Infrastruktur aufzurüsten oder zu ändern."

Wenn ein Cloud-Anbieter eines Drittanbieters aber die gleiche Arbeitslast wie auf Azure ausführen könnte, ohne dass jemand Microsoft extra für dieses Privileg bezahlen müsste, dann wäre das Problem nicht mehr vorhanden, meint Mingorance. "Es gab bereits eine Nachfrage von europäischen Cloud-Provider-Kunden, so viel Microsoft-Software wie möglich lokal auszuführen, und nicht auf den Servern in Redmond."

Microsoft ist wahrscheinlich nicht scharf auf diese Idee, spekulierte Mingorance, laut The Register. "Sie wollen so viel Verkehr wie möglich zu Azure leiten. Und wie macht man das am besten? Indem sie jeden dazu bringen, Microsoft-Software auf der Azure-Plattform laufen zu lassen und nicht auf einer konkurrierenden Plattform."

Microsoft hat nun nicht mal mehr zwei Monate Zeit, um Vorschläge für Phase 2 oder Plan B zu unterbreiten. Die Vorschläge müssen bis zum 10. Juli 2025, dem ersten Jahrestag der Absichtserklärung, eingereicht werden.

Ein Sprecher von Microsoft sandte The Register folgende Erklärung: "Wir sind bestrebt, eine erfolgreiche Beziehung zur europäischen Cloud-Community und eine starke, dauerhafte und kooperative Partnerschaft mit CISPE sicherzustellen. Wir prüfen den zweiten ECCO-Bericht und freuen uns auf den neuen Weg mit CISPE und seinen Mitgliedern."

Bleibt abzuwarten, was im Juli 2025 auf dem Tisch liegt. Gegebenenfalls könnte es zu einer weiteren formellen Beschwerde der CISPE bei der EU kommen.


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