Harsche Analystenkritik an Windows 8

Microsoft hat's mit Windows 8 versaut – das ist der vielstimmige Chor, der seit dem Release im Oktober ertönt. Jetzt haben Analysten von IDC nachgelegt und fordern von Microsoft Verbesserungen.

Windows 8 separiert und Microsoft tut sich schwer, das Ding "zum Fliegen" zu bringen. Wer Augen hatte, konnte das schon in der Consumer Preview feststellen – ich hatte ja diverse Male drüber gebloggt [1, 2]. Und die unter [1] von Microsoft vertretene Argumentationslinie, dass kaum ein Benutzer das Startmenü verwende, dieses also folgenlos entfallen könne, war und ist Bullshit Bingo auf höchstem Niveau. Unter [2] hat Pokki dann auch eindrucksvoll nachgewiesen, dass die Anwender faktisch mit den Füßen abstimmen.

Bereits kurz nach dem Windows 8-Launch kam kräftig Kritik an Windows 8 auf. Ex-Microsoft Mitarbeiter John Ludwig wird in diesem Beitrag bei derstandard.at bereits am 22.10.2012 mit "Ich denke, kein User hat nach so etwas verlangt" zitiert. Der Analyst für Benutzeroberflächen, Jakob Nielsen, vergleicht das Design von Windows 8 mit "Jekyll & Hyde", wie man hier bei PC-Welt z.B. nachlesen kann. Und das ist keine billige Kritik, sondern Nielsen benennt deutlich die Probleme des Design-Ansatzes von Windows 8. Selbst Paul Allen, einer der Gründer von Microsoft räumt bereits frühzeitig ein, dass die neue Oberfläche von Windows 8 in Teilen verwirren könne. Deutlicher äußerten sich Spieleentwickler von Blizzard und Valve, die Windows 8 als Katastrophe bezeichnen.

Und die Katastrophe ist zwischenzeitlich eingetreten. Vier Monate nach dem Start dümpelt Windows 8 mit einem Marktanteil von 2,67 % unter ferner liefen – ich hatte hier drüber gebloggt. Als Samsung den Verkauf des Windows RT-Tablet Ativ einstellte und Jun Dong-soo, Vice-President für Speicher, seine Meinung kundtat (siehe auch hier), dass Windows 8 nicht besser als Vista sei, hat Martin von Dr. Windows da noch "als peinliches Windows 8 Getrolle" abgetan. Bezüglich des Tons hat er vielleicht Recht, aber in der Sache liegt Martin in meinen Augen daneben. Ich weiß, es gibt Leute, die die Apps und die Windows Startseite hochhalten – wie man an Forenbeiträgen wie diesen erahnen kann.

Unterm Strich beißt die Maus aber kein Faden ab: Das Groß der Desktop-Anwender kann der Startseite, den Apps und der vielfältigen Gängelung durch Windows 8 nichts abgewinnen. Firmen werden auch nicht umsteigen. Da Microsoft aber wohl schon am Windows 8-Nachfolger werkelt (ich habe hier drüber gebloggt), wäre nun natürlich eine Positionsbestimmung und Neuskalierung angebracht. Dass Windows 8 nicht "zum Fliegen kommt", hatte ich ja bereits hier gebloggt. Nach Ablaufen des vergünstigten Upgrade-Angebots gewährt Microsoft den PC-Hersteller wohl massive Preisnachlässe für Windows 8 Core-Lizenzen.

Eine neue Stimme gibt es jetzt von IDC, einem international tätigen Marktforschungsunternehmen mit einem Netzwerk von über 1.000 Analysten. IDC Analyst Bob O'Donnell hat de Site Cnet.com in einem Gespräch einige Einschätzungen gegeben.

Aussage von O'Donnell: There were certain decisions that Microsoft made that were in retrospect flawed. Notably not allowing people to boot into desktop mode and taking away the start button. Those two things have come up consistently. We've done some research and people miss that.

And there are a lot of people that as soon as they boot into Windows 8, they go to desktop mode and do most their work there and occasionally back to Metro. But the point being they're much more comfortable with desktop mode.

Er drückt es vorsichtig aus "es gab sicherlich Entscheidungen seitens Microsoft, die sich im Nachhinein als Fehler erwiesen." Darunter verbucht er auch den Zwang, auf die Startseite booten zu müssen sowie die fehlende Start-Schaltfläche. Hier habe ich ja im Blog mehrere Artikel veröffentlicht, wie man das irgendwie als Funktion mit der Classic Shell nachrüsten kann.

O'Donnell sagt ganz klar, dass Anwender nach dem Booten zum Windows-Desktop wechseln und dort auch kontinuierlich ihre Arbeit erledigen. Wenn dann ein Anwender auf einer Modern UI-App oder auf der Startseite landet, muss man das mehr oder weniger als Betriebsunfall sehen. Das schlägt natürlich auf die Verkaufszahlen durch, die von O'Donnell als schrecklichen Flop (horrible stalled) bezeichnet werden. Der Analyst sieht daher eine gewisse Chance, dass Microsoft hier nachbessert (z.B. Booten zum Desktop), speziell, da die PC-Hersteller mittlerweile unter dem schleppenden Absatz leiden und Microsoft massiv Druck machen. Allerdings äußert O'Donnell auch die Befürchtung, dass Microsoft in dieser Hinsicht "beratungsresistent" sei (stick to its guns) und alles so belasse wie es seit – "Hochmut kommt vor dem Fall", der wohl schein eingetreten ist.

Na ja, warten wie es ab. Ich habe hier zwar einige Windows 8-Systeme zum Testen aufgesetzt – und halte den Betriebssystem-Kern auch nicht für so schlecht. Aber auf meinen Produktivsystemen bleibt Windows 7 drauf – und wenn das mal nicht mehr geht, werde ich wohl auf eine Linux-Distribution umsteigen und kommende Windows-Versionen in virtuellen Maschinen installieren.

Links:
1: Doch keine Start-Schaltfläche in Windows 8?
2: Win 8: Niemand will das Startmenü – niemand?
3: Ups: Windows 8 dümpelt bei 2,6% Marktanteil …
4: Four months in, Windows 8 needs help CNet-Artikel
5: Artikel bei PCTipp.ch