In Sachen "Abzocke" durch 1N Telecom GmbH und TPI Investment GmbH gibt es einige neue Informationen und Entwicklungen, die ich in einem Beitrag zusammen stelle, um Interessierte auf den aktuellen Stand zu bringen.
Rückblick: Um was es geht
Seit 2023 wehren sich Verbraucher und Verbraucherinnen in Deutschland, die sich um Unternehmen 1N Telecom GmbH abgezockt fühlen. Das Unternehmen versuchte Menschen mit mutmaßlich "unsauberen" Geschäftsmethoden zum Vertragswechsel von der Deutsche Telekom AG zum eigenen Angebot zu verleiten (siehe auch Verbraucherzentrale Niedersachsen: Warnung vor Vertragswechsel zu 1N Telecom).
Da der Wechsel so gut wie nie klappte und die Verbraucher mit Telefon und Internet bei der Deutsche Telekom blieben, flatterte den Betroffenen eine Schadensersatzforderung in Höhe von ca. 420 Euro wegen "Vertragsbruchs" ins Haus. Der Verbraucherzentrale liegen meinen Informationen nach inzwischen 18.000 Beschwerden gegen das Unternehmen vor.
Zudem gibt es inzwischen den begründeten Verdacht, dass das Unternehmen 1N Telecom GmbH mit fingierten, d.h. mutmaßlich untergeschobenen, Verträgen arbeitet, wo die Adressen der Opfer die über irgendwelche Preisausschreiben im Internet ermittelt wurden. Hier laufen inzwischen Untersuchungen der Verbraucherzentralen und es könnte noch ein juristisches Nachspiel für Unternehmen (speziell der Name LeadOne ist da gefallen, das Unternehmen Cheetah Hills Ltd., was wohl auch schon mal genannt wird, agiert dagegen im Ausland) geben, die diese Adressen für angebliche Vertragsabschlüsse geliefert haben. Die am Artikelende verlinkten Blogbeiträge zeichnen die gesamte Entwicklung des Falls nach.
Robert Keckeis und RTL machen "Hausbesuche"
Inzwischen kann ich die Information hier im Blog bringen, da der Beitrag inzwischen gesendet wurde. Ich stand hinter den Kulissen seit einiger Zeit mit RTL Investigativ-Reporter Robert Keckeis in Kontakt, der zu den Firmen 1N Telecom GmbH und TPI Investment GmbH recherchierte.
Bei RTL sind zum 14. Oktober 2025 zwei Textbeiträge Nach Monaten der Recherche! RTL macht den Geschäftsführer von 1N Telecom ausfindig und 1N Telecom zockt selbst Kinder ab – RTL macht endlich Geschäftsführer ausfindig veröffentlicht worden. In beiden Textbeiträgen ist ein etwas über 8 Minuten langes Video von Robert Keckeis eingebunden, welches zum 14. Oktober 2025 im RTL Mittagsmagazin lief.
Keckeis und das RTL-Team besucht im Film Opfer, erklärt den Sachverhalt und versucht die Geschäftsführer der Firmen 1N Telecom GmbH und TPI Investment GmbH in ihren Privathäusern zu besuchen, ein Interview zu führen und schriftliche Widersprüche zweier Opfer den Herren zuzustellen.
Aus rechtlichen Gründen sind Teile der Aufnahmen an den Haustüren geblurrt, keiner der Geschäftsführer mochte mit Herrn Keckeis sprechen, um die Rechtmäßigkeit der Forderungen zu erörtern. Von Herrn Keckeis weiß ich, dass seine schriftlichen Anfragen unbeantwortet blieben. So blieb dem RTL-Reporter nur, zwei schriftliche Widersprüche vor laufender Kamera dokumentiert, in die Hausbriefkästen zu werden und als "zugestellt" zu betrachten.
Denn mit dieser Maßnahme wurde eine besondere Situation zugespitzt. Die Geschäftsführer der Firmen 1N Telecom GmbH und TPI Investment GmbH versuchen ja, mit juristischen Winkelzügen eine vollstreckbaren Titel ihrer Forderungen vor dem Amtsgericht Hagen durchzusetzen. Opfern bleibt nur, die Forderung schriftlich (und per Einschreiben) zu bestreiten, um sich zu wehren.
Papierkorb mit Einwurfeinschreiben, Quelle: Screenshot RTL-Beitrag
Im RTL-Beitrag wird deutlich, dass viele Opfer scheitern, weil diese Einschreiben schlicht nicht angenommen werden und zurück kommen. Im Videobeitrag wird obiges Foto eines Papierkorbs gezeigt, wo Einwurfeinschreiben im Müll gelandet sind. Meinen Informationen nach stammt das Foto von der Verbraucherzentrale, die angibt, entsprechende Beweise zu haben.
Die rechtliche Situation
Bezüglich der gesamten rechtlichen Situation liegt ein komplexes Bild vor, bei dem man jedes Einzelurteil auf seine Intention und die Aussagekraft abklopfen muss.
- Die Verbraucherzentrale hat diverse Urteile gegen die 1N Telecom GmbH erstritten, die bestimmte Aussagen untersagen. Ein Verfahren gegen die TPI Investment GmbH läuft noch.
- Es gibt ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), von der Verbraucherzentrale erstritten, dass der 1N Telecom GmbH untersagt, in Vertragsklauseln auf eine AGB im Internet zu verweisen (BGH bestätigt Verbraucherzentrale in 1N Telecom AGB-Klage).
- Gegen den Geschäftsführer der 1N Telecom GmbH läuft auch weiterhin – anders als man vielleicht aus meinem Beitrag Neues von der 1N Telecom GmbH? Ermittlungen gegen Geschäftsführer eingestellt schließen könnte – ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Betrugs der Staatsanwaltschaft Düsseldorf.
- Leider urteilt die Justiz an einzelnen Amtsgerichten uneinheitlich, wenn es um die Gültigkeit vollstreckbarer Titel gegen die Opfer der 1N Telecom geht. Einzelne Amtsgerichte lehnen Forderungen der 1N Telecom GmbH ab und erklären die Verträge wegen Täuschung als nichtig (siehe Weiteres Anerkennungsurteil gegen die 1N Telecom GmbH). Aber es gibt ein Urteil des Landgerichts Magdeburg, das ein Urteil des Amtsgerichts Oschersleben, was einen Vertrag wegen Täuschung als nichtig ansah, aufhebt (siehe Neues von 1N Telecom: Fingierte Verträge und Vergleichsangebote). Hier hat die 1N Telecom GmbH wohl einen gerichtlich vollstreckbaren Titel erwirkt, der juristisch hielt.
Wie die noch anhängige Sammelklage gegen die 1N Telecom GmbH ausgeht, ist derzeit offen. Ich könnte mir vorstellen, dass dort eine juristische Klärung zugunsten der Opfer erfolgt. Es laufen eine Reihe weiterer Verfahren gegen die 1N Telecom GmbH sowie gegen die TPI Investment GmbH, die Forderungsabtretungen hält und versucht, Gelder einzutreiben. Hier stehen noch Urteile aus. Mein erstes, vorsichtiges Fazit: Es könnte eng für die Geschäftsführer der beiden Firmen werden.
Inkasso-Unternehmen flüchten, Banken verweigern Konten
Es zeichnet sich noch eine Entwicklung ab – den Leuten wird zunehmend die finanzielle Basis ausgetrocknet. Versuchte die 1N Telecom GmbH die behaupteten Forderungen zuerst noch durch Einschaltung von Inkasso-Unternehmen einzutreiben, sind die Firmen inzwischen "von der Fahne gegangen".
Erst gab das in Baden-Baden residierende Inkasso-Unternehmen Riverty sein Mandat zurück, nachdem klar war, auf welch "windiger Basis" die Forderungen zu fußen scheinen. Dann kam der BID ins Spiel (siehe 1N Telecom: Forderungen kommen über BID Bayerischer Inkasso Dienst (Dez. 2024)), der aber auch schnell das Handtuch warf.
Dann wurde von der Person, die als Pressesprecher der 1N Telecom GmbH fungierte, ein neues Unternehmen, die TPI Investment GmbH, gegründet. Diesem wurden von 1N Telecom GmbH nicht titulierte Forderungen "abgetreten" und das Unternehmen versuchte diese Forderungen einzutreiben. Ich hatte im Blog mehrfach berichtet (siehe Links am Artikelende). Letzter Stand war, dass TPI Investment GmbH mit "Vergleichsangeboten" noch versuchte, von genervten Opfern ein paar Euro abzukassieren.
Gerade ist mir per Mitteilung bekannt geworden, dass zum 14. Oktober 2025 ein Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf ergangen ist, nach dem ein "Telekommunikationsanbieter keine Kontoverbindung bei der Stadtsparkasse Düsseldorf" erhält.
Ein privates Unternehmen, das Telekommunikationsnetze aufbaut und betreibt sowie Telekommunikationsdienste anbietet, hat vorläufig keinen Anspruch auf Eröffnung eines oder mehrerer Girokonten bei der Stadtsparkasse Düsseldorf.
Das hat die 20. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit Beschluss vom 14. Oktober 2025 entschieden und damit den Eilantrag des Unternehmens abgelehnt.
Zur Begründung der Entscheidung, die den Beteiligten zugegangen ist, hat das Gericht ausgeführt:
Das Unternehmen hat nicht glaubhaft gemacht, auf die Kontoführung gerade bei der Stadtsparkasse Düsseldorf angewiesen zu sein. Insbesondere hat es Kontakte zu anderen Banken nach einer im April erfolgten Kündigung des bisherigen Kreditinstituts nicht hinreichend dargelegt. Zudem hat das Unternehmen keine ausreichenden Bemühungen unternommen, auf eine Kontofortführung bei dem bisherigen Kreditinstitut hinzuwirken.
Nach den Erkenntnissen des Eilverfahrens ist die Ablehnung der Kontoeröffnung durch die Stadtsparkasse Düsseldorf auch aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Eine hohe Zahl an Verbraucherbeschwerden über das Geschäftsgebaren des Telekommunikationsanbieters begründet den Verdacht, dass die Kontoführung für Zwecke der Verbrauchertäuschung missbraucht werden wird. So haben die Verbraucherzentralen zwischen Januar 2023 und März 2025 bundesweit rund 14.000 Beschwerden erhalten und mit Erfolg diverse Gerichtsverfahren gegen das Unternehmen eingeleitet.
Gegen den Beschluss kann Beschwerde erhoben werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
Es lässt sich zwischen den Zeilen erkennen, dass dieses Unternehmen – sprich die 1N Telecom GmbH – zunehmend für Banken als Kunde "verbrannt zu sein scheint" und das Gericht erkennt, dass möglicherweise Verbrauchertäuschung als Geschäftszweck im Vordergrund steht.
Der Text hier wurde am 17. Oktober 2025 auf Vorrat geschrieben. Im Nachgang hat mir jemand noch einen Artikel der Rheinischen Post (leider Paywall) zugeschickt, der den obigen Sachverhalt ebenfalls aufgreift.
Position der Bundesnetzagentur
Der Bundesnetzagentur liegen eine größere Menge Beschwerden vor, die sich im Wesentlichen auf ungewollte Anbieterwechsel und Versorgungsunterbrechungen bezogen. Vor allem ältere Verbraucherinnen und Verbraucher berichteten, dass sie auf der Grundlage von Werbebriefen der 1N Telecom GmbH für ihren häuslichen Telefon- und Internetanschluss unbeabsichtigt einen Anbieterwechsel ("Tarifwechsel") beauftragt hatten.
Soweit sich die Verbraucherinnen und Verbraucher dadurch im Einzelfall getäuscht sahen, riet die Bundesnetzagentur dazu, einen ungewollten Vertragsabschluss gegenüber der 1N wegen arglistiger Täuschung anzufechten und etwaigen Schadensersatz- und Zahlungsforderungen zu widersprechen.
Nach Auskunft der Bundesnetzagentur kam es im Zuge der ungewollten Anbieterwechsel vermehrt zu längeren Versorgungsunterbrechungen bei den betroffenen Personen, die mit einer erheblichen Gefahr für Gesundheit und Leben verbunden waren, soweit Notrufe etc. nicht abgesetzt werden konnten.
Die Bundesnetzagentur stoppte daher rund 15.000 in der Vorabstimmung zwischen den Anbietern befindliche Wechsel im Wege einer vorläufigen Anordnung, um weitere Anbieterwechsel gegen den Willen der Verbraucherinnen und Verbraucher zu verhindern. Das Verwaltungsgericht Köln hat dieses Vorgehen bestätigt (siehe Verwaltungsgericht Köln, 1 L 2173/23).
Gleichzeitig hielt die Bundesnetzagentur die abgebenden Anbieter dazu an, alle Anbieterwechsel und Rufnummernmitnahmen im Fall der 1N Telecom GmbH nur noch dann freizugeben, wenn dies der Kunde auf ausdrückliche Nachfrage hin gegenüber dem abgebenden Anbieter bestätigt. Diese Vorgehensweise hat sich bewährt: Beschwerden zu ungewollten Anbieterwechseln sind aktuell nicht zu verzeichnen. Werbebriefe verschickt die 1N Telecom GmbH nach dem aktuellen Erkenntnistand der Bundesnetzagentur seit Ende 2023 nicht mehr. Ansonsten scheinen die rechtlichen Möglichkeiten dieser Behörde weitgehend ausgeschöpft zu sein.
Position der Gewerbeaufsicht
Es gab noch den Ansatz, die Geschäftstätigkeit der beiden genannten Firmen über die zuständige Gewerbeaufsicht, wegen Untätigkeit zu untersagen. Hier deutet sich für mich aber an, dass die Möglichkeiten dieser Behörden begrenzt sind, bzw. der Wille zum Einschreiten erst nach einem rechtskräftigen Gerichtsurteil gegen die jeweiligen Geschäftsführer gegeben ist.
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Und trotz allem, kann diese Firma weiterhin Leute abzocken!… Zieh ich einen Film mit dem Esel, wäre ich längst verurteilt oder im Knast!