Microsoft: Volldampf in Richtung Big Brother?

Auf der BUILD 2017 versucht Microsoft ja die Entwickler für seine Vision der künftigen Entwicklung anzufixen. Was Microsofts Obere aber dort verkünden, zielt auf eine gruselige Zukunft mit Totalüberwachung und zeugt von einem fehlenden Gespür in Punkto Datenschutz und Privatsphäre. Einfach ein paar Informationen und Gedanken.


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Da soll die Reise mit Microsoft hingehen …

Aktuell findet ja die Microsoft Entwicklerkonferenz BUILD 2017 statt. Da fährt Microsoft alles, von Chef Nadella bis hin zu den Vizepräsidenten der einzelnen Sparten auf. Diese versuchen aufzuzeigen, wohin die Reise gehen soll.

  • Microsoft will das Internet of Things (IoT) in Verbindung mit der eigenen Cloud erobern. Unter dem Stichwort "Intelligent Cloud" will das Unternehmen seine Cloud-Dienste vermarkten. Diese sollen künftig riesige Datenmengen erfassen und per maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz analysieren. Zur Speicherung der Daten, weltweit und in Echtzeit, stellte Microsoft Azure Cosmos DB vor. Dabei sollen die Daten über weltweit verteilte Serverdatenbanken konsistent verteilt werden. Abfragen sollen binnen 10 Millisekunden möglich sein. Die Ergebnisse sollen auf jedem Gerät in Echtzeit dargestellt werden können. Bei heise.de hat man einen Artikel zu verfasst.
  • Ich habe es nur am Rande mitbekommen – aber auf der BUILD 2017 wurde auch der Online-Dienst Microsoft Video Indexer vorgestellt. Dieser kann Videos automatisch nach Personen, Sprache und Inhalten durchsuchen und soll sich von Jedermann nutzen lassen. Das ist quasi der feuchte Traum von Stasi 4.0. Bei Golem titelt man Azure bekommt eine beeindruckend beängstigende Video-API, heise.de meint dazu Build 2017: Automatisierte Video-Überwachung für Jedermann. Interessant, die Zitate aus dem heise-Artikel "Microsoft bewarb diese Möglichkeiten etwa mit der lückenlosen Überwachung von Arbeitern an ihrem Arbeitsplatz." und Peter Jäger, Senior Director Developer Experience and Evangelism von Microsoft Deutschland, spricht, laut heise in diesem Zusammenhang von einer "Demokratisierung" der Überwachungswerkzeuge. Nicht eine Elite, sondern Jedermann soll diese Tools nutzen können.
  • Im gestrigen Blog-Beitrag Windows 10 Fall Creators Update kommt im Herbst mein Unbehagen über das ausgedrückt, was da geplant ist. Daten über eine cloud-gestützte Zwischenablage (Cloud-Clipboard), Cortana soll plattformübergreifend funktionieren und alles Gesprochene auf die Microsoft-Server übertragen. Und es gibt eine Videobearbeitungs-App Story Remix, mit dem man Fotos und Videos veröffentlichen können soll. Die Universal Windows App Windows Story Remix läuft auf Basis von .NET und nutzt künstliche Intelligenz sowie Deep Learning, um Fotos sowie Videos unterschiedlicher Plattformen zu organisieren und diese zu einer Geschichte zusammenzufügen. Heißt: Anbindung an Microsofts Server.

Vor ein paar Tagen hatte ich über ein Patent von Microsoft berichtet, welches Techniken aufzeigt, mit denen Microsoft und Dritte angebliche Copyright-Verstöße in den gespeicherten Cloud-Daten erkennen und sanktionieren kann (siehe Microsoft und die Cloud: Copyright-Verstöße sanktionieren). Bei Dr. Windows lese ich in diesem Artikel 'Microsoft stellte außerdem mit Azure Application Insights einen neuen Telemetrieservice vor, mit dem sich Webanwendungen auf Basis von Microsoft Azure besser überwachen lassen.' – na prima, darauf hat die Welt gerade gewartet. 

Gerade lese ich hier, dass eine Sicherheitslücke in Edge das Abgreifen von sensitiven Daten für Facebook oder Twitter-Logins ermöglicht. Aktuell sollen wohl drei ungepatchte Lücken in Edge bekannt sein. Die Liste könnte man beliebig fortsetzen.

Als gäbe es Snowden, Trump, Erdogan & Co. nicht

Zwischenzeitlich gewinne ich den Eindruck, auf dem falschen Stern zu leben. Geht man die Artikel der US-Presse durch, wird das alles, was Microsoft so vorstellt, als great abgefeiert. Totale Überwachung am Arbeitsplatz – wen kratzt das? Dass Daten Begehrlichkeiten wecken und zu Missbrauch führen? Aber Daten sind das neue Öl. Edward Snowden wird daher auch als Verräter von den USA gejagt. Dass Trump als derzeitiger US-Präsident alle Gewissheiten bezüglich Datenschutz mit Europa per Federstrich auf den Prüfstand stellt – hat man nicht auf dem Radar. Dass neue Despoten die Daten begierig auswerten und zur Verfolgung Andersdenkender verwenden (erleben wir aktuell in mehreren Ländern) – ficht Microsofts Obere scheinbar nicht an. Man hat sich einen Verhaltenskodex verschrieben, der den unmoralischen Einsatz der Technik verbietet – wie man hier bei heise.de nachlesen kann.

Einen einzigen, ganz lesenswerten, Kommentar zu diesen Ankündigungen habe ich von Fabian Scherschel bei heise.de gefunden. Er findet die von Microsoft aufgezeichnete Vision einfach nur gruselig. Zitat:

In der Ära von Snowden und Trump wirkt das fehlende Gespür für die Würde des Menschen und seiner Daten vor allem auf dieser Seite des Atlantiks arg befremdlich.

Diesem Zitat kann man einfach nichts mehr hinzufügen – wer jetzt nicht wach wird, dem ist nicht mehr zu helfen. Das ist zumindest der Eindruck, dem ich mich nicht erwehren kann. Oder wie seht ihr das?


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11 Antworten zu Microsoft: Volldampf in Richtung Big Brother?

  1. RPMX sagt:

    Hatte das mit Azure vorgestern schon bei Golem gesehen und mir meinen Teil gedacht.

    Ich könnte mich jetzt natürlich endlos bei jedem Microsoft-Artikel (Grund genug dazu gibt es ja nicht gerade wenig) wiederholen. Stattdessen einfach mal: http://www.borncity.com/blog/2017/05/11/windows-10-und-die-500-millionen-installationen-ja-und/#comment-43696

    Die merken echt nix mehr…

  2. Axel sagt:

    Ganz ehrlich, darauf sind wir (und vor uns die Amerikaner) doch lange eingestimmt worden. Dahinter steckt erstklassiges (langjähriges) Marketing, welches die Bequemlichkeit der meisten von uns ausnutzte.
    Iot, Big Data, Industrie 4.0 usw./usf. alle reden mit einer Begeisterung darüber, als wäre dies die Heilung von HIV und allen Krebsarten in einem.
    Wer diesen und andere blogs liest, hat doch ein gewisses Grundverständnis der Materie und gesunde Skepsis.
    Nun fragt aber doch mal in Eurem Freundes-/Familien-/Bekanntenkreis, denen ist meist alles egal. Ganz besonders bei der nachwachsenden Generation, Hauptsache, das nächste selfie sitzt….

  3. Nils sagt:

    Die Medaille hat ja immer zwei Seiten. Viele der neuen Funktionen und Features begeistern auch mich. Eine über Gerätegrenzen hinweg verfügbare Zwischenablage ist z.B. ein bequemes und tolles Feature. Dass dafür allerdings natürlich zwangsläufig Daten das lokale Gerät verlassen müssen, ist die andere Seite der Medaille.

    Aber so ist das leider immer, man muss einen Mittelweg zwischen Bequemlichkeit und Sicherheit finden. Beides zu 100% geht nicht.

    Das größte Problem sehe ich in großen Firmenumgebungen. Windows 7 lässt sich dort nicht mehr einsetzen, nicht zuletzt deshalb weil die neuen Prozessor und Chipsatz Generationen (Kaby Lake und Ryzen) dieses Betriebssystem einfach nicht mehr unterstützen. Linux und MAC kommen oftmals auch nicht in Frage, weil spezielle Anwendungen, die in einer Firmenumgebung eben unverzichtbar sind, nicht zur Verfügung stehen. Und zwei oder drei verschiedene Betriebssysteme würden eben einen riesigen Verwaltungsaufwand darstellen. Also wird man dort zwangsläufig auf Windows 10 zurückgreifen müssen. Und da man bei Windows 10 spätestens jedes zweite Build Release installieren muss und ansonsten keine Sicherheitsupdates mehr bekommt, werden einem alle neuen Features mehr oder weniger aufgezwungen. Wer sich mit der Materie genauer auseinander gesetzt hat, der weiß, dass die LTSB Variante ausschließlich in speziellen Umgebungen (Produktion) Sinn macht, aber keinesfalls auf normalen Bürocomputern.

    Deshalb hab ich schon oft geschrieben, für eine Enterprise Umgebung wäre eine Art Baukasten System die beste Lösung, in dem die Administratoren selbst auswählen können, welche Features sie ausrollen wollen und welche nicht. Windows Hello z.B. sehr gerne, einfach weil dieses Feature ganz erheblich zur Sicherheit beiträgt. Ebenso der Credential Guard usw. Aber eben nicht Cortana und Telemetiedatenerfassung.

  4. Tim sagt:

    "Peter Jäger, Senior Director Developer Experience and Evangelism von Microsoft Deutschland, spricht, laut heise in diesem Zusammenhang von einer „Demokratisierung" der Überwachungswerkzeuge. Nicht eine Elite, sondern Jedermann soll diese Tools nutzen können."

    Das ich nicht lache… das werden Politiker, Stars und Sternchen, sowie "Verantwortliche" in verschiedenen Bereichen schon zu verhindern wissen…
    Ansonsten bricht mit dem Quatsch das zusammen, was wir Demokratie nennen, weil eben alles offen liegen würde. Das hat mehr Sprengkraft als Bomben.

    Eigentlich sollte bekannt sein, das man eben nicht alles machen sollte, was möglich ist.

    Bei aller geplanter "Überwachung" freue ich mich, das es andere viel härter trifft als mich und das verheimlichen wird auch für andere immer schwieriger.

  5. Tim sagt:

    "Totale Überwachung am Arbeitsplatz – wen kratzt das?"

    Das Gefühl der totalen Überwachung ist halt anders, wenn man bei Microsoft USA arbeitet, als vielleicht in China in der Mega-Fabrik.

    Letztlich umgibt Arbeiter auch hier heute schon häufig Kameraüberwachung und Maschinenstatistiken lassen letztlich auslesen, wer was leistet, wenn sich das ganze gegen den Arbeiter richten soll. Auch wenn es vordergründig Rechtliche Rahmenbedingungen gibt, kann und werden solche Daten firmenintern manchmal auch gegen Arbeiter genutzt. Dumm wer glaubt, das es nicht so ist.

    Mit was will Microsoft da denn noch kommen, die verfeinern und automatisieren doch höchstens noch? Warten auf die mobile Altenhilfe ausgestattet mit einer GoPro?

    Die Frage ist ja immer, was, wie und warum überwacht wird. Innerhalb des Unternehmens bin ich eher zu einer Überwachung bereit, als Privat. Innerhalb des Unternehmens kann es halt auch hilfreich sein, Unfälle aufklären etc. Gehts zu offensichtlich nur gegen die eigenen Arbeiter, kann man sich jederzeit mit offenem Hinweis darauf entscheiden zu gehen. Wer seinen Mitarbeitern nicht traut, hat meistens auch gar kein Vertrauen verdient.

  6. Kim O. Fee sagt:

    "Was Microsofts Obere aber dort verkünden, zielt auf eine gruselige Zukunft mit Totalüberwachung und zeugt von einem fehlenden Gespür in Punkto Datenschutz und Privatsphäre."

    Merkwürdig … wie kann mit solchen Gedanken im Kopf ein Buch-Manuskript über Windows 10 zum Ende gebracht werden? Geht das ohne Spaltung der Persönlichkeit? Oder zieht die Götterdämmerung herauf, am Scheideweg der Glaubwürdigkeit?

    Kürzlich war von Dir zu lesen, dass Du Dich von Linus Thorwalds Ideen inspiriert fühlst… schreibe übrigens gerade mit einem Laptop, auf dem nur "Tails" installiert ist, während ein Windows 7-PC ohne Netzanschluss eine PSpice-Simulation durchführt, deren Ergebnisse (außer mir und meinem Auftraggeber) niemand zu interessieren hat. Bisher wurden Betriebssystem- und externe Datenpartitionen voneinander getrennt, gegen Totalüberwachung, für Datenschutz & Privatsphäre kann das nur Internet getrennt von Allem bedeuten – mit Linux und strikten Rechten ausgestattet ins Internet-Minenfeld, unverzichtbare Windows-Programme auf unabsehbare Zeit netztechnisch unzugänglich abgeklemmt. Es könnte, sollte sich als lohnend erweisen, Manuskripte über diesbezügliche Alternativen in Angriff zu nehmen …

  7. Hansi sagt:

    Nochmal, MS kalkuliert intern mit etwa 5$ pro Monat und User, wenn man alle Userdaten nach Belieben verwerten könnte, also alles auf der Platte des Users, und alles was rausgeht, Telemetrie, Konsumgewohnheiten, etc. Schon heute steht meines Wissens in den AGBS/EULAs, daß MS mit den z.B. vom Defender oder Store gesammelten Daten praktisch machen kann, was es will, wenn MS die komplette Platte ausliest und nach Redmond schickt, ist das legitim, zumindest in den Ländern, in denen die EULAs gelten. Aber alles natürlich nur im Kampf gegen den Terror äh die Malware.

    • Axel sagt:

      Das würde wiederum erklären, warum in letzter Zeit macnhmal so darauf herumgeritten wird, dass ein zusätzlicher Virenscanner nutzlos sei, es gäbe doch defender…vielleicht kommen über defender nicht genug Daten rein. :)
      Ich habe aufgrund des internationalen Weltunterganges letzte Woche, ääähm, ich meine der ransomware-Geschichte, mal versucht, Kaspersky zu deaktivieren, um defender zwischendrin mal zu updaten…ging nicht.
      Wenn ich dann das obige lese, bin ich froh.
      Wobei ich natürlich auch nicht weiß, was K. mit meinen Daten macht. :)

  8. Teletom sagt:

    Mich gruselen diese Visionen auch, schon seit längerem, denn dies war für Leute, die das Geschehen mit offenen Augen verfolgen, längst vorherzusehen. Und hätte die sehende Minderheit die Möglichkeit gehabt, es zu verhindern, zu ändern oder nicht?

    Anlässlich dessen möchte ich aber die Frage aufwerfen, wenn es diese Möglichkeiten der Videoauswertung schon gibt, ist es dann besser, sie sind einer elitären Minderheit vorbehalten oder ist es besser, wenn jeder sie einsetzen kann?

    Was meint ihr?

  9. ChrisTo sagt:

    Ungeachtet der Tatsache, dass die zunehmende Funktionsvielfalt aktueller und zukünftiger Informationstechnik und Technologien, viel Futter für feuchte Träume von Dikatoren und "Faden Ziehern" bereitstellt (KI, BostonDynamics, Social Credits, … ).
    Wäre es JETZT allerhöchste Eisenbahn, für Softwarehäuser, ihre Produkte OSx-, Unix-/Linux oder tauglich zu machen, oder Kunden intern als browserbasierende Lösung (Vorallem in Behörden und Ämtern eigentlich keine Herausforderung fertige Masken zum Ausfüllen sind keine Kernphysik).
    Es gibt leider sehr viel (gefühlt 90%) an Produktivitätssoftware wie DATEV, Werkstatt-, Kanzlei- und Praxissoftware, CAD, Designprogramme, … die ausschließlich auf Windows laufen.
    DAS muss sich ändern.
    Microsoft von seinem Treiben abzubringen wird nicht mehr möglich sein.

    Früher haben viele Unternehmen "Haussoftware" selber gebaut, da noch InHouse IT vorhanden war. Die wurde mittlerweile von Systemhäusern größtenteils auch aufgefressen. Somit fehlt in vielen Unternehmen Aufklärung im EDV Bereich, sowie Schulungen und Man-Power für Eigenenlösungen.
    Viele Firmen würden mit einer Betriebssystem unabhängigen Client-Server Lösung auf Webapplikation Basis (InHaus) schon ganz gut fahren können.

    Aber Windows mit Programmen von der Stange ist halt der bequemere Weg … Leider.

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