Im heutigen Blog-Beitrag möchte ich die Artikelfolge fortsetzen, die sich mit dem Thema Datenrettung von Medien befasst. Konkret geht es um die professionelle Datenrettungssoftware EasyRecovery des Datenrettungsspezialisten Kroll Ontrack. Ich habe die Software in einem Praxisfall getestet und zeige auf, was das Programm leistet.
Anzeige
Wenn eine Festplatte kaputt geht, formatiert wurde, oder Daten unbeabsichtigt gelöscht wurden, ist guter Rat teuer. Gibt es keine Backups, geht das Rätselraten los "wie komme ich an meine Daten". Das Wörtchen Festplatte lässt sich natürlich auch durch eine CD oder DVD, eine Speicherkarte oder ein USB-Medium ersetzen. Meistens tritt der GAU ja immer dann auf, wenn a) keine Zeit für so was ist, b) zufällig kein Backup vorliegt oder c) wenn alles mal wieder zu schnell gehen musste. Von O & O gibt es das Programm Diskrecovery, welches ich Anfang des Jahres im Artikel O&O DiskRecovery 9: Sofort-Hilfe bei Datenverlust vorgestellt habe.
Der Datenrettungsspezialist Kroll Ontrack bietet verschiedene andere Möglichkeiten. Über Kroll Ontrack habe ich hier im Blog ja schon diverse Male berichtet. Die retten den Inhalt einer Festplatte auch schon mal, wenn der Rechner bei einem Brand beschädigt und der Datenträger nur noch in einem Haufen geschmolzenem Plastik daherkommt.
Professionelle Datenrettung, wenn nichts mehr geht
Kroll Ontrack: Die Top 10 der skurrilsten Datenverluste 2013
Aber nicht jeder Anwender wird sich sofort ein Angebot von Kroll Ontrack zur professionellen Datenrettung holen, wenn die SD-Speicherkarte von Omas Geburtstagsfeier unlesbar geworden ist. Selbst bei einem Festplattenproblem denkt man erst "kannste selber machen". Nun ja, in den vergangenen Jahren hatte ich immer mal wieder Fälle, wo ich versehentlich Dateien auf Datenträger gelöscht hatte. Also, teilweise hochgelobte, Freeware ausprobiert und frustriert festgestellt "taugt nix". Aber die Daten waren nie wichtig oder ich hatte ein Backup.
Daher hatte ich seit Frühjahr 2014 eigentlich einen Test der Kroll Ontrack EasyRecovery-Software auf der Agenda. Da gab es ein per Factory Reset gelöschtes Nexus 4 (da hatte ich ein Backup) und es gab gerade einen Nutzerkommentar zu Datenrettung unter Android. Ich hatte ein paar Tools, die im Internet empfohlen wurden, kurz angetestet – aber keines funktionierte für das Nexus 4 wirklich. Erinnerungsmäßig hatte ich auch eine kaputte Festplatte für den Test eingeplant (deren Daten habe ich vor vielen Jahren retten können, indem ich sie für eine Stunde in die Gefriertruhe legte und dann kopierte). Aber irgendwie hatte ich das Teil verlegt. Und wie das so üblicherweise geht: Es gab immer zu viele "heiße Themen", die weniger Aufwand erforderten, die ich verbloggt habe. Und als Zeit für den Test gewesen wäre, fand ich den Freischaltcodes für die Kroll Ontrack-Software nicht mehr. Scheibenkleister #1 … also kamen neue Themen auf die Blog-Agenda – Kroll Ontrack wurde für "später" aufgeschoben.
Anzeige
Scheibenkleister #2: Vor fast 3 Wochen starb auf dem Produktivsystem die Festplatte mit Windows – ich habe in Teil 1 berichtet. Ich konnte das System zwar mit Windows PE sowie Windows To Go booten und die wichtigsten Dateien auf eine zweite Festplatte sichern. Für das Betriebssytem hatte ich ein Backup. Aber einige Daten waren im digitalen Nivana verschwunden. War kein wirklicher Beinbruch und ich habe das Ganze erst einmal ein paar Tage ruhen lassen …
Aber das war der Zeitpunkt, wo ich dachte: "Hey, ist zwar nett, dass Du eine fein aufgeräumte und fast leere Festplatte im Rechner hast. Aber so schnell kommt die Gelegenheit nicht wieder, am kaputten Objekt testen zu können, was so eine Datenrettungssoftware taugt". Also bei der Pressebetreuung von Kroll Ontrack nachgefragt, ob die irgendwo den alten Freischaltcode noch finden können. Konnten sie, und ich hatte irgendwann eine Stunde Zeit, um nochmals was zu testen. Und weil es jeden von euch treffen kann, dachte ich: Mache ein paar Blog-Beiträge zum Thema, wo Du beschreibst, wie man vorgehen kann, was man nicht tun sollte, und was EasyRecovery gebracht hat. Ok, ist jetzt ein langer Vorspann geworden – here we go.
Kroll Ontrack EasyRecovery im Blick
Kroll Ontrack bietet EasyRecovery auf seiner Webseite in drei Varianten: Ontrack EasyRecovery Home (89 Euro), Ontrack EasyRecovery Professional (179 Euro) und Ontrack EasyRecovery Enterprise (489 Euro) an. Es handelt sich jeweils um eine Jahreslizenz. Die einzelnen Versionen richten sich in den Features an unterschiedliche Nutzerkreise.
- Home: Die optimale Data Recovery-Lösung für Privatanwender, die ein schnelles und leicht zu bedienendes Tool für die Wiederherstellung von digitalen Fotos, Filmen, Musikdateien und anderen wichtigen Office-Dokumenten benötigen. Bietet nun auch Funktionen zur Datenlöschung und zur präventiven Festplattenanalyse.
- Professional: Die Professional Edition bietet einen erweitertes Set an Wiederherstellungstools: E-Mail Recovery, Hex Viewer, SMART, Bad Block/Block Usage Diagnostics, Imaging-Tools, Copy Disk und Refresh Disk. Bietet nun auch Funktionen zur Datenlöschung und zur präventiven Festplattenanalyse.
- Enterprise: Die umfassendste Edition mit Support für die Datenwiederherstellung über Netzwerk in Unternehmen mit zahlreichen Arbeitsplatzrechnern. Unterstützt Hardware und Software-RAID-Wiederherstellung und bietet ein umfangreiches Set an Wiederherstellungstools. Die neue Edition bietet jetzt auch Funktionen zur:
– Datenlöschung
– präventiven Festplattenanalyse
– VMware Support zur Datenrettung – sichere Datenlöschung.
Als Privatanwender ist man mit der Home-Variante sicher gut bedient – ich habe die Professional-Variante im Test gehabt. Diese dürfte für Supporter und PC-Techniker das richtige Tools sein und die Enterprise-Variante lohnt sich imho nur, wenn man über Netzwerk Daten retten muss. Einen detaillierten Featurevergleich findet man im Kroll Ontrack Shop.
Was ich genial finde: Die Software gibt es für Windows und für Mac OS X – und: Falls ich in ein "verlorene-Daten-Problem" rausche, kann ich mir die Testversion gratis von den Kroll Ontrack-Seiten herunterladen und ausführen. Die sagt mir dann, ob und welche Daten wiederherstellbar sind. Retten kann man die Daten natürlich nur mit der lizenzierten Version. Aber dann lässt sich die Entscheidung, ob ein Jahresabo lohnt, auf einer soliden Basis treffen.
Erste Maßnahmen im Falle eines Datenverlusts
Falls ein Datenträger gelöscht, irrtümlich formatiert oder beschädigt wurde, ist es wichtig, sofort die richtigen Maßnahmen zu treffen.
- Bei einem Windows-Laufwerk und sterbender Festplatte sollte diese sofort still gelegt werden. Installiert ein funktionsfähiges System auf einer neuen Festplatte. Anschließend könnt ihr versuchen, ob die "kranke" Festplatte als 1:1-Kopie auf eine Festplatte gleicher Kapazität kopierbar ist. Gelegentlich hilft es, die Festplatte wasserdicht in eine Folie zu packen und eine Zeit lang in die Gefriertruhe zu legen. So habe ich schon Daten von solchen Medien kopieren können, die bei Normaltemperatur nur noch Fehler lieferten.
- Wurden Daten gelöscht, darf keinesfalls auf den Datenträger geschrieben werden. Programminstallationen, kopieren von Dateien auf den Datenträger, verschieben von Dateien können die Datenstrukturen irreparabel überschreiben. Lasst auch die Finger von Konvertierungstools und dergleichen. Ich verweise hier auf diesen Kommentar und meine Ausführungen. Die Festplatte muss in der Datenträgerverwaltung erkannt werden – dann kann man auch ein RAW-Laufwerk ggf. noch mit Datenrettungstools beackern. Falls es da Probleme gibt, am Artikelende habe ich ein paar weiterführende Artikel verlinkt.
- Ganz wichtig: Falls Windows beim Booten eine Datenträgerreparatur anbietet, solltet ihr diese durch Drücken einer Taste überspringen. Ich bin leider in diese Falle gerauscht, weil mein Rechner (wegen der defekten Festplatte) sehr lange bootete und ich nach dem Einschalten das Büro für andere Aktivitäten kurz verlassen habe. Die Datenträgerprüfung hat mir dann eine Menge Sektoren kaputt "repariert", so dass die Daten weg waren.
Das Ergebnis der "Datenträgerreparatur" sah dann wie hier am Beispiel einer Datenpartition gezeigt aus. Auf dem Laufwerk "Daten0" war nur noch ein Ordner, eine kaputte PDF-Datei und eine Kennung bootsqm.dat, die auf die Beschädigung hinwies. Das Laufwerk G: war gar nicht mehr zugreifbar, wurde als RAW angezeigt oder führte zum Aufhängen des Explorers. Und bei den Laufwerken F bis P sah es nicht viel besser aus.
Die Laufwerke C bis E gehören zur zweiten Festplatte, die im System eingebaut ist und von der die neue Windows-Installation gebootet wurde.
Bei meinen Systemen ist das Arbeiten mit mehreren Festplatten recht komfortabel. Beide Medion-Desktops, die ich hier herum stehen habe, sind mit einem "Datenhafen" versehen. Ich kann also eine SATA-Platte in einen solchen Einschub montieren, das System von der internen Festplatte booten und dann auf die 'kranke' Festplatte zugreifen.
Nach dem Einspielen eines Systembackups auf eine neue Festplatte hatte ich aber das Problem (und das kann jeden Anwender, auch nach dem Klonen einer Disk, treffen), dass die Disk-ID der kaputten und der neuen Festplatte identisch waren. Hintergrund: Die neue Platte war noch nicht initialisiert und Backup kann eine Partitionierung vornehmen. In diesem Fall wird die zweite (kaputte) Festplatte wegen der gleichen Disk ID von Windows offline genommen. Dann ist die Datenträgerverwaltung zu starten. Wird die zweite Festplatte gefunden, kann man die Platte per Kontextmenü über den Datenträgereintrag online oder offline nehmen (siehe folgendes Foto).
EasyRecovery im ersten Überblick
Das war nun meine Situation, in der ich EasyRecovery Professional einem Test unterziehen konnte. Die wichtigsten Daten waren gesichert, Windows lief auf einer anderen Festplatte und die kranke Festplatte lief in einem Rahmen mit. Nach der Installation unter Windows fordert Ontrack EasyRecovery beim Start administrative Berechtigungen an und meldete sich nach einiger Zeit mit einem Startbildschirm. Über eine Fortsetzen-Schaltfläche lässt sich ein Assistent durchlaufen, der den Benutzer durch die Schritte führt.
In Schritt 1 werden die unterstützten Medien (Festplatte, Flash-Speicher, Optische Medien, Multimedia-Gerät oder RAID System) zum Restaurieren angeboten. Ich habe Festplatte gewählt und dann auf Fortsetzen geklickt. Wenn alles gut geht, sollten dann die Festplatten in folgendem Fenster aufgelistet werden.
Das hat bei mir gut 20 – 30 Sekunden gedauert. Man kann in diesem Fenster dann die gewünschte Partition, das logische Laufwerk oder den Datenträger, je nachdem, was gebraucht wird, auswählen und auf Fortsetzen gehen. Ich habe ein logisches Laufwerk markiert – und da die Partitionstabelle noch heile war (die Kapazitäten wurden korrekt angezeigt), war ich optimistisch. Allerdings wurde ich sofort mit folgendem Fenster begrüßt.
Es ist eine Kombination von Werbung für Kroll Ontracks Datenrettungsdienste und einem "schütze den Anwender vor sich selbst"-Ansatz. Wenn defekte Blöcke vorliegen, ist natürlich die 'Hütte am Brennen'. Kroll Ontrack hat Spezialisten, die dann eine Festplatte professionell im Reinraum zerlegen und die Datenspuren kopieren können. Da ich nichts mehr verlieren konnte und einen Test fahren wollte, hätte mich das nicht weiter gebracht. Also habe ich das Dialogfeld über die Schließen-Schaltfläche in der rechten oberen Ecke weggeklickt.
In Schritt 3 (obiges Foto) lässt sich dann ein Rettungsszenario wählen. Habe ich aber nicht getan, da meine Festplatte ja am Sterben war.
Festplattenimage erstellen
Wegen der kranken Festplatte hat mich die Option Imagedatei erstellen in der Symbolleiste des Programmfensters interessiert. Ich bin also auf Schritt 2 zurückgegangen und haben eine Partition angewählt.
Diese habe ich dann über die Schaltfläche Imagedatei erstellen in eine Datei auf einer anderen Festplatte kopieren lassen. Das hat bei einer 100 MByte-Partition schon über eine Stunde gedauert und wurde von folgender Fortschrittsanzeige begleitet.
Man sieht, dass da sehr viele Diskfehler gemeldet wurden. Aber ich konnte meine Datenpartition auf die zweite Festplatte als Imagedatei ablegen. Bei den anderen Partitionen hatte ich weniger Glück, da gab es sofort eine Meldung, dass die Daten nicht kopiert werden konnten.
Hatte ich einen Fehlgriff getan und die Daten waren verloren? Auf ein Clonen der Festplatte auf eine zweite Festplatte mit Tools wie CloneZilla & Co. wollte ich verzichten. In Teil 3 (und Teil 4) berichte ich ab Montag, was sich mit der kopierten Imagedatei an Erkenntnissen ergab und wie ich die Daten doch noch weitgehend gerettet bekam.
Artikelreihe
Festplatten-Crash–was tun? – Teil 1
Kroll Ontrack EasyRecovery im Test – Teil 2
Datenrettung mit Kroll Ontrack EasyRecovery – Teil 3
Datenrettung mit Kroll Ontrack EasyRecovery – Teil 4
Ähnliche Artikel
Disk-Doktor – Teil I
USB-Stick wird als RAW angezeigt – Disk-Doktor II
CD-/DVD-Laufwerke/-Medien testen – Disk-Doktor III
USB-Festplatte wird nicht erkannt
Windows 8.1 vergibt keine Laufwerksbuchstaben für USB-Drives
microUSB-Adapter: Das Ende das Kabelsalats
Professionelle Datenrettung, wenn nichts mehr geht
O&O DiskRecovery 9: Sofort-Hilfe bei Datenverlust
Anzeige
Sicher eine interessante Software und ein spannender Artikel. Aber 89 Euro für eine Home 1 Jahres!! Lizenz ist für mich als Privatanwender viel zu teuer. Da gibt es aber billigere Alternativen.
welche billigere Alternativen sollen das sein?
es gibt nicht immer um den Preis, sondern gerade bei diesen Tools um die Qualität. was sind schon 90 Euro für Fotos (bspw. Urlaubserinnerungen / Hochzeit/Jubiläum usw.)
Na gut für mich ist diese Art von Software eher kein Thema. Fotos vom iPhone werden automatisch in die iCloud gesichert. Vom System Laufwerk mache ich wöchentlich ein Image und die anderen Daten Synchronisiere ich auf eine externe 1TB USB3 Festplatte für 69 Euro. O&O Produkte sind preiswerter da keine Jahreslizenz und öfter Rabatte um die 40%.
was machst du mit den Daten in der Woche zwischen der Datensicherung, denn idR kommt das Problem nicht wenn man es erwartet.
Bzgl. O&O schau mal hier:
http://www.borncity.com/blog/2014/11/02/oo-diskimage-9-pro-verffentlicht/comment-page-1/#comment-18450
Hallo,
es kann ja sein, das ich den Autor falsch verstanden habe.
Aber da steht: "Falls ein Datenträger gelöscht, irrtümlich formatiert oder beschädigt wurde, ist es wichtig, sofort die richtigen Maßnahmen zu treffen."
Die Software wird erwähnt, weil das Kind in den Brunnen gefallen ist.
Natürlich gibt es Alternativen, aber kein Problem ist gleich.
Mit Recuva kann man Daten sichern/wiederherstellen wenn das Laufwerk physisch intakt ist. Hier ist die Festplatte aber wohl defekt.
Man sollte einfach bei Problemen mit dem Laufwerk einen Klon erstellen.
Sicher ist Sicher, und der Cloud vertraue ich keine privaten Daten an.
Cloud = geklaut !!
Tschau