LiMux: Was tut sich?

Die Stadtverwaltung von München ist ja seit 2004 auf Linux und Open Source umgestiegen. Das Projekt läuft unter dem Namen LiMux und sorgt zuverlässig für Schlagzeilen, ist es doch unter die Räder der Kommunalpolitik geraten. Letzte Woche gab es eine Stadtratssitzung, in der mal wieder Entscheidungen gefällt wurden.


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Zum Hintergrund

Momentan tobt ja eine richtige Schlacht im öffentlichen Bereich, mal geht es in Richtung Open Source und Linux, mal schlägt das Pendel zu Gunsten von Microsoft-Software aus (siehe Linkliste am Artikelende).

In München kristallisiert sich seit Monaten heraus, dass einzelne Fraktionen im Stadtrat, u.a. Bürgermeister, aus der Linux- und Open Source-Infrastruktur aussteigen und auf Lösungen mit Microsoft Windows-Clients sowie Office-Lösungen umschwenken wollen.

Im Artikel Münchens Intrigantenstadel: Neues zu LiMux und der Rückkehr zu Microsoft hatte ich voriges Jahr einige Details berichtet. Von der Verwaltung wurde die Unternehmensberatung Accenture (mit Microsoft verbandelt) beauftragt, ein IT-Konzept für die zukünftige Entwicklung der IT-Systeme für die Stadtverwaltung zu erstellen. Eine Kernaussage aus einer älteren Vorlage für den Stadtrat lautet.

Die Gutachter gehen auftragsgemäß auch auf die Frage der Client-Betriebssystem-Welten ein, ohne jedoch eine Empfehlung dahingehend auszusprechen, entweder nur mit dem LiMux-Basisclient oder nur mit dem Windows-Standard-Client die zukünftige Client-Architektur fortzuentwickeln. Die Gutachter empfehlen punktuelle Verbesserungen bei LiMux-Client und einen vollständigen Neuaufbau beim Windows-Client. Für die nächsten Jahre bleibt damit der Einsatz beider Client-Alternativen erforderlich.

Der Satz "empfehlen einen vollständigen Neuaufbau beim Windows-Client" gibt Oberbürgermeister Dieter Reiter Munition an die Hand, eine 180-Grad-Volte, weg von Linux und OpenOffice bzw. LibreOffice und hin zu Windows und Office durchführen zu lassen.

Ein neuer Antrag: Hin zu Windows und Office

Die regierende Koalition aus CSU und SPD im Stadtrat von München haben letzten Mittwoch über den Verwaltungs- und Personalausschuss einen Antrag zur Neuausrichtung der Neuorganisation der kommunalen Informations- und Kommunikationstechnik gestellt. Die Open Source-Lösung in der Verwaltung Münchens soll nach einer Übergangsfrist durch einen "Windows-Basis-Client" ersetzt werden. Für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentation, PDF-Reader, E-Mail und Internetbrowser ist, laut Antrag, dann auf "marktübliche Standardprodukte" zu setzen.

Das Ganze ist vom Stadtparlament zwar noch nicht endgültig beschlossen, die entsprechende Sitzung soll wohl kommende Woche stattfinden. Angesichts der herrschenden Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat ist aber davon auszugehen, dass der Antrag der regierenden Schwarz-Roten-Koalition gegen die Stimmen der Grünen und der Piraten angenommen wird. Bei Interesse lassen sich in folgenden Artikeln weitere Details nachlesen.

LiMux in München vor dem Aus (Pro Linux)
Münchner Stadtrat will Limux rückabwickeln (Golem)
IT-Neuorganisation in München: Gnadenfrist für LiMux
Von Linux zurück zu Microsoft: Schwarz-Rot in München will LiMux rauswerfen (heise)

Die Opposition spricht von einer katastrophalen Fehlentscheidung und Schildbürgerstreich, wie man bei heise.de nachlesen kann. Dürfte ein Millionengrab für München werden. Scheint so, dass die einsamen Rufer in der Wüste, die sich für eine Reduzierung der Abhängigkeit von US-Softwarekonzernen einsetzen, immer weniger werden. Mit einer Bewertung halte ich mich bewusst zurück, aber die kommenden Jahre werden, nach meiner Einschätzung nach, noch spannend.


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16 Antworten zu LiMux: Was tut sich?

  1. Ach das ist mir eigentlich ziemlich egal was die Bayern so in München Treiben, wenn die Leute LiMux oder Linux nicht verstehen ist denen Leider auch nicht mehr zu helfen.
    Es ist eigentlich nur schändlich das sich darüber Leute Gedanken und Entscheidungsgewalt haben die von Computern, Datenverarbeitung und Betriebssystemen eh keine Ahnung haben und weil sie dann irgendein Programm nicht so wie auf ihrem Heimischen Windows PC nicht installieren können das ganze System als gescheitert einstufen.

    Sollen sie sich dann halt mal mit Windows 10 herumschlagen, dann werden sie schon sehen was und welche Möglichkeiten sie unter Limux hatten. Irgendwie freue ich mich schon drauf wenn es die ersten negativen Bemerkungen gibt.

    • Potrimpo sagt:

      Sosehr ich Dir auch zustimmen wollte, kann ich das leider nicht.

      Das Projekt LiMux ist 2003 gestartet und – und das ist das eigentlich Schändliche – offiziell "erfolgreich" 2013 in den Regelbetrieb gegangen.

      Erfolgreich in diesem Zusammenhang würde heißen, dass sich nicht nur ein paar Personen sich auf die Schultern klopfen dürfen, sondern dass ein echter "Regel"betrieb möglich wäre.

      Tatsache ist, dass sich der Regelbetrieb aktuell – wir schreiben 2017 – wie zu Beginn des Projekts, bei dem man durchaus mit Problemen gerechnet hat, darstellt.

      – Formulare sind seit 2003!, also seit 14 Jahren, nicht migriert und müssen statt dessen händisch ausgefüllt und manuell nachträglich erfasst werden
      – Antwortzeiten teilweise zwischen 10 Sekunden bis mehrere Minuten
      – Regelmäßige Serverausfälle
      – Regelmäßige Ausfälle von Systemen in kompletten Abteilungen (letztens z.B. die Systeme zur Buchhaltung – damit ist nicht die Personalbuchhaltung, sondern die Kassen für Gebühren bei Personalausweisen, Pässen etc. gemeint)

      Da kann ich durchaus nachvollziehen, dass man als Verantwortlicher, dazu benötigt man keine Kenntnisse über Computer etc., vor der Situation steht: Aktuell geht's nicht, wie kann es wieder wie vorher funktionieren.

      Als Bürger hat sich für mich die Wartezeit seit 2003 kontinuierlich um Faktor 2-3 verlängert, ganz zu schweigen von den Situationen, in denen ich, und damit bin ich ja leider nicht allein, unverrichteter Dinge nach Hause gehen durfte, weil gar nichts ging. Dafür wird sich dann i.d.R. ein Arbeitstag frei genommen, ganz großes Kino.

      Möglicherweise waren die Ambitionen zu groß, der Zeitplan zu niedrig, whatever. Fakt ist, dass die aktuelle Situation für den Orkus ist. Für die Mitarbeiter und für die Bürger.

      Meiner Meinung nach ist natürlich die Anordnung zur kompletten Rückkehr (die Accenture ja auch gar nicht vorgeschlagen hatte) ohne genaue Analyse vorschnell und falsch.

      Wenn ich mir aber den Artikel von Pro-Linux.de anschauen (Link oben), ist dieser auch heuchlerisch. Dort heißt es u.a. "Die freie Softwarelösung aus Ubuntu mit einem KDE-Desktop, LibreOffice und WollMux als Vorlagensystem diente als Sündenbock für jegliche Mängel in der IT-Landschaft der Münchner Verwaltung.".

      Gerade Pro-Linux.de hat, wie einige andere auch, doch gerade den seinerzeitigen erfolgreichen Abschluss!, des Projektes gefeiert, obwohl von Abschluss bei den bestehenden Mängeln überhaupt nicht die Rede sein konnte.

      Ich zitiere aus dem seinerzeitigen Bericht: "…Denn die Migration von Betriebssystem und Standard-Anwendungen wie Office war im Prinzip ein Kinderspiel.", "Die Schwierigkeit lag in der großen Zahl von Fachanwendungen, die meist nur für Windows geschrieben waren und manchmal auch nur aus MS Office-Makros bestanden. Auch den Wildwuchs von MS Office-Vorlagen und Makros galt es zu ordnen, was den IT-Verantwortlichen mit dem eigens entwickelten Vorlagensystem WollMux vorbildlich gelang." – Vorbildlich? Wenn es noch bis heute nicht migrierte Formulare gibt?

      "Die höhere Sicherheit und Zuverlässigkeit von Linux und freier Software waren weitere wichtige Gründe." – Zuverlässigkeit bei höheren Ausfällen als vorher?

      Was hat mir letztens ein Bekannter gesagt (der nicht in München wohnt und mit der dortigen Situation nicht wirklich vertraut ist, aber, so wie ich auch, gerne Linux-Lösungen sieht): Die Ausfälle seien seiner Auffassung nach (sic) durch die noch bestehenden Windows-Rechner bedingt. Meine Antwort: Warum wurden sie nicht im Rahmen des Projekts wegprojektiert?

      Für mich ganz klare handwerkliche Fehler des Projekts, das offensichtlich, jedenfalls in der Führung, keine Ahnung von Computern, Datenverarbeitung und Betriebssystemen hatte – was Du dem Rathaus vorwirfst – und vor allen Dingen, keine Ahnung vom Betrieb der Computer, die ja nicht einem Selbstzweck dienen, haben. Was nutzt mir ein Rechner mit offenem, freien OS, offener freier Software, die völlig an den Belangen der Arbeit vorbeiläuft? Richtig, gar nix.

      Links zu den von mir erwähnten Pro-Linux.de-Artikeln:
      http://www.pro-linux.de/news/1/20579/münchen-schließt-linux-migration-ab.html
      http://www.pro-linux.de/news/1/21914/muenchen-wird-mitglied-im-tdf-beirat.html

      P.S.: Ich wohne im direkten Umfeld des KVR (Kreisverwaltungsreferat) München und einige meiner Freunde und Bekannten arbeiten dort. Gerade die Wartezeiten und Ausfälle kenne ich leider zur Genüge. Allein für das Abholen eines Personalausweises habe ich letztens 5 Anläufe gebraucht (jeweils mit 1h Wartezeit, obwohl das eine Stelle im KVR ist, die normal gering frequentiert ist). Dreimal konnten die Daten über die Vorausbezahlung des Ausweises nicht per PC abgerufen werden (ich hatte meine Kassenquittung dabei), einmal war das komplette System platt.

  2. Dieter Schmitz sagt:

    Ich warte darauf, dass sich die ersten Volkszertreter einen Erpressungstrojaner einfangen.

    Allerdings:

    Den erpressten Betrag zahlen WIR über unsere Steuern.

    Die Piratenpartei ist übrigens VÖLLIG am Ende. Tot.

    • Tim sagt:

      hey komm… die haben doch den Papa vom Sonneborn grad erst als seriösen Kandidaten zum Präsi aufgestellt, der so peinlich von Stars und Sternchen gewählt wurde… War das neu, oder ist mir das vorher nur nie aufgefallen? Da wären mal echte Volksvertreter am Werk. Voll demokratisch…

      Da kann man doch nicht davon reden das die Piraten am Ende sind. Aufstrebend und hart am Image arbeiten nennt man das. Bekommen die als Partei eigentlich auch noch Gelder? Warscheinlich vom Sonneborn ;D der die Reste zusammengefegt hat. Spendenschale vorm EU Klo, oder sowas…

  3. Tim sagt:

    Mit weniger Brauhausbesuchen im Kopf würden diese Dussel da unten einfach mal erkennen, das beste aus beiden Welten miteinander zu verbinden…

    Von Virtualisierung und Co hab ich in der Diskussion noch nie was gehört, sondern immer nur entweder Linux ODER Windows… Aber die Leute, die groß drüber reden haben ja eh keine Ahnung und glauben das bestimmt ein Administrator für eine Stadt reicht, die tun ja eh nix… während sie selber etwas planen, was sie nicht verstehen.

    • Aber sicher die Administratoren sind alles Faule Hunde, egal wo man die Antrifft sitzen die vor irgendeinem PC Rum schubsen ein bisschen mit der Maus über den Tisch oder klimpern in DOS Fensterchen seltsame Zeichen ein und beschweren sich mal über eine zu Langsame Leitung oder einen zu lahmen Rechner, im Grunde eigentlich Berufszweig den man 1. Nicht über einen Ausbildungszweig Erlernen kann und 2. anscheinend völlig überbewertet wird, wenn da nicht zufällig mal eine Fehlermeldung auftauchen würde "bitte wenden sie sich an Ihren System Administrator" ;)

  4. Herr IngoW sagt:

    Dieses "LiMux" ist für die Beamten halt etwas zu hoch. Es meckern ja nicht nur die Entscheider sondern auch die normalen Beamten/Mitarbeiter über "LiMux".
    Ist halt zu Kompliziert für die Bayern (sicher auch für andere Volksgruppen) und wohl auch zu anfällig.
    Aber die Steuereinahmen sind ja letztes Jahr wieder gestiegen.

    • Gaga sagt:

      Na na, das hat nix mit „zu kompliziert für die Bayern" zu tun.

      Das Problem ist die Politik. Die ahnungslosen Schlechtredner, die über genügend Einfluss und Macht verfügen. Die EDV/IT ist in München genau so der Depp und Handlanger wie in der Uckermark…
      War früher selbst in einem Regierungsbezirk in der EDV/IT und kann ein Lied von den so genannten „Entscheidungsprozessen" singen (damals streit um Novell/Microsoft). Mag gar nicht mehr daran denken… Lang ist's her aber geändert hat sich bis heute nichts.

      Die Politik und der Lobbyismus ist das Problem.

  5. Al CiD sagt:

    Ich habe mich damals über die LiMux-Entscheidung doch sehr gewundert, ist doch der Firmensitz von "Microsoft Deutschland" dort in München.
    Solch eine Entscheidung PRO Linux in der Verwaltung treffen zu dürfen war unerwartet. Mich hat es aber dafür um so mehr gefreut… hat doch auch das gefühlte 100%-CSU-Bundesland oft eine SPD regierte Hauptstadt… ;-)

    Das größte Problem sehe ich auch in der Tatsache, dass LiMux immer schon immer ein Politikum war/ist und nie wirklich die Möglichkeit hatte aus den Schlagzeilen zu kommen, zu viele Politiker haben darüber zu entscheiden und zu wenige haben Ahnung von der Sache, weder von Stadtverwaltung, noch von Linux.

    Hätte man seinerzeit die Umstellung ziemlich lautlos bewerkstelligen können wäre der Prozess ohne größere Konflikte verlaufen, da bin ich mir sicher.

    Die beste Idee in der jetzigen Diskussion ist schon einmal die Bildung EINER verantwortlichen Einrichtung MIT einem in der IT-Welt bewanderten Chef… ein Novum währe das schon.

    Sollte man sich tatsächlich von "Open Source" – muss ja nicht unbedingt Linux sein – abwenden und sich der Microsoft-Welt wieder unterwerfen, wage ich eine Prognose zu stellen: es wird laut! …so viel Geheul und Gejammer.

  6. thbock sagt:

    "…aber die kommenden Jahre werden, nach meiner Einschätzung nach, noch spannend."
    Absolut!
    Ich glaub' ich kauf' mir 'ne Popcornmaschine.
    Bin auch gespannt, wer aus der Münchener Regierung später mal für MS arbeitet…

  7. Günter Born sagt:

    Von der Document Foundation (Libre Office) gibt es eine recht lesenswerte Stellungnahme.

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