EU-Kommission eröffnet DSA-Verfahren gegen X – hat Musks die Plattform gekillt?

ParagraphDer Krug geht so lang zum Brunnen, bis er bricht. Lange hat es gedauert, aber nun hat die Europäische Kommission ein förmliches Verfahren gegen Elon Musks Plattform X.com eingeleitet. Es gilt zu prüfen, ob X in den Bereichen Risikomanagement, Inhaltsmoderation, Dark Patterns, Werbetransparenz und Datenzugang für Forscher möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste (DSA) verstoßen hat.


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Toxisches X.com

Seit Elon Musk die Plattform Twitter übernommen, viele Mitarbeiter entlassen und das Restgefüge in X umbenannt hat, ist das Ganze recht toxisch geworden. Verwörungstheoretiker und offen rechtsradikale Personen werden auf die Plattform zurückgeholt bzw. deren unter Twitter gesperrte Konten werden reaktiviert. Werbekunden wenden sich seit Monaten ab, weil sie ihre Werbeanzeigen nicht neben radikalen Posts sehen wollen.

Ich hatte Ende Oktober 2023 im Artikel Quo Vadis X? Ein turbulentes Jahr seit der Twitter-Übernahme durch Elon Musk den Niedergang der Plattform X nachgezeichnet. Ein Drama in meinen Augen, war Twitter früher doch eine Plattform, wo Du zielgerichtet Informationen holen und austauschen konnte. Daher bin ich (noch) auf Twitter vertreten, weil ich da Informationen für meine Tätigkeit als Blogger bekomme. Aber es wird dort "dünner", viele aktive Nutzer haben sich inzwischen verabschiedet.

Noch dramatischer ist der Verlust von Werbekunden für X – was vor allem dem Agieren von Elon Musk zu verdanken ist. Ende November 2023 bepöbelte Musk Werbekunden, die der Plattform den Rücken kehrten mit "Go fuck yourself!" (siehe diesen Artikel) – sprich: Die Plattform ist für Firmen toxisch geworden – und meiner Meinung nach ist der Absturz eingeleitet.

Vor wenigen Tagen berichteten verschiedene Medien wie heise, dass die Werbeinnahmen pro Quartal auf 600 Millionen US-Dollar geschrumpft seien – im Jahr bekommt die Plattform von Musk nur noch 2,5 Milliarden US-Dollar zusammen. Und eine irische Zeitung hat herausgefunden, dass auf X bestimmte Inhalte wie die Leugnung des Holocaust auf X/Twitter nicht gelöscht werden dürfen – heise hat es gerade hier aufgegriffen.

EU-Kommission eröffnet DSA-Verfahren

Das Maß ist für die EU-Kommission nun bezüglich X voll, EU-Kommissar Thierry Breton hat auf der Plattform X in folgendem Tweet die Eröffnung einer formalen Untersuchung (eines förmlichen Vertragsverletzungsverfahrens) gegen X bekannt gegeben.

Es geht gleich um eine Reihe an Verstößen, die der Plattform X von der EU-Kommission im Rahmen des Digital Service Acts (DSA) vorgeworfen werden. Hier die Punkte aus obigem Tweet:

  • Mutmaßlicher Verstoß gegen die Verpflichtungen zur Bekämpfung von illegalem Content und Desinformation
  • Mutmaßlicher Verstoß gegen die Transparenzpflichten – die Untersuchung betrifft mutmaßliche Unzulänglichkeiten beim Zugang von Forschern zu den öffentlich zugänglichen Daten von X, wie in Artikel 40 des DSA vorgeschrieben, sowie Unzulänglichkeiten im Anzeigen-Repository von X.
  • Verdacht auf täuschende Gestaltung der Benutzeroberfläche (die Häkchen für bestimmte Abonnementprodukte, die sogenannten Blue Checks)

In einer Pressemitteilung schreibt die EU-Kommission, dass man im heute eingeleiteten förmlichen Verfahren prüft, ob X in den Bereichen Risikomanagement, Inhaltsmoderation, Dark Patterns, Werbetransparenz und Datenzugang für Forscher möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste (DSA) verstoßen hat.


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Auf der Grundlage der bisher durchgeführten Voruntersuchung, das umfasst eine Analyse des von X im September vorgelegten Risikobewertungsberichts, des am 3. November veröffentlichten Transparenzberichts von X und der Antworten von X auf ein förmliches Auskunftsersuchen, das unter anderem die Verbreitung illegaler Inhalte im Zusammenhang mit den Terroranschlägen der Hamas gegen Israel betraf, hat die Kommission beschlossen, ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren gegen X nach dem Gesetz über digitale Dienste einzuleiten.

Nach der förmlichen Eröffnung des Verfahrens wird die Kommission weiterhin Beweise sammeln, z. B. durch zusätzliche Auskunftsersuchen, Befragungen oder Nachprüfungen. Durch die Eröffnung eines förmlichen Verfahrens wird die Kommission ermächtigt, weitere Durchsetzungsmaßnahmen zu ergreifen, wie z. B. einstweilige Maßnahmen und Entscheidungen über die Nichteinhaltung. Die Kommission ist auch befugt, von X eingegangene Verpflichtungen zur Behebung von Mängeln, die Gegenstand des Verfahrens sind, zu akzeptieren.

Das DSA sieht keine gesetzliche Frist für die Beendigung eines förmlichen Verfahrens vor. Die Dauer einer eingehenden Untersuchung hängt von einer Reihe von Faktoren ab, u. a. von der Komplexität des Falles, dem Umfang der Zusammenarbeit des betroffenen Unternehmens mit der Kommission und der Ausübung der Verteidigungsrechte. Die Einleitung eines förmlichen Vertragsverletzungsverfahrens greift dem Ausgang des Verfahrens nicht vor. Sie entbindet die Koordinatoren für digitale Dienste oder andere zuständige Behörden der EU-Mitgliedstaaten von ihren Befugnissen zur Überwachung und Durchsetzung des DSA in Bezug auf mutmaßliche Verstöße gegen Artikel 16 Absatz 5, Artikel 16 Absatz 6 und Artikel 25 Absatz 1.

Schaut man sich aber die Entwicklung von X im Jahr nach der Übernahme von Elon Musk an, befindet sich die Plattform inhaltlich und wirtschaftlich im Absturz. Die förmliche Eröffnung eines Verfahrens in der EU dürfte den Niedergang beschleunigen. Gut möglich, dass Elon Musk versucht, die Reißleine zu ziehen und sich aus der EU mit X zurückzuziehen. Schaut so aus, als ob Elon Musk "den Vogel endgültig getötet hat".

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Eine Antwort zu EU-Kommission eröffnet DSA-Verfahren gegen X – hat Musks die Plattform gekillt?

  1. Günter Born sagt:

    Anmerkung: Ich habe die Kommentierung des Artikels gesperrt und die Kommentare gelöscht. Erkennbar laufen die Kommentare in Richtung "die einzige Plattform, wo freie Meinungsäußerung noch möglich ist". Der DSA besitzt als Verordnung den Rang eines Gesetzes in der EU und ist für Plattformanbieter verflichtend. Das Prüfverfahren untersucht, ob Vorgaben des DSA verletzt wurden und das Ergebnis des Prüfverfahrens ist juristisch überprüfbar. Daher erübrigt sich hier jegliche Kommentierung der Art "eine Plattform, die Meinungsäußerung erlaubt, wurde von Zensurbehörden abgeschaltet".

    Speziell dass X erste Stelle für Desinformation und Hetze geworden ist, ruft gerade zu nach einen Prüfverfahren. Die aktuellsten Beiträge (z.B. zu heise hinsichtlich der neuesten Recherchen einer irischen Zeitung), sind im Artikel verlinkt. Das war dort über Moderation und was stehen bleiben kann, zu lesen war, ist menschenverachtend. Desinformation und Hetze, z.B. Antisemitismus, geht gar nicht.

    Ich glaubte, die Kommentierung unter dem Artikel abgeschaltet zu haben, was nicht der Fall war – war mein Fehler. 

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